Leitsatz (amtlich)
Die Haftung des Anhängerhalters entfällt nicht dadurch, dass sich die allein auf den Anhänger bezogene Betriebsgefahr nicht selbständig ausgewirkt hat. Sie bildet vielmehr mit der Betriebsgefahr des ziehenden Fahrzeugs eine Einheit. Zugfahrzeug und Anhänger zusammen weisen gegenüber dem Zugfahrzeug allein immer eine höhere Betriebsgefahr auf.
Verfahrensgang
LG Hannover (Entscheidung vom 30.03.2007; Aktenzeichen 4 O 347/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 30. März 2007 abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3 671,82 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin auch 13,33% aller weiteren Aufwendungen im Zusammenhang mit der Regulierung der Schadensersatzansprüche des Herrn S. S., B.straße ..., D., im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall vom 18. August 2002 auf der B. .../Kreuzung K. ... (L., Ortsteil T.) aus eigenem und übergegangenem Recht Dritter zu ersetzen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin zu 60% und die Beklagte zu 40%.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 27 032,50 EUR
Gründe
I.
Die Parteien sind Haftpflichtversicherer - die Klägerin für einen Pkw, die Beklagte für einen mit diesem Pkw als Gespann verbundenen Wohnwagenanhänger - und streiten nach einem Verkehrsunfall um die Verteilung des auf das Fahrzeuggespann insgesamt entfallenden Haftungs- und Schadensanteils.
Am 18. August 2002 befuhr Herr S. S. mit seinem Motorrad BMW die B. ... Vor ihm befand sich der (bei der Klägerin versicherte) Pkw VW Passat mit angehängtem Wohnwagen (bei der Beklagten versichert). Fahrer des Gespanns war Herr O. W. In der Ortschaft L./T. beabsichtigte Herr W., mit dem Anhängergespann nach links in die K. ... einzubiegen. In diesem Moment wurde er von dem Motorrad überholt, sodass es zur Kollision der Fahrzeuge kam; das Motorrad stieß mittig gegen den Pkw.
Der Motorradfahrer hat den Pkw-Fahrer und die Klägerin des vorliegenden Verfahrens in einem Vorprozess auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das OLG Naumburg hat mit rechtskräftigem Urteil vom 19. September 2006 (9 U 33/06) die Klägerin und den Pkw-Fahrer als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von insgesamt 15 000 EUR verurteilt und außerdem festgestellt, dass sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, 75% der dem Geschädigten künftig entstehenden materiellen und immateriellen Schäden aus dem genannten Verkehrsunfall zu ersetzen (vorbehaltlich des Anspruchsübergangs auf Dritte). In diesem Vorprozess haben die Klägerin - damals Beklagte - und der Pkw-Fahrer der Beklagten den Streit verkündet (Bl. 94 Beiakte I), die darauf dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin als Streithelferin beigetreten ist (Bl. 105 Beiakte I).
Im Rahmen der Regulierung des Verkehrsunfalls hat die Klägerin an den Geschädigten S. insgesamt Zahlungen in Höhe von 28 597,51 EUR erbracht, wovon allerdings 1 051,98 EUR auf die nach dem Urteil des OLG Naumburg ausgeurteilte Verzinsung des Schmerzensgeldes (von insgesamt 15 000 EUR) entfallen (vgl. Bl. 3, 9 d.A.).
Die Klägerin ist der Ansicht, von dem Schadensanteil, den sie aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des OLG Naumburg gegenüber dem Motorradfahrer S. zu tragen habe, müsse die Beklagte im Innenverhältnis der Versicherer des Gespanns ein Drittel mittragen. Denn auch der Anhänger unterliege einer eigenständigen Gefährdungshaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG. Außerdem sei das Gespann im Sinne von § 59 VVG doppelversichert gewesen, weshalb die Versicherer gemäß § 59 Abs. 2 VVG untereinander zum Ausgleich verpflichtet seien. In jedem Fall bestünde aber eine Gesamtschuldnerstellung der Klägerin und der Beklagten, die eine Ausgleichspflicht gemäß § 426 Abs. 1 BGB begründe.
Das Landgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Klage insgesamt abgewiesen. Zwischen den Parteien bestehe kein Gesamtschuldverhältnis. Bei dem Unfall habe sich auch nicht die typische Betriebsgefahr des Anhängers verwirklicht, sondern allein ein Verstoß des Pkw-Fahrers gegen die Verpflichtung zur doppelten Rückschau gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO. Das habe das OLG Naumburg festgestellt. Angesichts der Streitverkündung im Vorprozess würden auch die Urteilsgründe des Oberlandesgerichts Naumburg im vorliegenden Prozess - so das Landgericht - zwischen den Parteien "Bindungswirkung entfalten" (LGU 5).
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin. D...