Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an die Feststellung einer Testierunfähigkeit infolge vaskulärer Demenz (hier: Aufhebung und Zurückverweisung wegen Aufklärungsdefiziten in Bezug auf konkrete auffällige Verhaltensweisen bei konstatierter "leichter bis mittelgradiger" Demenz).
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4, §§ 2353, 2358 Abs. 1, § 2359; FamFG §§ 26, 69 Abs. 1 S. 3, § 352 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Moers (Beschluss vom 17.03.2014; Aktenzeichen 300 VI 748/12) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung und das ihr zugrunde liegende Verfahren werden aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Nachlassgericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Der am 10.11.2012 verstorbene Erblasser war der Vater der Beteiligten zu 1 und 2. Nach dem Tode seiner Ehefrau am 27.9.2008 setzte er durch Testament zu Urk.-R.-Nr. 2033/2008 des Notars Dr. L. in Moers vom 17.11.2008 die Beteiligten jeweils zu 1/2 als Erben ein; mit Testament zu Urk.-R.-Nr. 1085/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 14.8.2009 setzte er den Beteiligten zu 1 zu 4/10 und die Beteiligte zu 2 zu 6/10 als Erben ein. Nachdem der Beteiligte zu 1 mit Anwaltsschriftsatz vom 19.8.2009 angekündigt hatte, den Pflichtteil nach dem Tode seiner Mutter geltend machen zu wollen, bestimmte der Erblasser durch Testament zu Urk.-R.-Nr. 1185/2009 des Notars Dr. O. in Moers vom 8.9.2009 die Beteiligte zu 2 zu seiner Alleinerbin.
Der Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, der Erblasser sei ab 2009 aufgrund einer fortschreitenden Demenz nicht mehr testierfähig gewesen; die notariellen Testamente vom 14.8. und 8.9.2009 seien daher unwirksam, so dass ein Erbschein auf der Grundlage des Testaments vom 17.11.2008 zu erteilen sei.
Der Beteiligte zu 1 hat beantragt, ihm einen Erbschein dahin zu erteilen, dass der Erblasser von den Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/2 Anteil beerbt worden ist.
Die Beteiligte zu 2 hat beantragt, den Erbscheinsantrag zurückzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, der Erblasser sei bei der Abfassung der Testamente im August und September 2009 noch testierfähig gewesen. Dies belege die eingereichte schriftliche Erklärung der in den Testamenten des Erblassers vom 14.8. und 8.9.2009 als Vermächtnisnehmerin begünstigten Haushälterin des Erblassers, R. M., vom 9.2.2013, worin diese bestätige, dass die Demenz des Erblassers erst im September 2010 gravierend geworden sei.
Das Nachlassgericht hat nach Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens und eines Ergänzungsgutachtens des Sachverständigen Dr. C. vom 2.10.2013 und 4.1.2014 sowie vom 6.3.2014 und Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des beurkundenden Notars im Jahre 2009, Dr. O., vom 12.2.2014 am 7.3.2014 die zur Erteilung des vom Beteiligten zu 1 beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Erblasser sei wegen einer fortschreitenden Demenz im August und September 2009 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon seit Januar 2009 nicht mehr in vollem Umfang geistig orientiert und damit nicht mehr testierfähig gewesen. Dies belegten die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C. in seinem Gutachten vom 2.10.2013 sowie die ergänzenden Stellungnahmen vom 04.1. und 6.3.2014.
Das Gericht verkenne nicht, dass sowohl die Haushälterin M. als auch der die Testamente aus August und September 2009 beurkundende Notar Dr. O. in ihren schriftlichen Stellungnahmen vom 9.2.2013 und 12.2.2014 den Eindruck wiedergegeben haben, der Erblasser sei noch im August und September 2009 präsent und orientiert gewesen.
Der beurkundende Notar Dr. O. habe insoweit ausgeführt, der Erblasser habe den Eindruck vermittelt, dass er genau wisse, war er wolle. Auch die den Erblasser immerhin regelmäßig in seinem alltäglichen Leben unterstützende Haushälterin M. habe bestätigt, dass der Erblasser genau gewusst habe, was er wollte und was nicht, wenngleich sie einräume, dass er bereits im August 2009 vergesslich gewesen sei.
Der Sachverständige Dr. C. habe sich in seinem Gutachten und in seinen ergänzenden Stellungnahmen auch mit den Schilderungen der Haushälterin und des Zeugen Dr. O. auseinander gesetzt. In seiner Einschätzung, die Demenz des Erblassers sei im August und September 2009 soweit fortgeschritten gewesen, dass eine Testierfähigkeit nicht mehr vorgelegen habe, könne er einen Widerspruch zu den Einschätzungen der Haushälterin M. und des Zeugen Dr. O. nicht erkennen. Der Sachverständige habe vielmehr darauf verwiesen, dass selbst stärkste kognitive Defizite, z.B. bei Demenz, hinter einer Fassade verborgen sein können, die sich im Rahmen alltäglicher Kontakte in ihrer Ausprägung nicht darstellen. Besonders bei Testamentserstellungen bzw. Testamentsänderungen lasse sich die hierzu erforderliche komplexe Interaktion zwischen kognitiven Fähigkeiten, aber auch Wertvorstellungen in einem kurzen Gesprächskontakt, wie er bei einem Notar stattfinde, nicht umfassend prüfen. Hier wären mehrere Erörterungen ü...