Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich: Verfahrensaussetzung hinsichtlich des Wertausgleichs von bei der VBL erworbenen Anwartschaften rentenferner Versicherter
Leitsatz (amtlich)
Verfahren über den Versorgungsausgleich, in denen Startgutschriften für Versicherte rentenferner Jahrgänge aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes zu berücksichtigen sind, sind auch nach neuem Recht hinsichtlich des Wertausgleichs dieser Anrechte bis zu einer Neufassung der Satzungsbestimmungen auszusetzen.
Normenkette
VersAusglG § 45 Abs. 3; FamFG § 21
Verfahrensgang
AG Hannover (Beschluss vom 05.07.2010; Aktenzeichen 612 F 6475/09) |
Tenor
Das Beschwerdeverfahren wird gem. § 21 FamFG bis zur Neuregelung der Übergangsbestimmungen für die Berechnung der Startgutschriften von Versicherten der rentenfernen Jahrgänge in der Satzung der Beteiligten zu 1 ausgesetzt.
Gründe
I. Das AG hat mit dem allein zum Versorgungsausgleich (teilweise) angefochtenen Beschluss vom 5.7.2010, auf den auch zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird, die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Es hat die Anrechte des Ehemannes bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) BraunschweigHannover und bei der Zusatzversorgungskasse (ZVK) der Stadt H. sowie das Anrecht der Ehefrau bei der DRV Bund intern und das Anrecht der Ehefrau bei der Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen extern geteilt. Hinsichtlich der beiden von der Ehefrau bei dem D. Lebensversicherungsverein a. G. erworbenen Anrechte im Ausgleichswert von 502,53 EUR und 350,40 EUR hat das AG entschieden, dass ein Wertausgleich gem. § 18 VersAusglG nicht stattfindet.
Mit ihrer (zulässigen) Beschwerde macht die Beteiligte zu 1 geltend, dass das AG bei seiner Entscheidung zum Versorgungsausgleich von einem unzutreffenden Ausgleichswert des vom Ehemann bei ihr erworbenen Anrechts in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes ausgegangen sei. Der auf die Ehefrau zu übertragende Ausgleichswert ergebe sich nicht durch hälftige Teilung der vom Ehemann in der Ehezeit erworbenen Versorgungspunkte, sondern sei zu ermitteln, indem die vom Ehemann erworbenen Versorgungspunkte zunächst in einen Barwert umzurechnen seien, davon dann die hälftigen Teilungskosten (i.S.d. § 13 VersAusglG) abzuziehen seien und der so ermittelte korrespondierende Kapitalwert (i.S.d. § 47 VersAusglG) unter Verwendung des für die Ehefrau maßgebenden Barwertfaktors in Versorgungspunkte umzurechnen sei.
II. Da das Scheidungsverbundverfahren nach dem 31.8.2009 eingeleitet worden ist, findet auf die Beschwerde das FamFG Anwendung (Art. 111, 112 FamFG).
Das Beschwerdeverfahren ist gem. § 21 VersAusglG auszusetzen.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 174, 127. Beschluss des XII. OLG Celle v. 5.11.2008 - XII ZB 53/06, FamRZ 2009, 303) sind die Satzungsbestimmungen der Zusatzversorgungsanstalten des öffentlichen Dienstes, zu denen die Beteiligte zu 1 gehört, wegen Verstoßes gegen Art. 3 GG insoweit unwirksam, als sie die Berechnung der (auf den 31.12.2001 bezogenen) Startgutschriften von Versicherten der sog. rentenfernen Jahrgänge betreffen. Darunter fallen Versicherte, die am 1.1.2002 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, also nach 1946 geboren sind. Die Tarifvertragsparteien sind aufgefordert worden, eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Daher können die bisherigen Auskünfte der Zusatzversorgungsträger für den genannten Personenkreis im Versorgungsausgleich nicht mehr verwendet werden. Der Ehemann gehört zu diesem Personenkreis, denn er ist am 9.3.1968 geboren und hat aufgrund seiner Zugehörigkeit zum öffentlichen Dienst vor 2002 eine Startgutschrift erhalten (vgl. die Auskunft der Beteiligten zu 1 vom 27.1.2010). Eine Vereinbarung der Ehegatten dahin, dass der Ausgleich des Anrechts aus der Zusatzversorgung auf der Grundlage des bisherigen Satzungsrechts vorgenommen wird, ist nicht zustande gekommen. Der Versorgungsausgleich kann daher hinsichtlich des Ausgleichs der Anwartschaft des Ehemannes aus der Zusatzversorgung derzeit nicht durchgeführt werden. Das Beschwerdeverfahren ist vielmehr bis zu einer Neufassung der Satzung des Versorgungsträgers förmlich auszusetzen und erst nach einer Neufassung der Satzung wiederaufzunehmen und fortzusetzen. Da sich das Beschwerdeverfahren auf den Versorgungsausgleich beschränkt, der nicht zu den Familienstreitsachen gehört, stützt sich die Aussetzung auf § 21 FamFG. Einer entsprechenden Heranziehung des § 148 ZPO, die der BGH (FamRZ 2009, 303) nach früherem Recht befürwortet hatte, bedarf es nicht mehr.
Das OLG München (Beschlüsse vom 1.9.2010 - 12 UF 1006/10 -; v. 20.9.2010 - 33 UF 801/10) vertritt allerdings die Auffassung, nach neuem Recht bedürfe es in einem derartigen Fall keiner Verfahrensaussetzung mehr. Das auf der Startgutschrift beruhende Anrecht eines rentenfernen Versicherten sei als nicht ausgleichsreif i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG anzusehen, weil es der Höhe nach noch nicht hinreichend verfestigt sei. Seine Höhe hä...