Leitsatz (amtlich)

1. Zur Beweislast für den Bestand von Sparguthaben auf sog. "Alt"-Sparbüchern bei Vorlage einer Empfangsbescheinigung über die Aushändigung des Sparbuchs an die Bank zur Verwahrung

2. Zur Verjährung des Anspruchs auf Auszahlung eines Sparguthabens bei dessen Geltendmachung nach mehr als 35 Jahren

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.12.2003; Aktenzeichen 2/7 O 270/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Frankfurt/M. - 7. Zivilkammer - v. 9.12.2003 abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.584,93 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 15.4.2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Auszahlung eines Sparguthabens in Anspruch, das sich jedenfalls am 23.11.1965 i.H.v. 5.601 DM auf dem Sparbuch ihrer Großmutter A B befunden hatte. Frau B hatte das Sparbuch an jenem Tag gegen Aushändigung einer Empfangsbescheinigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Aufbewahrung übergeben. Frau B hatte durch Testament vom ... 4.1966 die Mutter der Klägerin zur Alleinerbin eingesetzt, die ihrerseits - wie im Termin v. 22.10.2004 unstreitig geworden ist - von der Klägerin beerbt worden ist.

Die Klägerin hatte zunächst Herausgabe des Sparbuchs begehrt. Nachdem die Beklagte behauptet hatte, es nicht mehr im Besitz zu haben, hat sie ihre Klage auf Auszahlung des Guthabens umgestellt, das sie einschließlich Zinsen auf 8.584,93 Euro beziffert.

Die Beklagte hat behauptet, über das Sparbuch keine Unterlagen mehr zu besitzen. Die entsprechenden Belege seien nach Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist vernichtet worden. Des Weiteren sei davon auszugehen, dass es zwischenzeitlich aufgelöst und das Guthaben an die Berechtigte ausgezahlt worden sei. Die Beklagte hat gemeint, aufgrund dessen kehre sich die Beweislast für die Erfüllung des Auszahlungsanspruchs um, so dass die Klägerin die Nichterfüllung dieses Anspruchs zu beweisen habe.

Im Übrigen hat sie die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Urt. v. 9.12.2003 hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Behauptung der Klägerin, dass das Sparguthaben immer noch bestehe und nicht ausbezahlt worden sei, sei wegen Verstoßes gegen ihre prozessuale Wahrheitspflicht als ins Blaue hinein aufgestellt unbeachtlich. Aber selbst wenn dieser Auffassung nicht zu folgen wäre, habe die Klägerin jedenfalls den ihr obliegenden Beweis für den Fortbestand der Darlehensschuld nicht geführt. Nach mehr als 38 Jahren und der zulässigen Vernichtung aller Unterlagen nach Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfrist sei von einer Beweislastumkehr zu Lasten der Klägerin auszugehen. Die Frage, ob der Klageanspruch verjährt sei, könne aus diesem Grund dahinstehen.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des LG in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit sie denen des Berufungsgerichts nicht entgegenstehen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag in vollem Umfange weiter.

Sie beanstandet insb. die Auffassung des LG, dass eine Beweislastumkehr zur ihren Lasten hinsichtlich der Erfüllung des Darlehensauszahlungsanspruchs eingetreten sei, und greift das Urteil auch insoweit an, als das LG ihren Vortrag zum Fortbestand des Sparguthabens als unbeachtlich angesehen hat.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.584,93 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags.

II. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, da der Darlehensauszahlungsanspruch der Klägerin in vollem Umfang begründet ist.

1. Entgegen der Auffassung des LG trifft die Klägerin im Ergebnis auch weiterhin nicht die Beweislast für den Bestand des Sparguthabens. Auszugehen ist von der allgemeinen zivilprozessualen Verteilung der Beweislast, wonach der Sparer die Hingabe des Geldes, das Kreditinstitut hingegen die Auszahlung zu beweisen hat (BGH v. 4.6.2002 - XI ZR 361/01, BGHZ 151, 47 [49] = BGHReport 2002, 780 = MDR 2002, 1387). Durch die Vorlage der Empfangsbescheinigung v. 23.11.1965 hat die Klägerin nachgewiesen, dass das Sparbuch an diesem Tage das darin genannte Guthaben von 5.601 DM aufgewiesen hat.

Eine Beweislastumkehr im Hinblick auf die zwischenzeitlich verstrichene lange Zeit von immerhin mehr als 38 Jahren ist nicht gerechtfertigt. Insoweit gilt ähnliches wie für den Fall, dass der Anspruchsteller noch im Besitz eines nicht entwerteten Sparbuchs ist und keine Umstände dafür ersichtlich sind, dass die Bank aus Gründen, die ihm als Rechtsnachfolger des ursprünglich Berechtigten zuzurechnen sind, an der Entwertung gehindert worden sei. Es gibt bei einer solchen Fallgestaltung auch keine...

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