Nachgehend

OLG Hamburg (Urteil vom 19.05.2005; Aktenzeichen 3 U 202/04)

 

Tenor

  • Die einstweilige Verfügung vom 9. August 2004 wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
  • Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Antragstellerin.
  • Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  • Die Antragstellerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 4.250,- abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 9. August 2004, mit der der Antragsgegnerin verboten wurde, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG durch Übersendung allgemeiner Produktlisten mit der Angabe des Arzneimittels, der Packungsgröße und des Preises an Apotheker zu werben.

Die Antragstellerin, eine in München ansässige Apotheke, ist auf dem Gebiet des Einzelimports von Arzneimitteln nach § 73 AMG aktiv. Sie stützt sich für ihren im vorliegenden Fall geltend gemachten Unterlassungsanspruch auch auf eine von der Antragsgegnerin in einem früheren Verfahren abgegebene Unterlassungserklärung (Anlage Ast 4). In dieser hatte sich die Antragsgegnerin verpflichtet, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs keine Werbung für den Einzelimport von Arzneimitteln nach § 73 Abs. 3 AMG zu betreiben.

Die Antragsgegnerin vertreibt Arzneimittel, deren Import nach § 73 Abs. 3 AMG möglich ist. Zur Unterstützung des Vertriebs der Arzneimittel gibt sie Produktlisten an Apotheken ab, in denen die Arzneimittel mit Produktbezeichnung (Handelsname und Packungsgröße) und Preis gekennzeichnet sind (Anlage Ast 1). Die Produktliste lässt in Einzelfällen erkennen, aus welchen Ländern der Import erfolgen soll. Diese sind dabei nur teilweise EU-Mitgliedstaaten, während der Import zu einem Großteil auch aus Nicht-Mitgliedstaaten erfolgt.

Die Antragstellerin erwirkte mit dem Vortrag, sie habe davon Kenntnis erhalten, dass die Antragsgegnerin besagte Preislisten an Apotheken verteile, die von der Kammer mit Beschluss vom 9. August 2004 erlassene einstweilige Verfügung.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrem Widerspruch. Sie macht geltend, dass sie sich nur dahingehend verpflichtet habe, Werbung für den Einzelimport von Arzneimitteln zu unterlassen, sofern diese unzulässig sei. Die vorliegend beanstandete Übersendung von Preislisten sei nicht als Werbung i. S. v. § 1 HWG zu beurteilen, da das Heilmittelwerbegesetz europarechtskonform einschränkend ausgelegt werden müsse. Gemäß Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftscodex für Humanarzneimittel vom 6. 11. 2001 gälten konkrete Angaben und Unterlagen, die beispielsweise Änderungen der Verpackung, Warnung vor unerwünschten Nebenwirkungen im Rahmen der Arzneimittelüberwachung sowie Verkaufskataloge und Preislisten beträfen, sofern diese keine Angaben über das Arzneimittel enthielten, nicht als Werbung für Arzneimittel. Die Richtlinie gebe den Mitgliedstaaten einen verbindlichen Mindest-, als auch einen verbindlichen Höchststandard vor. Verkaufskataloge und Preislisten fielen daher nicht unter die gemäß § 8 HWG unzulässige Werbung, da das HWG insoweit keine Anwendung finde.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung zu bestätigen.

Die Antragstellerin verweist darauf, dass mit der Kodifikation in der Richtlinie 2001/83/EG keine abschließende Harmonisierung der Werbung für Humanarzneimittel erfolgt sei. Die Richtlinie gebe vielmehr nur einen Mindeststandard vor. Daher seien die Mitgliedstaaten im Rahmen der Art. 28 und 30 EG nicht gehindert, weitergehende Regelungen für die Werbung für Humanarzneimittel zu treffen. Im Übrigen enthalte die streitgegenständliche Produktliste Angaben über das Arzneimittel i.S.v. Art. 86 Abs. 2 Spiegelstrich 3 (z.B. über die Wirkstärke) und stelle daher keine “bloße Preisliste” dar. Die Frage der Vereinbarkeit von § 8 HWG mit dem Gemeinschaftsrecht stelle sich zudem nur insoweit, als die Werbung für aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft eingeführte Arzneimittel betroffen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2004 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 9. August 2004 ist aufzuheben, da sie sich unter Berücksichtigung des Widerspruchsvorbringens als unbegründet erweist.

Die Antragstellerin kann die Untersagung der Versendung der streitgegenständlichen Preisliste weder auf gesetzliche (dazu unter 1.) noch auf vertragliche Unterlassungsansprüche stützen (dazu unter 2.).

1. Der Antragstellerin steht im Hinblick auf das streitgegenständliche Verhalten kein Unterlassungsanspruch aus §...

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