Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Auszahlung des Guthabens auf einem "vergessenen" Sparbuch
Leitsatz (amtlich)
1. Bestreitet eine auf Auszahlung eines Sparguthabens in Anspruch genommene Bank, dass die im Sparbuch vorhandenen Unterschriften von zeichnungsberechtigten Mitarbeiteren der Bank stammen, hat sie im Rahmen der sekundären Darlegungslast die seinerzeit zeichnungsberechtigten Mitarbeiter namhaft zu machen und die Unterschriftenliste vorzulegen.
2. Das gilt auch dann, wenn die Bank nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist - hier nach etwa 50 Jahren - die entsprechenden Unterlagen nicht mehr auffinden kann.
3. Erst dann, wenn die Bank die zeichnungsberechtigten Mitarbeiter namhaft gemacht und die Unterschriftenliste vorgelegt hat, hat der Bankkunde die Unterschriften im Sparbuch einem vertretungsberechtigten Mitarbeiter der Bank zuzuordnen und die Echtheit zu beweisen.
Normenkette
ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.06.2010) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 25.6.2010 verkündete Teilurteil der 27. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das am 25.6.2010 verkündete Teilurteil der 27. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf ihre Kosten Auskunft darüber zu erteilen, mit welchen Zinssätzen das Sparguthaben auf dem Sparkonto des Klägers Nr ... nach den jeweils zugrunde liegenden Geschäftsbedingungen der Beklagten in der Zeit vom 17.8.1959 bis zum 12.2.2008 zu verzinsen war.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Dieser wird dahin klargestellt und ergänzt, dass der Kläger nicht nur die Kopie eines Sparbuchs mit der Kontonummer ... besitzt, sondern auch die Urschrift des in Kopie vorgelegten Sparbuchs. Der Kläger hat behauptet, dass das Sparbuch echt sei. Die Beklagte hat bestritten, dass es sich um einen echten Sparbuchvordruck handele und dass die Namensunterschriften von zeichnungsberechtigten Mitarbeitern ihrer Rechtsvorgängerin in der Filiale O1 stammten.
Das LG hat durch am 25.6.2010 verkündetes Teilurteil der Auskunftsklage hinsichtlich des insoweit gestellten Hilfsantrages stattgegeben mit der Begründung, dass der Kläger zwar Inhaber der sich aus dem als echt anzusehenden Sparbuch ergebenden Forderung sei, Auskunft wegen der jeweiligen Zinssätze aber nicht beanspruchen könne, da diese seinerzeit jeweils durch Aushang in der Filiale bekanntgegeben worden seien und ihm das Wissen oder die Kenntnisnahmemöglichkeit seiner Rechtsvorgänger zuzurechnen sei. Vielmehr könne der Kläger Auskunft über die aktuelle Höhe des Sparguthabens zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung am 12.2.2008 beanspruchen (Bl. 380-397 d.A.). Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 29.6.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.7.2010 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 14.10.2010 an diesem Tage begründet. Der Kläger, dem eine Frist zur Berufungserwiderung bis zum 30.11.2010 gesetzt worden ist, hat am 29.11.2010 Anschlussberufung eingelegt.
Die Beklagte macht mit der Berufung geltend, dass die angefochtene Entscheidung widersprüchlich sei, weil das LG einerseits zu Recht davon ausgehe, dass die jeweiligen Zinssätze den Rechtsvorgängern des Klägers durch Preisaushang bekannt gemacht worden seien, das LG andererseits aber einen Auskunftsanspruch bezüglich der aktuellen Höhe des Sparguthabens bejaht habe. Denn die Höhe des Sparguthabens ergebe sich allein aus der Verzinsung anhand der jeweiligen Zinssätze.
Fehlerhaft habe das LG die Echtheit des Sparbuches bejaht, weil es sich nicht damit auseinandergesetzt habe, dass die Beklagte sowohl die Echtheit des Sparbuchs als auch die Echtheit der Unterschriften und ein Vertretungshandeln und eine Vertretungsbefugnis der unterzeichnenden Personen ebenso wie die Echtheit der anderen Sparbücher, die der Kläger vorgelegt habe, bestritten habe. Zu diesem Bestreiten sei sie - die Beklagte - berechtigt gewesen, da sich in ihren Aufzeichnungen und Archiven keine Anhaltspunkte fänden, die darauf hindeuteten, dass die im Sparbuch ausgewiesene Forderung jemals bestanden habe. Bei der Beweiswürdigung zur Echtheit des Sparbuches habe das LG nicht berücksichtigt, dass die Beklagte ihrerseits Protokolle der umsatzlosen Sparkonten vom 1.1.1973 und vom 30.5.1973 vorgelegt habe, die ein Indiz gegen die Echtheit des Sparbuchs seien. In diesem Zusammenhang habe das LG ebenfalls nicht gewürdigt, dass das Sparguthaben außerordentlich hoch war und dass die Nachrichtenlo...