Leitsatz (amtlich)
Die Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses und damit auch eines gewerblichen Mietvertrages aus wichtigem Grund kann gem. § 314 Abs. 3 BGB nur innerhalb angemessener Frist nach Kenntnis vom Kündigungsgrund erfolgen. Eine in der Vergangenheit liegende vertragliche Pflichtverletzung, auf die wegen des Zeitablaufes eine außerordentliche Kündigung nicht mehr gestützt werden könnte, kann unter veränderten Umständen Grundlage eines neuen Kündigungstatbestandes sein, wenn der Pflichtverstoß durch das seitherige Verhalten des Kündigungsgegners nicht vollständig ausgeräumt worden ist (Anschluss an BGH, Urt. v. 21.3.2007 - XII ZR 36/05, NJW-RR 2007, 886). So ist es in einem Fall, in welchem der Mieter zunächst einen zur Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3b BGB berechtigenden Zahlungsrückstand anlaufen lässt, während eines anschließenden gerichtlichen Verfahrens bei nunmehriger Zahlung der Miete unter Vorbehalt an seiner Rechtsauffassung festhält, er schulde die rückständige Miete aus Rechtsgründen nicht, und der Vermieter nach dem seinem Zahlungsantrag stattgebenden - noch nicht rechtskräftigen - erstinstanzlichen Urteils erfolglos zur Zahlung des - alten - Rückstandes auffordert und sodann wegen Zahlungsverzuges kündigt. In einem solchen Fall beginnt die für § 314 Abs. 3 BGB maßgebliche Frist nicht vor der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den Vermieter zu laufen.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 08.11.2012; Aktenzeichen 44 HK O 143/12) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Dresden, 4. Kammer für Handelssachen, vom 8.11.2012 (44 HK O 143/12) durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses. Sie sollte zur Vermeidung weiterer Kosten die Möglichkeit einer Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe von Gewerberaum im Untergeschoss des in der xxx in Dresden gelegenen Einkaufszentrums C.
Die V. (im Folgenden V.) und die S. schlossen über die streitgegenständlichen Gewerberäume am 30.04./22.7.2008 einen Mietvertrag (Anlage K 1). Im Rahmen der Nachtragsvereinbarung Nr. 1 zu diesem Mietvertrag (Anlage K 2), welcher als 3-seitige Vereinbarung zwischen der V., der S. und der Beklagten - seinerzeit noch firmierend unter N. - geschlossen wurde, trat die Beklagte als Mieterin an Stelle der S. in den Mietvertrag ein. Mit Wirkung vom 1.12.2009 ging das Mietverhältnis auf Vermieterseite von der V. auf die Klägerin über, welche damals noch als M. firmierte. Der Beklagten wurde der Übergang mit einem von den Geschäftsführern der V. und der Klägerin unterschriebenen Schreiben vom 9.11.2009 (Anlage K 3) zusammen mit der Kontonummer der Klägerin für die Überweisung der Miete mitgeteilt.
Die nach dem Vertrag monatlich geschuldete Bruttogesamtmiete betrug ab dem Monat April 2010 9.975,14 EUR sowie ab dem 7.9.2010 9.438,84 EUR. In der Zeit von April bis November 2010 zahlte die Beklagte nur eine geminderte Miete an die Klägerin. Wegen des entstehenden Zahlungsrückstandes leitete die Klägerin ein Mahnverfahren ein, welches in das Klageverfahren beim LG Dresden zum Az. 5 O 1429/11 mündete. Die Klägerin bezifferte den Zahlungsrückstand in einem vorprozessualen Schreiben vom 28.2.2011 (Anlage K 11 der Beiakte LG Dresden 5 O 1429/11) auf 37.101,42 EUR. Auf dieser Grundlage erwirkte sie einen Mahnbescheid des AG Berlin-Wedding vom 20.4.2011 (11-0777397-04-N). Im Rahmen der Anspruchsbegründung für das Klageverfahren vom 6.6.2011 bezifferte die Klägerin den Zahlungsrückstand zum 20.5.2011 auf 33.231,57 EUR. Wegen der näheren Zusammensetzung wird auf die Aufstellung auf Seite 7, 8 dieser Anspruchsbegründung (Bl. 16, 17 der Beiakte) Bezug genommen. Die Beklagte stellte sowohl die Aktivlegitimation der Klägerin als auch ihre Passivlegitimation in Abrede. Im Übrigen vertrat sie die Auffassung, sie habe ein Recht zur Minderung besessen, jedenfalls aber einen Anspruch auf Vertragsanpassung im Sinne einer Herabsetzung der Miete.
Vergleichsverhandlungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 2.11.2011 führten nicht zu einem Ergebnis. Das LG verurteilte die Beklagte mit dem Urteil vom 4.1.2012 antragsgemäß zur Zahlung eines Gesamtbetrages von 33.231,57 EUR nebst Zinsen. Die Beklagte legte gegen dieses Urteil am 10.2.2012 Berufung ein und begründete diese am 10.3.2012. Sie stellte weiterhin die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage, berief sich auf ein Minderungsrecht bzw. auf einen Anspruch auf Vertragsanpassung und einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens der Klägerin bei Vertragsschluss. Im Rahmen der Berufungsverhandlung vor dem Senat am 31.7.2012 (5 U 228/12) nahm die Beklagte ihre Berufung zurück.
Mit Schreiben vom 15.5.2012 (Anlage K 9) mahnte die Klägerin Zahlungsrückstände der Beklagten i.H.v. 44.453,90 EUR an. Nachdem eine Zahlung durch die Beklagte nicht erfolg...