Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltsvergütung: Angemessenheit der Geschäftsgebühr in einer Familiensache. Haftungsfreistellungserklärung des Mandanten bei Verweigerung von Einkommensangaben in einem Unterhaltsverfahren. vorzeitige Beendigung des Auftrages
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Angemessenheit einer 1,8 Geschäftsgebühr in einer Familiensache.
2. Verweigert der Mandant in einer Unterhaltssache die notwendigen Informationen (hier Angaben zu seinen Einkünften), so darf der Rechtsanwalt von dem Mandanten eine auf das Unterhaltsmandat beschränkte und auf die Frage der Einkommenshöhe begrenzte Haftungsfreistellungserklärung verlangen.
3. Eine vorzeitige Beendigung des Verfahrens (hier Ehescheidung) im Sinne von RVG-VV 3101 kommt nach Einreichung des Scheidungsantrags nicht mehr in Betracht.
4. Ausnahmsweise muss die Kostenrechnung des Rechtsanwalts nicht die Bezeichnung der jeweils abgerechneten Angelegenheit oder des Gegenstandes enthalten, wenn der Mandant ohnehin genau erkennen kann, welche Leistung er bezahlen soll.
Normenkette
BGB §§ 611, 675, 627-628; RVG § 10 Abs. 2, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 4, § 22; RVG-VV a.F. Nr. 2400 (2300); RVG-VV Nrn. 3100-3101
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Urteil vom 28.04.2008; Aktenzeichen 3 O 316/07) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 28.4.2008 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichterin - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Berufungsstreitwert: 6.491,18 EUR.
Gründe
I. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat den Beklagten auf der Grundlage der ihm von den Klägern für erbrachte anwaltliche Dienstleistungen erteilten drei Kostennoten vom 08./9.11.2006 und 9.1.2007 zu Recht zur Honorarzahlung i.H.v. insgesamt 6.491,18 EUR (nebst Zinsen) verurteilt. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 19.3.2009. Dort hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt:
"1. Kostennote vom 9.11.2006 i.H.v. 5.101,16 EUR
Der sich nach der Gebührenordnung richtende, rechnerisch nicht umstrittene Honoraranspruch der in Sozietät miteinander verbundenen klagenden Rechtsanwälte besteht sowohl dem Grunde nach als auch in zuerkannter Höhe; Gegenrechte des Beklagten existieren nicht.
a) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist die Ansicht des Beklagten, der der Honorarnote zugrunde gelegte Gegenstandswert (600.000 EUR = Gebührenstufe von 550.000,01 EUR bis 600.000 EUR) entspreche nicht dem erteilten Auftragsumfang, der aus rechtlichen Gründen geringer zu bewerten sei. Im Ergebnis wird der für die Gebührenhöhe maßgebliche untere Wert der Gebührenstufe jedenfalls nicht unterschritten.
aa) Anlass des vom Erstkläger (künftig: Kläger) namens der Sozietät am 4.11.2005 angenommenen Auftrags war zwar der von der getrennt lebenden Ehefrau des Beklagten (künftig: Ehefrau) gerichtlich geltend gemachte Trennungsunterhalt und der für die gemeinsame minderjährige Tochter L. (künftig: Tochter) beanspruchte Kindesunterhalt. Darauf beschränkte sich indes das erteilte Mandat unstreitig nicht. Ziel des Beklagten war es nämlich, schon zu diesem frühen Zeitpunkt der sich anbahnenden familienrechtlichen Auseinandersetzung ein "Gesamtpaket" zu schnüren, mit dem die familien- und vermögensrechtlichen Ansprüche der Ehefrau und die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der Tochter nicht nur für die Zeit der Trennung, sondern ausdrücklich auch für die Zeit nach Eintritt der Rechtskraft der Ehescheidung einvernehmlich geregelt werden sollten, und zwar einschließlich der gesetzlich zwar nicht bestehenden, aber aus der Sicht des Beklagten anerkennswerten Bedürfnisse der studierenden Stieftochter S. (künftig: Stieftochter). Das war Gegenstand der Beratung und des der Ehefrau unterbreiteten Vergleichsvorschlags vom 23.12.2005 sowie (neben den gerichtlich anhängigen und später noch anhängig gemachten Streitteilen) der sich anschließenden, bis zur Beendigung des Mandats andauernden rund einjährigen mühsamen, im Ergebnis aber erfolglosen Verhandlungen, die der Kläger namens des Beklagten mit der Gegenseite darüber geführt hatte.
bb) Mit Ausnahme des Kindes- und Trennungsunterhalts, die bereits vor Mandatserteilung gerichtlich anhängig gewesen sind (65 F 156/05 AG Wuppertal = 61 F 192/07 AG Wuppertal) und deshalb im Ergebnis auf den Wert der außergerichtlichen Verhandlungen keinen Einfluss mehr haben können, beeinflussen alle anderen Streitteile den Gegenstandswert des vom Kläger auftragsgemäß geführten Mandats; das gilt auch für den Ehegattenunterhalt nach Rechtskraft der Ehescheidung (künftig: Ehegattenunterhalt), der im Verhältnis zum Trennungsunterhalt nicht nur einen eigenständigen Streitgegenstand, sondern eben auch eine andere gebührenrechtliche Angelegenheit darstellt und, wie hier geschehen, gesondert abgerechnet werden kann (§§ 16 Nr. 4, 22 Abs. 1 RVG).
cc) Ob die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Scheidungsfolgen eine einheitli...