Leitsatz (amtlich)
1. Die im Presserecht bestehende Dringlichkeitsvermutung ist regelmäßig widerlegt, wenn sich der Kläger die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat verlängern lässt und die Berufung erst wenige Tage vor Ablauf der verlängerten Frist begründet.
2. Die Notwendigkeit, eine neue Rechtsfrage in der Berufungsbegründung zu diskutieren, lässt die Selbstwiderlegung nicht ausnahmsweise entfallen.
Verfahrensgang
LG Leipzig (Aktenzeichen 04 O 2079/17) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung des Klägers nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
3. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.
Gründe
Ob - wie das Landgericht angenommen hat - ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog daran scheitert, dass die Verfügungsbeklagten (Beklagten) ein schutzwürdiges Interesse daran hatten, den Auszug aus dem WhatsApp-Chatverlauf unter namentlicher Nennung des Verfügungsklägers (Klägers) in einem Newsletter zu verbreiten, kann hierfür dahinstehen, weil es bereits an dem für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund im Sinne des § 940 ZPO fehlt. Das Verhalten des Klägers im Berufungsverfahren lässt erkennen, dass er seinem Antrag keine besondere Dringlichkeit mehr beimisst (sog. Selbstwiderlegung). Eine Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, die zum Wegfall des Verfügungsgrundes führt, kommt auch bei Unterlassungsbegehren in Betracht, die nicht unter die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG fallen (OLG Dresden, Beschluss vom 22. November 2010 - 23 U 1260/10 -, Rn. 2, juris). Es ist allgemein anerkannt, dass ein Verfügungsgrund fehlt, wenn der Antragsteller trotz eines ursprünglich bestehenden Regelungsbedürfnisses zu lange zugewartet hat, bevor er eine einstweilige Verfügung beantragt (vgl. etwa OLG Celle, MDR 2009, 347; Senat, Beschluss vom 4.10.2006 - 4 U 1151/06 -; Zöller-Vollkommer, ZPO,32. Aufl., § 940 Rn. 4). In gleicher Weise kann die Dringlichkeit verloren gehen, wenn der Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren nicht zügig, sondern lediglich schleppend betreibt (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl. Kap. 54 Rn. 24 m.w.N.). Dem Betroffenen ist es zuzumuten, auch nach Einleitung eines Verfahrens alles in seiner Macht stehende dafür zu tun, dass das Eilverfahren nicht zu einem "Ersatz" für das Hauptsacheverfahren gemacht wird (vgl. hierzu Senat, aaO. Schuschke, ZAP 2000 Fach 14 S. 361ff). Hiernach ist er gehalten eine eingelegte Berufung grundsätzlich innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu begründen (OLG Düsseldorf GRUR-RR 2003, 31) und nicht durch eigene Fristverlängerungsanträge oder Säumnis im Termin das Verfahren zu verzögern (Teplitzky, aaO Rn. 24); eines Hinweises hierauf bedarf es nicht. Vorliegend hat der Kläger jedoch nicht nur die ab dem 25.10.2017 laufende Berufungsfrist nahezu vollständig ausgeschöpft (Eingang der Berufung am 21.11.2017), sondern die Berufung auch erst am letzten Tag der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet, obwohl ihm das Urteil des Landgerichts bereits am 24.10.2017 zugestellt worden war. Damit lagen zwischen Zustellung des Urteils (24.10.2017) und Berufungsbegründung (19.1.2018) nahezu drei Monate.
Von einer weiteren Prüfung in der Sache sieht der Senat unter diesen Umständen ab. Er rät zur Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.
Fundstellen
Dokument-Index HI11622651 |