Leitsatz (amtlich)

1. Ein Heimbewohner kann vom Heimträger Zurückzahlung des Entgeltanteils für Verpflegung fordern, wenn der Heimbewohner ausschließlich eine von der Krankenversicherung bezahlte Sondennahrung aufnehmen kann (i.A. an BGH v. 22.1.2004 - III ZR 68/03, BGHZ 157, 309 = BGHReport 2004, 566 = GesR 2004, 197; v. 4.11.2004 - III ZR 371/03, BGHReport 2005, 411 = NJW 2005, 824).

2. Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung von Entgeltanteilen für nicht beanspruchte Verpflegungsleistungen unterliegen nicht der regelmäßigen Verjährung des § 195 BGB a.F., sondern der für die Entgelte maßgeblichen kurzen Verjährungsfrist des § 196 Abs. 1 Nr. 11 BGB a.F. (i.A. OLG Celle v. 5.3.2003 - 9 U 201/02, OLGReport Celle 2003, 230). Für "Neuansprüche" nach In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes zum 1.1.2002 beträgt die Frist drei Jahre.

 

Normenkette

BGB § 195 a.F., § 196 Abs. 1 Nr. 7, § 196 Nr. 11 a.F., §§ 615, 812; EGBGB Art. 229 § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 09.09.2005; Aktenzeichen 11 O 144/04)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 9.9.2005 - 11 O 144/04 - im Kostenpunkt aufgehoben, im Übrigen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.624,10 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2004 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin beginnend ab 1.11.2004 den pro Pflegetag berechneten Sachkostenersatz für Verpflegung vollumfänglich entsprechend der jeweiligen Pflegesätze zu erstatten.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weiter gehende Berufung der Beklagten und die Berufung der Klägerin werden zurückgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 %. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs tragen die Klägerin 27 % und die Beklagte 73 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die seit 3.5.2000 in einem von der Beklagten betriebenen Pflegeheim lebt, verlangt von der Beklagten wegen ersparter Verpflegungskosten die Rückzahlung eines Teils des gezahlten Entgeltes.

Die Klägerin nimmt als Versicherte der sozialen Pflegeversicherung Leistungen der vollstationären Pflege nach § 43 SGB XI in Anspruch. Die Beklagte ist zur Erbringung dieser Leistungen zugelassen i.S.v. § 72 SGB XI.

Dem Aufenthalt der Klägerin liegt ein am 18.4.2000 geschlossener Heimvertrag (Anlage K1) zugrunde. Die Vereinbarung sieht in § 7 Abs. 4 vor:

"Das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung beträgt täglich 34,36 DM. Dieses Entgelt ist mit den zuständigen Pflegekassen und ggf. mit dem zuständigen Träger der Sozialhilfe vereinbart worden".

Zum 1.8.2000 wurde das Entgelt für Verpflegung und Unterkunft um 1,8 % auf 34,98 DM (Anlage K8), ab 1.7.2001 um weitere 2,2 % auf 35,75 DM (Anlage K7) sowie zum 1.8.2002 um weitere 3,4 % auf 18,90 EUR (Anlage K5) erhöht. Zum 1.7.2004 erhöhte sich das Entgelt für Unterkunft und Verpflegung bislang letztmalig um 3,7 % auf 19,60 EUR (Anlage K4). Die Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 24.5.2004 (Anlage K4) mitgeteilt, dass das Budget für Lebensmittel je Heimbewohner bisher, d.h. bis 30.6.2004, 4 EUR pro Berechnungstag betrage und sich nunmehr auf 4,20 EUR pro Berechnungstag, mithin um fünf Prozent, erhöht habe. Die vertraglich festgelegten Entgelte hat die Klägerin bislang voll bezahlt.

Die Klägerin wird von Anbeginn ihres Aufenthaltes an über eine sog. perkutane endoskopische Gastrostomie, d.h. eine durch die Bauchwand in den Magen eingeführte Sonde ernährt. Flüssigkeit erhält sie ebenfalls über diese Sonde bzw. von ihrer Tochter auf deren Kosten verabreicht. Die reguläre Verpflegung nimmt sie nicht in Anspruch. Die Kosten der Sondennahrung und des damit verbundenen pflegerischen Mehraufwandes werden von der Krankenkasse getragen.

Die Beklagte hat ihre Küchenleistungen der Firma B. GmbH übertragen. Unabhängig von der konkreten Inanspruchnahme von Verpflegungsmaterial schuldete sie bis 30.6.2004 diesem Unternehmen eine von der Anzahl der im Rechtssinne belegten Betten abhängige Vergütung von 10,17 EUR (= 19,90 DM) pro Person und Tag. Dieser Betrag ist mit Wirkung vom 1.8.2002 einvernehmlich auf 10,40 EUR erhöht worden.

Seit 1.7.2004 erstattet die Beklagte der Klägerin 3,50 EUR je abzurechnenden Pflegetages als "Sachkostenersatz zur Verpflegung".

Die Klägerin verlangt von der Beklagten wegen ersparter Verpflegungskosten für 1.642 Tage die Rückzahlung eines Teils des gezahlten Entgeltes.

Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Anspruch auf Rückzahlung desjenigen Entgeltsanteils zu, der für die Verpflegung der Heimbewohner aufgewendet werde. Da sie von Anbeginn an ausschließlich Sondennahrung erhalte, habe die Beklagte diese Aufwendungen erspart. Das Heimentgelt sei in dieser Höhe ohne rechtlichen Grund geleistet worden. Im Zeitraum zwischen 3.5.2000 und 31.7.2002 habe der Verpflegungsanteil schätzungsweise bei mindestens 3,50 E...

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