Entscheidungsstichwort (Thema)

Wertvolle Geschäftsbeziehung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Wunsch einer Partei, eine wertvolle Geschäftsbeziehung nicht unnötig durch den Vorwurf einer Rechtsverletzung zu belasten, kann im Rahmen von § 12 Abs. 2 UWG eine zögerliche vorprozessuale Anspruchsdurchsetzung nicht rechtfertigen. Das Bestreben einer möglichst einverständlichen Streitbeilegung und die Notwendigkeit einer nachhaltigen gerichtlichen Anspruchsdurchsetzung sind dabei häufig nicht miteinander in Einklang zu bringen. Wiederholte Abmahnungen und Vergleichsverhandlungen sind in diesem Rahmen nur in dem Umfang dringlichkeitsschädlich, wie sie der gebotenen zügigen Rechtsverfolgung dienen.

2. Wählt der Verletzte den Weg einer allgemeinen, umfassenden vorprozessualen Beanstandung einer bestimmten Produktgestaltung, so ist er unter Dringlichkeitsgesichtspunkten gehindert, seine Beanstandung später auf konkrete Einzelprodukte zu stützen, wenn er durch sein zögerliches vorprozessuales Verhalten die Voraussetzungen für ein Eilverfahren im Hinblick auf die Gesamtbeanstandung verloren hat. Der Aspekt einer Intensivierung/Erneuerung der (späteren) Verletzungshandlung ist insoweit ohne Relevanz.

 

Normenkette

UWG § 12 Abs. 2; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Beschluss vom 06.10.2006; Aktenzeichen 308 O 637/06)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 10.10.2006 gegen den Beschluss des LG Hamburg, Zivilkammer 8, vom 6.10.2006 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Der Beschwerdewert entspricht den in erster Instanz entstandenen Kosten.

 

Gründe

Die gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das LG hat den Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung zu Recht und mit überzeugender Begründung zurückgewiesen. Die Ausführungen der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Der Senat kann sich auf folgende ergänzende Ausführungen beschränken:

1. Die Gesamtwürdigung des vorprozessualen Verhaltens der Antragstellerin ergibt auch nach Auffassung des Senats, dass die Antragstellerin die von ihr behaupteten Ansprüche nicht mit dem erforderlichen Nachdruck verfolgt hat, so dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung ihres Unterlassungsanspruchs nicht vorliegen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass bei der Verfolgung urheber- geschmacksmuster- bzw. vertragsrechtlicher Ansprüche - um die es im vorliegenden Fall in erster Linie geht - keine von dem Prozessgegner zu widerlegende Dringlichkeitsvermutung entsprechend § 12 Abs. 2 UWG für den Antragsteller streitet. Vielmehr hat die antragstellende Partei die Voraussetzungen einer besonderen Eilbedürftigkeit für eine Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gem. §§ 935, 940 ZPO nachvollziehbar darzulegen. Dies ist der Antragstellerin nicht gelungen. Der Umstand, dass die Antragstellerin ihre Ansprüche nachrangig auch auf wettbewerbsrechtliche Grundlagen gestützt hat, führt jedenfalls bei der vorliegenden Fallgestaltung, bei der die Parteien in erster Linie vertraglich verbunden sind, nicht dazu, dass damit die Dringlichkeitsvermutung Anwendung findet.

2. Der für die Anspruchsdurchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erforderliche Verfügungsgrund liegt nicht vor.

a) Für die Frage, ob ein Verfügungsgrund vorliegt, kommt es nach der Rechtsprechung des Senats nicht entscheidend darauf an, ob das beanstandete Verhalten noch innerhalb bestimmter Dringlichkeitsfristen liegt. Bei der Beurteilung einer etwaigen Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG - für die Fälle nach §§ 935, 940 ZPO gilt dies erst recht - ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung des vorprozessualen und prozessualen Verhaltens der Antragstellerin geboten. Eine isolierte Betrachtung einzelner Verfahrensabschnitte ohne Rücksicht auf vorangegangenes und nachfolgendes - zeitverzögerndes - Verhalten verfehlt die dem § 12 Abs. 2 UWG zugrunde liegende gesetzliche Intention. Eine sachgerechte, am Gesetzeszweck des § 12 Abs. 2 UWG ausgerichtete Anwendung dieser Vorschrift erfordert deshalb eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer Gesamtwürdigung (Senat OLGRep 06,683 - Tarif-Stress), bei der bestimmte Zeiträume allenfalls eine absolute Obergrenze für dringliches Verhalten bilden, aber nicht dazu führen, dass sich ein Handeln im Rahmen dieser Fristen stets oder im Regelfall als nicht dringlichkeitsschädlich darstellt. Hieran sind auch die an das Verhalten der Antragstellerin zu stellenden Anforderungen zu messen.

b) Die Antragstellerin hatte bereits im Mai 2006 vollständige Kenntnis derjenigen Tatsachen, die ihr eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Wegen des einstweiligen Rechtsschutzes ermöglicht hätte. Indes hat die Antragstellerin aus der vorgerichtlichen anwaltlichen Abmahnung vom 16.5.2006 (Anlage ASt11) nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen, ...

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