Verfahrensgang
LG Hannover (Aktenzeichen 19 O 258/19) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung der Klägerin sowie der Berufung der Beklagten wird das am 30. November 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die von der Klägerin unterhaltene Krankenversicherung (zuletzt Versicherungsnummer KV 20...) unverändert fortbesteht und nicht durch die Kündigung der Beklagten, ausgesprochen mit Schreiben vom 4. April 2019, beendet wurde.
Es wird festgestellt, dass der von der Beklagten mit Schreiben vom 4. April 2019 geltend gemachte Anspruch auf Rückerstattung von 79.857,84 EUR nicht besteht.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung eines privaten Krankenversicherungsvertrages aus wichtigem Grund wegen parallel bezogener Beihilfeleistungen und über die Berechtigung zur Rückforderung von Krankheitskostenerstattung in Höhe der bezogenen Beihilfeleistungen.
Die Parteien verband, beginnend zum 1. August 1965, ein Vertrag über eine private Krankheitskostenvollversicherung im "Wahltarif 58". Bestimmte prozentuale Erstattungen waren zunächst nicht vorgesehen. Wegen der näheren Einzelheiten des Vertragsverhältnisses wird auf den als Anlage K 2 vorgelegten Versicherungsschein, in dem die berufliche Tätigkeit der Klägerin mit "Gerichtsassessorin" angegeben wurde, und die als Anlage K 3 vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen Bezug genommen. Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 25. Januar 1975 (Anlage K 5) erfolgte zum Februar 1975 die Umstellung in den "Wahltarif 73". Hierin gab die Klägerin zu ihrem Beruf "Richterin am Landgericht" und zu der Frage (unter "Gesundheits- und sonstige Fragen") "Bei welchem Versicherer/welcher Versicherung besteht eine gesetzl. Krankenversicherung?" den Eintrag "Beihilfe" an. Wegen der näheren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den als Anlage K 5 vorgelegten Nachtrag zum Versicherungsschein und die als Anlage k 6 vorgelegten Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die "Wahltarife 73". Aufgrund des Antrags der Klägerin vom 22. April 1999 (Anlage K 8) wurde gemäß dem als Anlage K 9 vorgelegten Versicherungsschein die Geltung des Tarifs KM 50 DM (Krankenhaustagegeld) zum 1. Februar 1999 vereinbart. In dem Antrag wurde handschriftlich unter dem Punkt "Besondere Vereinbarungen" festgehalten: "Beihilfe Änderung Niedersachsen PER 1.2.99". Ab 1. Juli 1999 bis 30. November 2018 galten hinsichtlich der Krankheitskosten die Tarife AD1, ZD1 und SM7, die ebenfalls einen Vollversicherungsschutz umfassten (vgl. Bl. 232 d. A. i.V.m. Anlage K 14).
Aufgrund einer Anfrage des Niedersächsischen Landesamts für Bezüge und Versorgung (NLBV) über Nachweise der von der Klägerin unterhaltenen Versicherungstarife nahm die Klägerin Kontakt zur Beklagten auf. Hieraufhin unterbreitete die Beklagte der Klägerin im Hinblick auf die anstehende Pensionierung der Klägerin ein Angebot zur Tarifänderung und Anpassung an den Beihilfeanspruch im Ruhestand von 70 %. Zum 1. Dezember 2018 erfolgte die Tarifumstellung in einen Quotentarif (und Krankenhaustagegeld; vgl. Anlage 1).
Während des gesamten Versicherungszeitraums beantragte die Klägerin für dieselben entstandenen Krankheitskosten Erstattung sowohl gegenüber der Beklagten als auch gegenüber dem NLBV, die jeweils gemäß den Leistungsanträgen die erstattungsfähigen Krankheitskosten der Klägerin erstatteten. Die Klägerin wies gegenüber der Beklagten nicht darauf hin, dass lediglich die Differenz zur Beihilfe erstattet werden soll. Die Beklagte hatte keine Kenntnis darüber, dass die Klägerin Erstattungsleistungen nach dem Beihilferecht erhielt.
Mit Schreiben vom 7. Februar 2019 kündigte das NLBV gegenüber der Klägerin die Rückforderung eines Betrages in Höhe von 79.857,84 EUR an, weil für die Klägerin seit dem 1. November 1967 bis zum 30. November 2018 eine private Krankheitskostenvollversicherung bestanden habe und sie im Zeitraum von Oktober 1999 bis zuletzt Beihilfe bis zu einem Bemessungssatz von 70 % erhalten habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass sie entgegen § 80 Abs. 4 NBG in rechtswidriger Weise überzahlt worden sei. Es sei beabsichtigt, die in einer Anlage beigefügten (rechtswidrigen) Bescheide durch Neufestsetzung aufzuheben bzw. zurückzunehmen und die zu viel gezahlten Beihilfen zurückzufordern. Die Klägerin unterrichtete hiervon die Beklagte mit Schreiben vom 27. Februar 2019 (Anlage BLD 1).
Mit Schreiben vom 4. Apr...