Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 10.07.2003; Aktenzeichen 16 O 75/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Zivilkammer 16 des LG Berlin vom 10.7.2003 - 16 O 75/03 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist Regisseur des im Jahr 1969 produzierten Dokumentarfilms "Schlacht um Berlin" mit einer Gesamtlaufzeit von 80 Minuten. Er hat ursprünglich von der Beklagten unter Berufung auf seine Urheberrechte Ersatz des immateriellen Schadens begehrt, der ihm nach seinem Vorbringen durch die Ausstrahlung von zwei Fernsehbeiträgen dadurch entstanden ist, dass zum einen aus seinem Film einzelne Szenen in einem anderen, im Fernsehen ausgestrahlten Film verwendet worden sind und er dort nicht als Urheber benannt worden ist, und dass zum anderen sein Film um die Hälfte der Laufzeit gekürzt im Fernsehen ausgestrahlt worden ist. Letzteren Vorgang sieht er als gröbliche Entstellung seines Filmwerkes an.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in einer vom Gericht festzusetzenden Höhe, jedoch nicht geringer als 5.100 Euro zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das LG hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Wegen des tatsächlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Er verfolgt seinen ursprünglichen Antrag weiter, begründet ihn aber nur noch mit der Kürzung seines Filmes um die Hälfte der Laufzeit auf 40 Minuten und dessen Sendung im Fernsehen.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte nach dem erstinstanzlich gestellten Antrag zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihren Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die Berufung ist zwar statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig.
In der Sache ist die Berufung jedoch unbegründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gem. § 97 Abs. 2 UrhG (Schmerzensgeld) für eine Entstellung seines Filmwerkes "Schlacht um Berlin" durch die Sendung einer um die Hälfte verkürzten Fassung des Films nicht zu, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.
Gemäß § 97 Abs. 2 UrhG können (u.a.) Urheber, wenn dem Verletzer Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit es der Billigkeit entspricht.
a) Dass es sich bei dem Film des Klägers um ein als persönlich-geistige Schöpfung nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG geschütztes Filmwerk handelt, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Hiervon ist auch das LG stillschweigend ausgegangen.
b) Nach § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden.
aa) Entstellung - als besonders schwerer Fall des Oberbegriffs der Beeinträchtigung (vgl. Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 93 Rz. 15) - ist jede Verzerrung oder Verfälschung der Wesenszüge des Werkes, wie etwa bei Veränderungen des Werkcharakters, Verzerrung oder Verfälschung der Grundauffassung des Werks, Verstümmelung, Sinnentstellung oder Änderung des Aussagegehaltes eines Werkes durch Streichungen oder Zusätze (OLG München v. 1.8.1985 - 29 U 2114/85, GRUR 1986, 460 [461] - Die Unendliche Geschichte, unter Bestätigung des LG München, I-MR 4/1985, Archiv 4/5; Fromm/Nordemann, UrhG, 9. Aufl., § 14 Rz. 2; Möhring/Nicolini/Lütje, UrhG, 2. Aufl., § 14 Rz. 3, § 93 Rz. 24). Eine Entstellung liegt im allgemeinen in Streichungen wesentlicher Teile oder in Zusätzen, die dem Werk eine andere Färbung oder Tendenz verleihen oder in ähnlichen Abweichungen vom Inhalt und Charakter des Werks, die auf die geistige Haltung oder Einstellung, dem Ruf und das Ansehen des Werkschöpfers ungünstige oder zumindest unrichtige Rückschlüsse zulassen (v. Gamm, UrhG, § 14 Rz. 8).
bb) Nach diesen Maßgaben hat die Beklagte den Film des Klägers durch die Verkürzung auf die Hälfte der Laufzeit allerdings entstellt, denn jede objektiv nachweisbare Änderung des vom Urheber geschaffenen geistig-ästhetischen Gesamteindrucks des Werkes führt zu einer Beeinträchtigung i.S.d. § 14 UrhG (BGH v. 13.10.1988 - I ZR 15/87, MDR 1989, 230 = GRUR 1989, 106 [107] - Oberammergauer Passionsspiele II; OLG München GRUR 1993, 332 [333] - Christoph Columbus).
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