Entscheidungsstichwort (Thema)

Persönliche Anhörung des Betroffenen im Unterbringungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Das verfahrensrechtliche Gebot der vorherigen persönlichen Anhörung des Betroffenen wird verletzt, wenn das AG des Wohnsitzes des Betroffenen im schriftlichen Verfahren im Wege der einstweiligen Anordnung seine geschlossene Unterbringung genehmigt und sich darauf beschränkt, das AG, in dessen Bezirk die Unterbringung vollzogen werden soll, um die nachträgliche Anhörung des Betroffenen zu ersuchen, die dann erst nach 9 Tagen durchgeführt wird.

 

Normenkette

FGG § 69 f. Abs. 1 S. 1 Nr. 4, §§ 70, 70h

 

Verfahrensgang

LG Paderborn (Beschluss vom 22.05.2007; Aktenzeichen 5 T 180/06 +181/06)

AG Lippstadt (Aktenzeichen 29 XVII W 519)

 

Tenor

Auf die sofortige weitere Beschwerde wird festgestellt, dass die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung der Betroffenen durch den Beschluss des AG Lippstadt vom 18.4.2007 rechtswidrig war.

Im Übrigen werden die weitere und die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die Anordnung der vorläufigen Betreuung ist nach den §§ 27, 29 FGG statthaft sowie formgerecht, die gegen die Genehmigung der einstweiligen Unterbringung gerichtete sofortige weitere Beschwerde zudem fristgerecht (§§ 70m Abs. 1, 70g Abs. 3 S. 1, 29 Abs. 2, 22 FGG), eingelegt. Ihre Beschwerdebefugnis folgt bereits daraus, dass ihre ersten Beschwerden ohne Erfolg geblieben sind.

Der Zulässigkeit der sofortigen weiteren Beschwerde betreffend die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung steht nicht entgegen, dass sich die Hauptsache insoweit mittlerweile durch Zeitablauf erledigt hat. Vielmehr muss der Betroffenen im Hinblick auf den mit der Freiheitsentziehung verbundenen Eingriff in Grundrechtspositionen zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes und mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. etwa - NJW 2002, 2456; wistra 2006, 59) ein Rechtsschutzinteresse mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlüsse sowohl des LG als auch des AG zugebilligt werden (Senat OLGR 2006, 803). Ein entsprechendes Begehren lässt das Schreiben der Betroffenen vom 2.8.2007 auch erkennen.

In der Sache ist die sofortige weitere Beschwerde insoweit begründet, als die Entscheidung des AG betreffend die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung auf dem Unterlassen der vorgeschriebenen persönlichen Anhörung der Betroffenen und damit auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 S. 1 FGG). Im Übrigen sind die Rechtsmittel dagegen unbegründet.

Die Entscheidung des LG, auf deren Inhalt sowohl zur Darstellung des Sachverhalts als auch hinsichtlich der Begründung Bezug genommen wird, ist nicht zu beanstanden. Die Kammer hat die Voraussetzungen einer (vorläufigen) Betreuerbestellung nach § 1896 Abs. 1, 1a und 2 BGB, die - wie hier - gegen den Willen der Betroffenen erfolgt ist, sowie diejenigen einer einstweiligen Unterbringungsmaßnahme (§§ 70h FGG, 1906 Abs. 2 BGB) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats dargestellt. Das LG hat ferner in tatsächlicher Hinsicht mit ausführlicher Begründung festgestellt, es sei durch die vorliegenden ärztlichen Zeugnisse hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Betroffene an einer psychischen Erkrankung, nämlich einer paranoiden Psychose leide, und mit dem Aufschub einer Betreuerbestellung Gefahr verbunden sei. Zu Recht hat das LG dabei eine Glaubhaftmachung der tatsächlichen Voraussetzungen in dem Sinne ausreichen lassen, dass dringende Gründe für deren Vorliegen sprechen (§§ 69 f. Abs. 1 S. 1 Ziff. 1 FGG). Entsprechendes gilt hinsichtlich der Voraussetzungen der einstweiligen Unterbringung (vgl. § 70h Abs. 1 FGG). Insoweit hat das LG die Voraussetzungen der Ziff. 2 des § 1906 Abs. 1 BGB bejaht, da die Gefahr bestehe, dass es bei fehlender Behandlung zu einer weiteren Chronifizierung und Verschlechterung des Krankheitsbildes komme.

Die tatsächlichen Feststellungen des LG unterliegen im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer eingeschränkten Nachprüfung dahin, ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausreichend erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffes alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln sowie feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Kuntze/Meyer-Holz, FG, 15. Aufl., § 27, Rz. 42 m.w.N.). Einen solchen Rechtsfehler lassen die zutreffend auf das Eilverfahren abgestellten tatsächlichen Feststellungen des LG nicht erkennen. Ihr liegen die ärztlichen Zeugnisse des Sachverständigen Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie H4 in T2 sowie der Oberärztin der LWL-Klinik Q zugrunde. Nach den Angaben der Ärzte bestand die Gefahr, dass es in Stress- oder Belastungssituationen zu Ausbrüchen hätte kommen können, die nicht kalkulierbar gewesen wären und zu einer nicht absehbaren Eigen- oder Fremdgefährdung hätten führen können.

Die Betroffene ist durch das ...

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