Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels bei Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erfolgt gem. § 119 Abs. 1 S. 1 ZPO nur für den jeweiligen Rechtszug.

2. Die sachliche Prüfung der Erfolgsaussichten eines Rechtsmittels und die entsprechende Beratung gehören nicht mehr zum Rechtszug i.S.d. § 119 Abs. 1 ZPO. Die Prüfung insoweit unterfällt nicht mehr der Verfahrensgebühr des Prozessbevollmächtigten des ersten Rechtszuges, sondern kann nur auf die Gebühr für das Rechtsmittelverfahren angerechnet werden.

 

Normenkette

ZPO § 119; RVG § 2 Abs. 2 S. 1 Anlage 1 Nr. 2200 des VV; BerHG § 1

 

Verfahrensgang

AG Mönchengladbach-Rheydt (Beschluss vom 27.06.2005; Aktenzeichen 17 F 45/05)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 25.04.2007; Aktenzeichen XII ZB 179/06)

 

Tenor

Die als Beschwerde bezeichnete sofortige Beschwerde des Klägers vom 20.7.2005 gegen den Beschluss des AG - FamG - Mönchengladbach-Rheydt vom 27.6.2005 - 17 F 45/05, wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

Das AG hat mit Beschluss vom 9.3.2005 dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und mit dem angefochtenen Beschluss den ergänzenden Antrag des Klägers vom 28. April und 30.6.2005 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels - § 2 Abs. 2 Satz 1 Anlage 1 Nr. 2200 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum RVG - zurückgewiesen.

Zur Begründung hat es auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 23.3.2005 Bezug genommen, in der ausgeführt wird, dass die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels erst möglich sei, wenn feststehe, ob überhaupt eine anfechtbare Entscheidung ergehe. Zudem müsse das erstinstanzliche Gericht, um schon zu Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe für eine Rechtsmittelprüfung bewilligen zu können, im Rahmen der erforderlichen Prüfung der Erfolgsaussicht, unterstellen, dass ein Rechtsmittel gegen seine künftige eigene Entscheidung Aussicht auf Erfolg haben werde.

Dagegen richtet sich der Kläger mit seiner sofortigen Beschwerde. Er vertritt die Auffassung, seit Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes sei schon bei Beginn des erstinstanzlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe auch für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels nach Nr. 2200 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG zu gewähren. Zur Begründung trägt er vor:

Da ein anwaltlicher Vergütungsanspruch nach Nr. 2200 RVG-VV erst entstehe, wenn der Rechtsanwalt tatsächlich die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels prüfe, komme es nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Prozesskostenhilfebewilligung der Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung bereits absehbar sei. Die bedürftige Partei habe unabhängig vom Ergebnis der anwaltlichen Überprüfung Anspruch darauf, dass der ihr für das Verfahren beigeordnete Rechtsanwalt auch die Entscheidung des Gerichts im Rahmen der Prozesskostenhilfe überprüfe, so dass es auf die vom Gericht zu beurteilende Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels gar nicht ankomme.

Für den Rechtsanwalt verbleibe nach Instanzende nur die kurze Zeit von einem Monat, um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gegen die ergangene Entscheidung zu beantragen. Dies bewirke eine Ungleichbehandlung zu Lasten der bedürftigen Partei.

Die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels gehöre nicht zu den außergerichtlichen Tätigkeiten, weil Abs. 3 der Vorbemerkung zu Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses RVG eine Terminsgebühr auch im außergerichtlichen Bereich zulasse, wenn der Rechtsanwalt außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens mit dem Gegner Besprechungen zur Vermeidung desselben führe.

Die frühzeitige Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht füge sich zwanglos in die Regelung des § 48 Abs. 4 RVG als andere Angelegenheit, die mit dem Hauptverfahren nur zusammenhänge, ein. Wegen der vorgesehenen Anrechnung auf die Verfahrensgebühr bei Durchführung des Rechtsmittelverfahrens trete eine Belastung der Staatskasse nur ein, wenn der erstinstanzliche Anwalt von der Einlegung eines Rechtsmittels abrate und die Partei diesem Rat folge oder wenn ein neuer Rechtsanwalt mit der Einlegung des Rechtsmittels betraut werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf die ausführliche Darstellung des Klägervertreters im Schriftsatz vom 20.7.2005 (Bl. 34 ff.) nebst Anlage Bezug genommen.

II. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.

Zutreffend hat das AG die ergänzende Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines etwaigen Rechtsmittels versagt.

1. Gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur für den jeweiligen Rechtszug.

Dabei ist der Begriff des Rechtszuges kostenrechtlich zu verstehen (vgl. § 35 GKG; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rz. 1 m.w.N.). Der Rechtszug beginnt mit der...

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