Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Teilentscheidungen bei isolierter Entscheidung von Verfahren nach § 1628 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Da das Sorgerecht nicht teilbar ist, sind Verfahren nach § 1628 BGB (hier: Kindergartenwahl) und § 1671 Abs. 1 BGB (hier: Aufenthaltsbestimmungsrecht) nicht gesondert zu führen und isoliert zu entscheiden.
2. Führt das Amtsgericht sorgerechtliche Verfahren nach § 1628 BGB und § 1671 BGB gesondert und geht nach Erlass der Entscheidung über § 1628 BGB, aber vor Erlass einer Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht ein Antrag auf Übertragung der gesamten Sorge ein, so führt eine gleichwohl ergangene Entscheidung nur über das Aufenhaltsbestimmungsrecht dazu, dass das Beschwerdegericht daran gehindert ist, über ihm angefallene Teilbereiche der Sorge nach §§ 1628, 1671 Abs. 1 BGB zu entscheiden. Die Entscheidungen sind als unzulässige Teilentscheidungen zu behandeln, nach § 69 Abs. 1 S. 2 FamFG aufzuheben und die Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Normenkette
BGB §§ 1628, 1671 Abs. 1; FamFG § 69 Abs. 1 S. 2
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadt1 vom 22. Dezember 2023 wird aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 3. (im Folgenden Kindesvater) und die Beteiligte zu 4. (im Folgenden Kindesmutter) streiten um die Entscheidungsbefugnis über die Wahl des Kindergartens für ihren gemeinsamen derzeit 3-jährigen Sohn. Das betroffene Kind lebt im Haushalt der Kindesmutter. Seit der Trennung der Eltern im Dezember 2021 waren bereits eine Vielzahl von Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten anhängig. Das Amtsgericht Stadt2 hat den regelmäßigen Umgang dahingehend geregelt, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter und in geraden Kalenderwochen freitags und in ungeraden Kalenderwochen von Freitag bis Sonntag Umgang mit dem Kindesvater hat. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters hat der Senat mit Beschluss vom 17. August 2023 zurückgewiesen (Amtsgericht Stadt2: ...; OLG Frankfurt: ...)
Mit Schriftsatz vom 01. August 2023 hat die Kindesmutter im hiesigen Verfahren die Übertragung der Teilbereiche der elterlichen Sorge für die Anmeldung im Kindergarten, Gesundheitsfürsorge und die Vertretung in behördlichen Angelegenheiten beantragt. Der Kindesvater hat sich dem Antrag entgegengestellt.
Mit weiterem Schriftsatz vom 29. September 2024 hat die Kindesmutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes beantragt. Das Amtsgericht hat insoweit unter dem Az. ... ein gesondertes Verfahren eingeleitet. Nach Durchführung der Erörterung hat der Kindesvater mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2023 ebenfalls die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes beantragt.
Mit dem Kindesvater am 22. Januar 2024 zugestelltem Beschluss vom 22. Dezember 2023 hat das Amtsgericht der Kindesmutter im hiesigen Verfahren die alleinige Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Auswahl des Kindergartens übertragen und die weitergehenden Anträge zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Kindesvaters.
Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2024 hat die Kindesmutter in dem Verfahren ... die Übertragung der gesamten elterlichen Sorge beantragt. Das Amtsgericht hat der Kindesmutter in diesem Verfahren mit Beschluss vom 25. Januar 2024 das Aufenthaltsbestimmungsrecht zur alleinigen Ausübung übertragen. Der Beschluss ist am 29. Januar 2024 zur Geschäftsstelle gelangt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Kindesvaters ist Gegenstand des weiteren Beschwerdeverfahrens (OLG Frankfurt ...). Mit dem Antrag der Kindesmutter vom 22. Januar 2024 auf Übertragung der gesamten elterlichen Sorge hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 29. Januar 2024 ein neues Sorgerechtsverfahren eingeleitet und den Beteiligten mitgeteilt, dass der Schriftsatz vom 22. Januar 2024 erst am 29. Januar 2024 vorgelegt worden sei. In dem beim Amtsgericht Stadt1 zu Az. ... geführten Verfahren laufen derzeit Stellungnahmefristen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15. Februar 2024 auf den Antrag des Kindesvaters hin die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses des Amtsgerichts vom 22. Dezember 2023 ausgesetzt. In den Gründen hat der Senat ausgeführt, dass er erwägt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dieses eine unzulässige Teilentscheidung getroffen hat. Auf den Beschluss wird verwiesen.
II. Die gemäß §§ 58 ff. FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Familiengericht. Das erstinstanzliche Verfahren leidet an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Gestalt einer nicht ergangenen Entscheidung in der Hauptsache, denn ...