Leitsatz (amtlich)
1. Ein Heimbewohner kann vom Heimträger Zurückzahlung des Entgeltanteils für Verpflegung verlangen, wenn er die angebotene Kostform nicht entgegennimmt, weil er auf Sondenernährung zwingend angewiesen ist.
2. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes unterliegen Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung von Entgeltanteilen für nicht beanspruchte Verpflegungsleistungen nicht der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB a.F., sondern der für Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen maßgeblichen Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F.
Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 02.03.2006; Aktenzeichen 11 O 469/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers wird - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - das Urteil der 11. Zivilkammer des LG Essen vom 2.3.2006 wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.449,30 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.8.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 52 % und der Beklagte zu 48 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
(abgekürzt gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO)
Die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers sind zulässig. Die Rechtsmittel haben teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang, Erfolg.
Dem Kläger steht als Erbe seiner verstorbenen Mutter gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückerstattung des in den Jahren 2000 bis 2004 gezahlten und auf die Verpflegung entfallenen Teils des Pflegeentgelts aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 615 Satz 2 BGB i.V.m. § 1922 BGB i.H.v. 6.449,30 EUR zu.
I. Das LG hat seiner Entscheidung zu Recht die Rechtsprechung des BGH zugrunde gelegt, wonach im Rahmen eines Heimvertrages einem Heimbewohner, der die angebotene Kostform nicht entgegennimmt, weil er auf Sondennahrung zwingend angewiesen ist, Anspruch auf Entgeltreduzierung bzw. nach Überzahlung ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch zustehen kann (BGH, Urt. v. 22.1.2004 - III ZR 68/03, BGHReport 2004, 566 = GesR 2004, 197 = BGHZ 157, 309 und BGH v. 4.11.2004 - III ZR 371/03, BGHReport 2005, 411 = NJW 2005, 824).
Sachverhaltsunterschiede, die eine Abweichung von den von dem BGH entschiedenen Fällen rechtfertigen könnten, bestehen nicht. Insbesondere betrifft der am 4.11.2004 entschiedene Fall - wie der vorliegende Streitfall - eine nordrhein-westfälische Pflegeeinrichtung.
1. Zutreffend hat das LG in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass individualvertragliche Vereinbarungen, wie sich das Entgelt bemisst, wenn behinderungsbedingt auf die normale Verpflegung verzichtet werden muss, nicht bestehen.
§ 3 Abs. 4 des Heimvertrages regelt ausschließlich Art und Umfang einer Erstattung im Fall der Abwesenheit eines Heimbewohners. Als abschließende Regelung kann § 3 Abs. 4 nicht angesehen werden.
Dass der Vertrag im Hinblick auf die bei Vertragsschluss bekannte Notwendigkeit, die Mutter des Klägers über eine Sonde zu ernähren, mit dem Inhalt zustande kommen sollte, dass das vereinbarte Entgelt auch ohne die Gewährung der im Vertragstext vorgesehen Verpflegung geschuldet sei, hat der Beklagte im Streitfall schon nicht behauptet. Dem geschlossenen Vertrag kann eine solche Auslegung ohne weitere Abreden, die hier nicht ersichtlich sind, nicht beigemessen werden.
2. Fehlt es demnach an einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung, wie das Verpflegungsentgelt abzurechnen ist, wenn die vertraglich vorgesehene Verpflegung wegen der Verabreichung von Sondennahrung nicht entgegengenommen werden kann, kommen die allgemein geltenden zivilrechtlichen Normen und diejenigen Bestimmungen zur Anwendung, die bei einem gemischten Vertragstyp - wie es der Heimvertrag ist - den Schwerpunkt bilden. Im Hinblick auf den dienstvertraglichen Schwerpunkt des hier zu beurteilenden Heimvertrages ist die Regelung des § 615 Satz 2 BGB von Bedeutung, nach der sich der Dienstverpflichtete bei einer Nichtabnahme der Dienste den Wert der ersparten Aufwendungen anrechnen lassen muss (BGH a.a.O.).
Um diese ersparten Aufwendungen ist, da das volle Entgelt während des gesamten Aufenthalts der Verstorbenen gezahlt worden ist, der Beklagte ohne Rechtsgrund bereichert.
3. Mit dem BGH kann der Beklagte dem Bereicherungsanspruch nicht entgegenhalten, er habe in den Pflegesatzverhandlungen stets so kalkuliert, dass nur der tatsächliche Gesamtverpflegungsaufwand des Heimes in die Preisbildung eingeflossen und gleichmäßig auf alle Heimbewohner umgelegt worden sei, es ihm daher - quasi "unterm Strich" - an einer Ersparnis von Aufwendungen fehle. Denn zu Recht hat das LG ausgeführt, dass die Frage, ob der Beklagte "etwas erlangt" hat und bereichert ist, sich ausschließlich im Verhältnis zwischen den Parteien bestimmt. Mit dem BGH ist insoweit darauf zu verweisen, dass der Beklagte der verstorbenen Mutter vertraglich Verpflegung versprochen und ein Entgelt dafür...