Leitsatz (amtlich)
1. Das Nachlassgericht ist an der Zurückweisung eines Antrags der gesetzlichen Erben auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge nicht dadurch gehindert, dass es zuvor in seinem (formell) rechtskräftigen Feststellungsbeschluss die zur Begründung des Antrags auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge erforderlichen Tatsachen (Vernichtung des Originaltestaments in Aufhebungsabsicht bei lediglich vorhandener Kopie) für festgestellt erachtet hat.
2. Ergeben die Feststellungen des Nachlassgerichts (hier nach Anhörung eines Beteiligten durch das Beschwerdegericht), dass der vorgelegten Kopie ein vom Erblasser eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt zugrunde liegt und lässt sich nicht feststellen, dass der Erblasser das Original des Testaments mit Widerrufsabsicht vernichtet hat, so bleibt das Rechtsmittel gegen die den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge zurückweisende Entscheidung des Nachlassgerichts ohne Erfolg.
Normenkette
BGB § 2247 Abs. 1, §§ 2255, 2361
Verfahrensgang
AG Geldern (Aktenzeichen 26 VI 212/20) |
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen.
Geschäftswert: 305.500,00 EUR
Gründe
I. Der Erblasser war mit der Beteiligten zu 3 verheiratet. Die Eheleute waren getrennt; der Erblasser lebte mit seiner Lebensgefährtin, der Beteiligten zu 4, zusammen. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 3.
Die Beteiligte zu 4 hat eine auf den 3. September 2015 datierte Testamentskopie vorgelegt. Daraus geht hervor, dass der Erblasser die Beteiligte zu 1 als Erbin zu 1/2 Anteil und seine Enkel ... (die Kinder des Beteiligten zu 2) als Erben zu je 1/4 Anteil bestimmt hat. Ferner hat er - der Kopie zufolge - seinen Enkeln seinen Grundbesitz Jülicher Straße 61 in Weeze als Vorausvermächtnis zugewandt. Soweit seine Enkel betroffen sind, hat er Vermächtnis- sowie Testamentsvollstreckung angeordnet und den Beteiligten zu 2 zum Vermächtnis- und Testamentsvollstrecker bestimmt. Der Beteiligten zu 4 hat er seinen Pkw, seine Bankkonten und den Hausrat vermacht.
Die Beteiligte zu 4 hat angegeben, wo sich das Original befinde, könne sie nicht sagen. Weitere letztwillige Verfügungen seien, soweit ihr bekannt, nicht vorhanden.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben unter dem 26. Februar 2020 beantragt, einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zu erteilen, der sie als Erben zu je 1/4 Anteil und die Beteiligte zu 3 als Erbin zu 1/2 Anteil ausweist. Sie haben geltend gemacht, der Erblasser habe das Original des Testaments vom 3. September 2015 in der Absicht, es aufzuheben, vernichtet. Das Testament sei daher widerrufen, § 2255 BGB. Im Hinblick auf die familiäre Verbundenheit und das herzliche Verhältnis der Beteiligten zu 1 bis 3 zum Erblasser erscheine die Vernichtung des Testaments durch den Erblasser als "durchaus plausibel". Dass er der Beteiligten zu 4 lediglich eine Kopie überlassen habe, zeige, dass er sich die Entscheidung über den Fortbestand habe vorbehalten wollen. Der Erblasser habe im Testament anstelle des Beteiligten zu 2 dessen Kinder zu Erben bestimmt, weil damals gegen den Beteiligten zu 2 ein Insolvenzverfahren anhängig gewesen sei. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens habe das Testament seine "primäre Zielrichtung" verloren. Die Beteiligte zu 4 habe vom Erblasser schon zu Lebzeiten große Vermögenswerte erhalten, so dass keine Veranlassung bestanden habe, die gesetzlichen Erben zu ihren Gunsten noch mit einem Vermächtnis zu belasten.
Mit Beschluss vom 25. März 2020 hat das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 und 2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Die dagegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 4 hat es mit Beschluss vom 23. Juni 2020 verworfen, weil sie als Vermächtnisnehmerin nicht antragsbefugt sei. Im selben Beschluss hat es den Erbscheinsantrag vom 26. Februar 2020 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, sein früherer Beschluss vom 25. März 2020 entfalte nur eingeschränkte Bindungswirkung. Erweise sich, dass der nach seinem Inhalt zu erteilende Erbschein wegen Unrichtigkeit gleich wieder einzuziehen wäre, stehe der Beschluss einer neuen, inhaltlich abweichenden Feststellung nicht entgegen. So liege es hier. Die Feststellungslast für die Vernichtung der Originalurkunde in Widerrufsabsicht trage im Erbscheinsverfahren derjenige, der sich zur Begründung seines Erbrechts auf die Ungültigkeit des Testaments berufe. Die Errichtung eines Testaments entsprechend der vorliegenden Kopie durch den Erblasser sei unstreitig. Hinsichtlich dessen angeblicher Vernichtung trügen die Beteiligten zu 1 und 2 lediglich Vermutungen vor. Es lasse sich danach nicht feststellen, dass der Erblasser es in Widerrufsabsicht vernichtet habe, so dass sich die Erbfolge nach dem in Kopie vorliegenden Testament richte.
Die Beteiligten zu 1 und 2 wenden sich mit ihrer Beschwerde gegen diesen Beschlus...