Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Teilentscheidung durch Vorabentscheidung über Schulwahl

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sorgerechtliche Fragen bilden grundsätzlich in verfahrens- und kostenrechtlicher Hinsicht einen einheitlichen Gegenstand.

2. Streiten Eltern nach Beendigung eines Wechselmodells in einem Hauptsacheverfahren um die Schulwahl (§ 1628 BGB) und stellt ein Elternteil während des Verfahrens den Antrag, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen (§ 1671 Abs. 1 BGB), kann nicht vorab in der Hauptsache über die Schulwahl entschieden werden und das nicht entscheidungsreife Verfahren nach § 1671 BGB abgetrennt und in einem gesonderten Verfahren weiter geführt werden.

3. In einem solchen Fall liegt (analog § 301 ZPO) eine unzulässige Teilentscheidung vor, das in der zweiten Instanz gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung des Verfahrens führt.

 

Normenkette

BGB §§ 1628, 1671; ZPO § 301

 

Verfahrensgang

AG Dieburg (Beschluss vom 19.08.2021)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht- Dieburg vom 19.08.2021 aufgehoben.

Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

III. Den Eltern wird für das Beschwerdeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt A für die Mutter und Rechtsanwältin B für den Vater gewährt.

 

Gründe

I. Die Eltern haben ursprünglich die beiden oben genannten Zwillinge im Wechselmodell betreut. Im hiesigen Verfahren haben beide Elternteile die Übertragung der alleinigen Entscheidung über die Wahl der Grundschule für die Kinder beantragt. Nach Durchführung der mündlichen Erörterung hat die Kindesmutter zu hiesigem Aktenzeichen mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 13.8.2021 die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragt. Das Amtsgericht hat insoweit unter dem AZ. .../21 ein gesondertes Verfahren eingeleitet und die Ansicht vertreten, dass dies wegen der Entscheidungsreife des hiesigen "Verfahrens" veranlasst sei. Mit Beschluss vom 19.8.2021 hat es die Schulwahl dem Kindesvater zur alleinigen Entscheidung zugewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kindesmutter.

Aus der beigezogenen Akte .../21 ergibt sich, dass der Kindesvater in Bezug auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht einen Widerantrag gestellt hat und das Amtsgericht nach mündlicher Erörterung darauf hingewiesen hat, dass derzeit keine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht getroffen werden solle.

II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Kindesmutter führt in der Sache zur Aufhebung und Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung.

1. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG in Gestalt einer nicht ergangenen Entscheidung in der Hauptsache, denn das Amtsgericht hat eine unzulässige Teilentscheidung erlassen (zur entsprechenden Anwendbarkeit des § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG auf unzulässige Teilentscheidungen Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl. Rn. 14 a; vgl. auch Heilmann/Dürbeck, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl., § 69 FamFG Rn. 5).

Bei dem angefochtenen Beschluss handelt es sich um eine Teilentscheidung, denn das Amtsgericht hat trotz der fehlenden Bezeichnung als "Teilbeschluss" bewusst (zu diesem Erfordernis vgl. BGH NJW 1984, 1543) nur über einen Teil des Verfahrensgegenstands, nämlich die Übertragung der Entscheidung über die Schulwahl für die gemeinsamen Kinder entschieden. In den Gründen der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass bewusst von einer Entscheidung über den Antrag der Mutter, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, abgesehen wurde und diese zu späterer Zeit getroffen werden soll.

Ein Teilbeschluss ist zwar in entsprechender Anwendung des § 301 ZPO grundsätzlich auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zulässig. Der Erlass einer Teilentscheidung setzt dabei - wie im Zivilprozess - aber voraus, dass es sich um eine selbständige Entscheidung über einen abtrennbaren Teil eines teilbaren Verfahrensgegenstandes oder aber um einen von mehreren selbständigen Ansprüchen handelt, der zur Entscheidung reif ist (vgl. OLG Saarbrücken, FamRZ 2010, 1922; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29.01.2018, Az. 1 UF 133/15). Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal im auch insoweit analog anwendbaren § 301 ZPO ist das Erfordernis, dass der Verfahrensgegenstand nicht nur teilbar ist, sondern über einen Teil in der Weise entschieden werden kann, dass die Entscheidung unabhängig von der Entscheidung über den Rest des Verfahrensgegenstandes ist, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen vermieden wird. Das ist nur dann der Fall, wenn es ausschließlich auf voneinander abweichende Tat- und Rechtsfragen ankommt, so dass es nicht dazu kommen kann, dass über dieselbe Frage ein weite...

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