Leitsatz (amtlich)
Macht der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen und bei einem Händler erworbenen Fahrzeugs Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung (§§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 263 StGB, 826 BGB) allein gegen den Hersteller geltend, kann ein Gerichtstand gem. § 32 ZPO an dem Ort begründet sein, an dem der Kaufvertrag abgeschlossen worden ist, und an dem Ort, an dem die Erfüllungshandlungen zu dem Vertrag vorgenommen wurden. Ein Gerichtsstand an den genannten Orten setzt einen schlüssigen Klagevortrag zu einer beim Abschluss des Kaufvertrages und/oder seiner Erfüllung begangenen unerlaubten Handlung voraus. Im Falle einer behaupteten "Barzahlung" ist insoweit näher auszuführen, wie diese konkret erfolgt sein soll. Wird die Zuständigkeit von einem verweisenden Gericht zwar rechtsfehlerhaft, aber mit einer nachvollziehbar begründeten Prüfung des § 32 ZPO verneint, kann der Verweisungsbeschluss verbindlich sein.
Normenkette
BGB §§ 823, 826; StGB § 263; ZPO §§ 32, 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 5 O 86/18) |
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Duisburg.
Gründe
I. Der Rechtsstreit liegt dem Senat zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO vor.
Dem Rechtsstreit liegt - soweit für das Zuständigkeitsbestimmungsverfahren von Belang - im Kern folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Klageschrift vom 16.05.2018 hat der in T (LG-Bezirk Duisburg) wohnhafte Kläger vor dem Landgericht Essen Klage gegen die in X (LG-Bezirk Braunschweig) ansässige Beklagte - gestützt auf §§ 826, 249ff BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung - u.a auf Zahlung von 19.782,92 EUR Zug-um-Zug gegen Rückgabe des von ihm erworbenen Pkw W zzgl. Nebenforderungen erhoben. Der Kläger erwarb das im Klageantrag genauer bezeichnete Kfz. mit Kaufvertrag vom 29.03.2012 bei der Autohaus C GmbH in D (LG-Bezirk Essen) zum Kaufpreis von 42.025,00 EUR. Der Kaufpreis wurde nach Darlegung des Klägers durch Barzahlung in Höhe von 34.026,35 EUR sowie Inzahlungnahme eines Altfahrzeuges zum Preis von 8.000,00 EUR beglichen.
Zur Begründung der geltend gemachten Klageforderung trägt der Kläger weiter vor, dass der Motor des erworbenen Pkw mit einem Diesel-Motor vom Typ F 2 ausgestattet ist, der mit einer sog. Abschaltsoftware ausgestattet sei. Nachdem der Kläger im Februar 2016 von der Beklagten hierüber informiert worden war, erklärte er mit anwaltlichem Schreiben vom 28.03.2018 die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Weiterhin forderte er die Beklage auf, das Fahrzeug Zug-um-Zug gegen Zahlung von 34.026,35 EUR zurückzunehmen, was die Beklagte ablehnte.
Mit Klageerwiderung vom 27.07.2018 hat die Beklagte die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Essen gerügt. Insbesondere folge die Zuständigkeit nicht aus § 29 Abs. 1 ZPO, da dieser nur bei Streitigkeiten aus Vertragsverhältnissen Anwendung finde. Eine Zuständigkeit lasse sich auch aus § 32 ZPO nicht herleiten. Dies gelte schon deshalb, weil jeder schlüssige Vortrag dazu fehle, dass der Beklage eine unerlaubte Handlung vorzuwerfen wäre und dem Kläger im Zuständigkeitsbereich des angerufenen Gerichts ein Vermögensschaden entstanden sei. Im Übrigen wäre der Gerichtsstand des Begehungsortes ebenfalls nicht im Landgerichtsbezirk Essen.
Daraufhin hat das Landgericht Essen die Parteien mit Verfügung vom 03.08.2018 darauf hingewiesen, dass es die Bedenken der Beklagten gegen die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts teile. Eine Zuständigkeit des angerufenen Gerichts folgte nicht aus § 29 ZPO. Denn soll ein Autokauf rückabgewickelt werden, sei der einheitliche Gerichtsstand des Erfüllungsortes dort anzunehmen, wo sich das gekaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Rückabwicklung bestimmungsgemäß befindet. Dies sei regelmäßig der Wohnsitz des Käufers, vorliegend also T. Auch § 32 ZPO begründe die Zuständigkeit des Landgerichts Essen nicht. Denn Ort des Schadenseintritts sei Begehungsort im Sinne von § 32 ZPO. Dies sei ebenfalls der Wohnort des Geschädigten, hier also T, da sich dort das klägerische Vermögen befinde. Zugleicht hat das Landgericht Essen um Stellungnahme gebeten, ob Verweisung an das Landgericht Duisburg beantragt werde.
Mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13.08.2018 hat der Kläger daraufhin die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Duisburg beantragt. Daraufhin hat sich das Landgericht Essen - ohne vorherige Anhörung der Beklagten zu dem vom Kläger gestellten Verweisungsantrag - mit Beschluss vom 15.08.2018 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit unter Bezugnahme auf den zuvor erteilten Hinweis gemäß § 281 ZPO an das Landgericht Duisburg verwiesen.
Das Landgericht Duisburg wiederum hat mit Beschluss vom 05.09.2018 die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt, sich seinerseits für örtlich unzuständig erklärt und die Sache an das Landgericht Essen zurückgegeben. Das Landgericht Essen sei gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Begehungsort im...