Leitsatz (amtlich)
1. In den Fällen fehlender Begründung eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO genügt für das Entstehen einer Bindungswirkung, dass sich aus dem Akteninhalt ergibt, dass das verweisende Gericht die Rechtslage sachlich überprüft hat und dabei eine vom verweisenden Gericht für zutreffend erachtete Rechtsgrundlage für die Verweisung erkennbar ist.
2. Ist mangels Begründung eine vor Erlass eines Verweisungsbeschlusses nach § 281 ZPO vorgenommene sachliche Prüfung selbst den Akten nicht zu entnehmen, ändern erst nachträglich angestellte Erwägungen des verweisenden Gerichts an der objektiven Willkürlichkeit des Verweisungsbeschlusses nichts.
3. Für die Leistungs- und Gegenleistungspflicht aus einem Mobilfunk-(Dienst-)Vertrag kann aus der Natur des Schuldverhältnisses ein einheitlicher gemeinsamer Erfüllungsort nicht festgestellt werden; es fehlt an einer prägenden, an einem bestimmten Ort zu erbringenden Dienstleistung.
4. Die nach § 35 ZPO getroffene Gerichtsstandswahl wird mit Eingang der Akten bei dem im Mahnantrag bezeichneten Streitgericht bindend, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob die Abgabe i.S.v. § 696 Abs. 3 ZPO "alsbald" erfolgt ist.
Normenkette
ZPO §§ 35-36, 281, 696 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin fordert von dem Beklagten die Vergütung von Mobilfunkleistungen i.H.v. 1.613,88 EUR nebst Zinsen. Die Parteien haben im Juni 2003 einen Vertrag über die Bereitstellung und Nutzung eines Mobilfunkanschlusses geschlossen. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses wohnte der Beklagte im Bezirk des AG X. Wegen angeblich noch offener Forderungen betrieb die Klägerin gegen den Beklagten das Mahnverfahren. Zum Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheids war der Beklagte noch im Bezirk des AG X. wohnhaft, das die Klägerin im Mahnantrag auch als zuständiges Streitgericht bezeichnet hat. Obwohl das Mahngericht ihr die Einlegung des Widerspruchs bereits Ende 2003 mitgeteilt hatte, betrieb die Klägerin die Durchführung des streitigen Verfahrens erst im Jahre 2005. Die Akten sind am 2.6.2005 beim AG X. eingegangen. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Anspruchsbegründung am 27.9.2005 wohnte der Beklagte in G. im Bezirk des AG F.
Aufgrund des Hinweises des AG X., es sei unzuständig, weil der Wohnsitz des Beklagten nicht in seinem Gerichtsbezirk liege, hat die Klägerin die Verweisung an das "örtlich zuständige" Gericht beantragt. Mit Beschl. v. 28.10.2005 hat sich das AG X. für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das AG F. verwiesen. Eine Begründung enthält dieser Beschluss nicht.
Das AG F. hat die Akten an das AG X. mit der formlosen Mitteilung zurückgesandt, es sei nicht zuständig, da die Klägerin den Gerichtsstand des Erfüllungsortes gewählt habe. Daraufhin hat das AG X. die Akten erneut dem AG F. mit der Bemerkung zugeleitet, dass "beim Dienstvertrag der gemeinsame Erfüllungsort ist, wo die Dienste zu leisten sind. Das ist bei einem Handyvertrag nicht der Wohnsitz des Schuldners".
Mit Beschl. v. 23.11.2005 hat sich das AG F. ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und dem OLG die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes vorgelegt.
Das OLG hat das AG X. als zuständiges Gericht bestimmt.
Entscheidungsgründe
Das AG X. ist als das zuständige Gericht zu bestimmen.
I. Die Voraussetzungen zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind gegeben.
Das AG F. hat dem OLG B. den Rechtsstreit zur Entscheidung über die Zuständigkeit vorgelegt. Diese Vorlage von Amts wegen genügt für eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (BGH NJW 1979,1048; v. 16.5.1984 - IVb ARZ 20/84, MDR 1985, 36 = NJW 1985, 2537).
Das OLG B. ist gem. § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung berufen. Die AG X. und F. befinden sich in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken. Das AG X. war zuerst mit der Sache befasst (Hüßtege in Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 36 Rz. 6).
Sowohl das AG X. als auch das AG F. haben sich in unanfechtbaren Beschlüssen nach § 281 Abs. 1 ZPO für örtlich unzuständig erklärt, so dass ein negativer Kompetenzkonflikt vorliegt.
I. Der Bestimmung des AG X. zum zuständigen Gericht steht der Verweisungsbeschluss vom 28.10. 2005 nicht entgegen.
Grundsätzlich ist ein Verweisungsbeschluss nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO bindend, so dass er nicht von dem neuen Gericht und dessen Rechtsmittelinstanzen aufgehoben oder abgeändert werden kann. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Verweisung jede gesetzliche Grundlage fehlt und sie daher objektiv willkürlich erscheint (Reichold in Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 281 Rz. 12; BGH v. 19.1.1993 - X ARZ 845/92, MDR 1993, 576 = NJW 1993, 1273).
Das ist hier der Fall.
Das AG X. hat nach Aktenlage im Rahmen seines Verweisungsbeschlusses den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 29 Abs. 1 ZPO als eindeutige Zuständigkeitsvorschrift (s.u. zu Ziff. 3 und 4) Übergängen, so dass die Verweisung mangels einer gesetzlichen Grundlage als objektiv willkürlich erscheint (Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 281 Rz. 17). Das folgt nicht allein aus dem Umstand, dass das AG X. den Verweisungsbeschluss vo...