Insbesondere von psychisch kranken Mietern können erhebliche Hausfriedensstörungen ausgehen. Der Vermieter muss zwar in gewissen Grenzen krankheitsbedingte Auffälligkeiten hinnehmen. Jedenfalls ist im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit kranken Menschen ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft zu fordern.[1] Die Grenzen sind aber dann überschritten, wenn nach Abwägung aller Umstände die Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter unzumutbar ist. Die außerordentliche fristlose Kündigung des Mietvertrags aus wichtigem Grund kann jedenfalls auch gegenüber dem schuldlos handelnden Mieter erklärt werden, wenn er durch sein Verhalten den Hausfrieden nachhaltig stört.[2]

[1] LG Frankfurt, Beschluss v. 28.12.2015, 2-11 S 248/15, MietRB 2016, 64.

3.23.1 Vorübergehende Störungen

Wird der Hausfrieden durch einen psychisch kranken Mieter gestört, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und anderer Mieter vor dem Hintergrund der Wertentscheidung des Grundgesetzes gegeneinander abzuwägen.[1] Aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist die Notwendigkeit eines erhöhten Maßes an Toleranzbereitschaft im Zusammenleben mit behinderten Menschen abzuleiten.[2]

 
Praxis-Beispiel

Falsche Medikation

Der Mieter leidet an einer paranoiden Schizophrenie und steht unter Betreuung. Die Erkrankung wird durch Gabe von Depotmedikamenten behandelt. Die Erkrankung und deren Behandlungsbedürftigkeit waren dem Vermieter bei Abschluss des Mietvertrags bekannt. Einige Jahre später zeigte der Mieter ein deutlich geändertes Verhalten. Er trat u. a. seine und die Wohnungstür einer anderen Mieterin ein, er schrie mehrmals laut in seiner Wohnung. Das Verhalten beruhte nach Einschätzung der behandelnden Ärzte auf einem fehlerhaft veränderten Medikamentenspiegel des Mieters. Nach einer stationären Behandlung des Mieters und einer Neueinstellung der Medikation verhält er sich unauffällig.

Eine Kündigung ist in diesem Fall nicht möglich.[3] Zugunsten des Mieters sprechen in vergleichbaren Fällen maßgeblich die schwere psychische Erkrankung und deren grundsätzliche medikamentöse Behandelbarkeit. Kommt es insbesondere bei richtiger Medikation zu keinen Verhaltensauffälligkeiten, ist eine Kündigung nicht möglich.

 

Kein Schadensersatzanspruch

Der Vermieter hat in derartigen Fällen keinen Schadensersatzanspruch gegen den Mieter wegen etwa eingetretener Türen oder sonstiger Sachschäden. Denn der Mieter hat die Pflichtverletzungen nicht zu vertreten, wenn er sich in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung befunden hat.

Auch ein Betreuer kann in diesen Fällen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Zwar kann den Betreuer als Erfüllungsgehilfe des Mieters nach § 278 BGB grundsätzlich eine Haftung treffen. Ein Betreuer hat nämlich nur beschränkte Möglichkeiten, drittschützende Maßnahme zu ergreifen. Für den Eingriff in die Rechte des Mieters bedarf es stets gerichtlicher Anordnung. Ohne sie darf der Betreuer die Freiheitsrechte des Mieters nicht beeinträchtigen.[4] Der Betreuer hat insbesondere keine allumfassende Aufsichtspflicht.[5]

[1] BGH, Beschluss v. 24.11.2009, VIII ZR 174/09.
[2] AG Hamburg, Urteil v. 15.7.2016, 46 C 144/16, ZMR 2016, 882.
[3] AG Hamburg, a. a. O.
[4] OLG Düsseldorf, Urteil v. 26.8.2009, I-15 U 26/09.
[5] AG Hamburg, Urteil v. 15.7.2016, 46 C 144/16, ZMR 2016, 882.

3.23.2 Erhebliche dauerhafte Störungen

Die Verpflichtung zur Toleranz gegen (psychisch) kranke Mieter endet, wenn der vertragsgemäße Gebrauch der Mietwohnungen für die übrigen Mietparteien stark beeinträchtigt ist.

Lautes Schreien

Deshalb ist ein wichtiger Grund im Sinne der §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB für eine außerordentliche fristlose Kündigung gegeben, wenn etwa der psychisch stark belastete Sohn einer 85 Jahre alten und behinderten Mieterin nachts in der Mietwohnung ständig so laut schreit, dass eine andere Mieterin annähernd jedes Wort verstehen kann und ein weiterer berufstätiger Nachbar, der morgens um 6.00 Uhr aufstehen muss und auf nächtlichen Schlaf angewiesen ist, regelmäßig mehrmals nachts aus dem Schlaf gerissen wird.[1]

Aggressives und bedrohliches Auftreten

Hat der Mieter über einen längeren Zeitraum hinweg den Hausfrieden durch eine Vielzahl von störenden, aggressiven und bedrohlichen Handlungen bis hin zu Tätlichkeiten massiv gestört, liegt eine nachhaltige Störung vor, die nach wiederholter Abmahnung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt. Dies gilt auch bei Schuldunfähigkeit des Mieters aufgrund einer psychischen Erkrankung. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses ist nämlich dann nicht mehr zumutbar, wenn dadurch fortgesetzt höchstpersönliche Rechtsgüter verletzt oder gefährdet werden, beispielsweise indem der Mieter

  • Personen verletzt oder mit gefährlichen Gegenständen bedroht oder
  • auch nur in seinen Äußerungen und in der Unkontrolliertheit seines Verhaltens bedrohlich auftritt sowie
  • Sachbeschädigungen am Eigentum der Mieter oder der Vermieter vornimmt.[2]

Fäkalien und Essensreste

Unzumutbare Beeinträchtigungen für den Vermieter und andere ...

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