Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Rechtswidrigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen beider Vorinstanzen im Verfahren über eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG v. 31.10.2005 - 2 BvR 2233/04 - (Muster).
2. Zur Verpflichtung des LG, im Beschwerdeverfahren ergänzende tatsächliche Ermittlungen, insb. auch die persönliche Anhörung des Betroffenen durchzuführen.
Normenkette
FGG §§ 12, 70c S. 1, § 70h
Verfahrensgang
LG Bielefeld (Beschluss vom 22.11.2005; Aktenzeichen 25 T 256/05) |
AG Gütersloh (Aktenzeichen 7-XIV 256/05. L) |
Tenor
Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Unterbringung durch die Entscheidung des LG rechtswidrig ist.
Im Übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Betroffene wohnt bei seinen Eltern. Der Beteiligte zu 3) hat am 20.10.2005 den Betroffenen gem. § 14 Abs. 2 PsychKG NW in der X-Klinik H geschlossen untergebracht und bei dem AG die Anordnung der einstweiligen Unterbringung des Betroffenen beantragt. Dem Antrag war beigefügt ein ärztliches Zeugnis vom selben Tage, in dem ausgeführt ist, der Betroffene leide an einer Psychose. Er habe Wahnvorstellungen: Er sei D, kanadischer Staatsangehöriger, seine Familie sei ihm nicht bekannt; dies sei nicht sein Vater; dass Haus sei seines, er müsse die Fremden entfernen. Der Betroffene sei abends gegen 21.00 Uhr mit Fäusten gegen Bruder und Vater vorgegangen und habe angekündigt, "die Fremden muss ich selbst entfernen". Der Betroffene stehe seit 3 Jahren in ärztlicher Behandlung und erhalte Cyatyl Z. Das Medikament habe er vor 3 Monaten abgesetzt.
Der Richter des AG hat den Betroffenen am 21.10.2005 in der Klinik persönlich angehört. Durch Beschluss vom selben Tag hat das AG im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige geschlossene Unterbringung des Betroffen bis zum 1.12.2005 in dem genannten Krankenhaus angeordnet und den Beteiligten zu 2) als Verfahrenspfleger des Betroffenen bestellt.
Gegen diesen Beschluss hat der Beteiligte zu 2) namens des Betroffenen mit Schreiben vom 4.11.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.
Das LG hat telefonisch am 10.11. und 14.11.2005 ergänzende Stellungnahmen des zuständigen Stationsarztes Herrn S eingeholt und mit Beschluss vom 14.11.2005 die Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Durch Beschluss vom 22.11.2006 hat es die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Der Betroffene ist am 1.12.2005 aus der Klinik entlassen worden.
Mit der sofortigen weitere Beschwerde, die der Beteiligte zu 2) im Namen des Betroffenen mit Schriftsatz vom 9.12.2005 bei dem LG eingelegt hat, begehrt dieser die Feststellung, dass die einstweilige Unterbringung bis zum 1.12.2005 rechtswidrig war.
II. Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 70m Abs. 1, 70h Abs. 1, 70g Abs. 3, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis des Betroffenen folgt bereits daraus, dass seine sofortige erste Beschwerde ohne Erfolg geblieben ist. Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht nicht entgegen, dass bereits bei seiner Einlegung die Frist, für die das AG die Unterbringung angeordnet hat, abgelaufen war. Vielmehr ist im Hinblick auf den mit der Freiheitsentziehung verbundenen Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen sein Rechtsschutzinteresse mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses des LG zu bejahen (BGH v. 13.2.2002 - XII ZB 191/00, BGHReport 2002, 495 m. Anm. Locher = MDR 2002, 762 = NJW 2002, 1801, unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG).
Zum Prüfungsmaßstab in diesen Fällen hatte der Senat in seiner Entscheidung vom 29.5.2001 (OLG Hamm v. 29.5.2001 - 15 W 139/01, BtPrax 2001, 212; im selben Sinne: OLG Zweibrücken FGPrax 2005, 137) ausgeführt:
Das BVerfG hat in seinen genannten Entscheidungen den Fachgerichten nicht näher vorgegeben, nach welchen verfahrensrechtlichen Kriterien sie die feststellende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Unterbringungsmaßnahme zu treffen haben. Der Senat versteht die Rechtsprechung des BVerfG in diesem Zusammenhang so, dass das Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes ungeachtet der eingetretenen Erledigung der Hauptsache lediglich den Eintritt in eine sachliche Prüfung des eingelegten Rechtsmittels erfordert, jedoch nicht zu einer Änderung des durch die Verfahrensordnung allgemein vorgegebenen Umfangs der Prüfungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts führt. Es soll also lediglich eine Verschlechterung der Rechtsschutzfunktion des Rechtsmittelverfahrens durch die eingetretene Erledigung der Hauptsache vermieden werden. Demgegenüber besteht keine Grundlage für eine Erweiterung des Rechtsschutzes ggü. den Fällen, in denen das Rechtsmittelgericht über die Aufrechterhaltung einer noch fortbestehenden freiheitsentziehenden Unterbringung zu entscheiden hat.
Für das Rechtsmittel der sofortigen weiteren Beschwerde ergeben sich daraus folgende Konsequenzen: Dieses Rechtsmittel ist in § 27 Abs. 1 FGG als R...