Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsgefahr versus Tiergefahr
Leitsatz (amtlich)
Zur Abwägung von Betriebsgefahr eines PKW gegenüber der von einem geführten Pferd ausgehenden Tiergefahr, wenn keinem der beiden Beteiligten zusätzlich ein Verschulden nachgewiesen werden kann.
Normenkette
StVO § 7; BGB §§ 254, 833
Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 25.07.2013; Aktenzeichen 3 O 398/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25.7.2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Hannover [3 O 398/12] unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels teilweise aufgehoben und wie folgt teilweise abgeändert:
Die Klage ist dem Grunde nach zu 50 % gerechtfertigt.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen Schäden nach einer Haftungsquote von 50 % und derzeit nicht erkannte und nicht absehbare immaterielle Schäden - unter Berücksichtigung eines eigenen Haftungsanteils der Klägerin von 50 % - zu erstatten, soweit sie in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 7.4.2009 auf dem C. W. in B./O. entstanden sind oder noch entstehen werden, und soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird das Urteil aufgehoben und das Verfahren an das LG Hannover zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Schadenshöhe - und auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren - zurückverwiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Einstandspflicht der Beklagten für die der Klägerin bei einem Unfallereignis vom 7.4.2009 durch ihr Pferd zugefügten Verletzungen. Diese war durch ihr scheuendes Pferd zu Boden gerissen und mittels Huftritten ins Gesicht schwer verletzt worden, wodurch sie u.a. einen Schädelbasisbruch, ein offenes Schädel-Hirn-Trauma mit Subarachnoidalblutung, eine zentrolaterale Mittelgesichtsfraktur des Typs Le-Fort-III, eine beidseitige Zerstörung der Augenhöhlen sowie eine vollständige Zerstörung des Oberkiefers, Trümmerfrakturen der Kieferhöhlenwände, eine Fraktur des Unterkiefers und des linken Kiefergelenks, eine mehrfache Fraktur des Jochbeins, Riss- und Quetschwunden im Gesicht, eine Trümmerfraktur des linken Ellenbogens sowie den Verlust von neun Frontzähnen erlitt. Die Klägerin musste deswegen mehrfach operiert werden. Sie beklagt physische und psychische Dauerfolgen mit Auswirkungen auf ihre Berufstätigkeit und ihre Haushaltsführung.
Streitig ist zwischen den Parteien insbesondere die Ursächlichkeit des Betriebs des vom Beklagten zu 2) gesteuerten und bei der Beklagten zu 1) versicherten Fahrzeugs - VW..., amtliches Kennzeichen... - für das Verhalten des klägerischen Pferdes. Während dieses nach Auffassung der Klägerin darauf zurückzuführen sei, dass der Beklagte zu 2) mit seinem Pkw verbotswidrig auf einem nur für land- und forstwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen Weg mit aus ihrer Sicht erheblich überhöhter Geschwindigkeit dicht an ihr und dem von ihr geführten Pferd vorbeigefahren sei, nehmen die Beklagten einen Zusammenhang zwischen dem Betrieb ihres Fahrzeugs und dem Ausbrechen des klägerischen Pferdes mit der Behauptung in Abrede, bereits 10 bis 15 m vor der Stelle, an der der Beklagte zu 2) die Klägerin mit ihrem Pferd habe stehen sehen, nach links auf das Feld zu dem dort befindlichen Misthaufen abgebogen zu sein und dementsprechend die Klägerin und das Pferd mit seinem Wagen gar nicht passiert zu haben.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands sowie der von der Klägerin im Einzelnen geltend gemachten Schadenspositionen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 172 - 175 d.A.) Bezug genommen.
Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des LG Hannover hat nach Anhörung der Klägerin und des Beklagten zu 2) sowie Vernehmung der Zeugin P. die Klage vollumfänglich abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass eine Haftung der Beklagten aus der Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 2) gesteuerten Fahrzeugs für die der Klägerin bei dem Unfallereignis entstandenen Schäden ausscheide, weil nicht erwiesen sei, dass sich der Betrieb dieses Fahrzeugs auf das Verhalten des Pferdes, insbesondere dessen Scheuen, ausgewirkt habe und er damit für den eingetretenen Schaden in adäquat kausaler Weise ursächlich gewesen sei. Es lasse sich nicht mit Sicherheit feststellen, dass die Stelle, an der die Klägerin verletzt aufgefunden und im Rahmen der Erstversorgung behandelt worden sei, auch der Ort sei, an dem sie sich aufgehalten habe, als ihr Pferd ausgebrochen sei. Ungeklärt bleibe, wo sich das Beklagtenfahrzeug befunden habe, als das Pferd der Klägerin gescheut habe, wofür im Übrigen diverse andere Ursachen in Betracht kämen und nicht auszuschließen seien. Die Klägerin habe ihren Standort während des Ausbrechens ihres Pferdes verändert haben können. Die von ihr mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 11.7.2013 vorgetragenen Gesichts...