Leitsatz (amtlich)
1. Von einer konkludenten Zustimmung zu einer zweiten Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist muss das Gericht nicht ausgehen, wenn eine Anfrage bei der Gegenseite in dem Fristverlängerungsgesuch nicht dargelegt wird.
2. Ein Akteneinsichtsgesuch, das erst am letzten Tag einer bereits einmal verlängerten Frist gestellt wird, stellt nach Fristablauf regelmäßig keinen Wiedereinsetzungsgrund dar.
Verfahrensgang
LG Dresden (Urteil vom 03.02.2017; Aktenzeichen 6 O 1956/15) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
3. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Dresden vom 03.02.2017 - 6 O 1956/15 - wird verworfen.
4. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Zahlung von Schmerzensgeld aus der Behandlung eines Mammakarzinoms. Das LG hat - sachverständig beraten - mit Urteil vom 3.2.2017 die Klage abgewiesen. Gegen das ihr am 9.2.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 9.3.2017 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz "fristwahrend Berufung" eingelegt. Mit Verfügung vom 11.04.2017 wurde die Frist zur Berufungsbegründung antragsgemäß bis einschließlich 09.05.2017 verlängert. Mit am selben Tage eingegangenem Schriftsatz begehrt die Klägerin nunmehr die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen weiteren Monat. Die Fristverlängerung sei erforderlich, weil ein zwischenzeitlich beauftragtes Privatgutachten noch ausstehe. Zugleich hat sie Akteneinsicht in die Gerichtsakte beantragt unter Verweis darauf, die Beklagten seien vergeblich um die Übersendung der mutmaßlich bei der Gerichtsakte befindlichen Unterlagen - erforderlich für die Fertigstellung des Privatgutachtens - gebeten worden.
Der Senat hat mit Verfügung vom 10.05.2017 auf § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO sowie die fehlende Zustimmung der Beklagtenseite zu der beantragten Fristverlängerung hingewiesen und angekündigt, die Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO im Beschlusswege zu verwerfen. In ihrer Stellungnahme vom 26.05.2017 ist die Klägerin der Auffassung, ihre Prozessbevollmächtigte habe von einer konkludenten Zustimmung der Beklagten zu der beantragten zweiten Fristverlängerung ausgehen dürfen, weil diese verpflichtet sei, der Klägerin die vollständigen Behandlungsunterlagen zur Verfügung zu stellen, dies aber zuvor nicht getan habe. Das Fristverlängerungsgesuch vom 09.05.2017 sei zugleich als Wiedereinsetzungsantrag nach § 233 ff. ZPO auszulegen. Hilfsweise beantragt sie erneut, ihr Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. An der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist sei sie unverschuldet gehindert gewesen, weil ihr bei Fristablauf die Prozessakte nicht zur Verfügung gestanden habe. Mit Schriftsatz vom 9.6.2017 hat sie sodann die Berufung begründet und beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes, in das Ermessen des Gerichts gestelltes und ab Rechtshängigkeit zu verzinsendes Schmerzensgeld zu zahlen.
II. Die Berufung der Klägerin war wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen, die begehrte Wiedereinsetzung war zu versagen.
1. Die Berufungsbegründung ist erst mit Schriftsatz vom 9.6.2017 und damit einen Monat nach Ablauf der bis zum 9.5.2017 verlängerten Begründungsfrist eingegangen. Die mit Schriftsatz vom 9.5.2017 beantragte zweite Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist konnte der Senat nicht gewähren. Die hierfür gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche Einwilligung der Beklagten in den Verlängerungsantrag liegt nicht vor, insbesondere kann auch nicht von einer konkludenten Einwilligung ausgegangen werden. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 12.04.2006 - XII ZB 74/05, juris Ls.) kann zwar in eng umgrenzten Ausnahmefällen eine konkludente Einwilligung für eine Verlängerung ausreichen, die sich dann aber zweifelsfrei aus dem Zusammenhang des Antrags mit den bereits zuvor gestellten Verlängerungsanträgen ergeben muss. Diese Rechtsprechung ist im Lichte älterer Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu sehen, in denen der Bundesgerichtshof noch orientiert am Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift eine ausdrückliche Erwähnung der Einwilligung gefordert hatte (BGH, Beschluss vom 22.03.2005 - XI ZB 36/04, und Beschluss vom 09.11.2004 - IX ZB 6/04. Dies bedeutet, dass die erforderliche Zustimmung der Gegenseite, wenn sie nicht von der die Verlängerung begehrenden Partei ausdrücklich zum Gegenstand ihres Verlängerungsantrages gemacht wird, nur ganz ausnahmsweise angenommen werden darf (vgl. auch Braunschneider, Anmerkungen zu BGH vom 12.04.2006, XII ZB 74/05, in FamRB 2006, 271-272).
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