Leitsatz (amtlich)
1. Das zeitlich nach Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung durch den Hersteller bei einem Fahrzeug mit dem Motor EA 189 aufgespielte Softwareupdate kommt als Anknüpfungspunkt für eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1119/22 -, Rn. 25, juris).
2. Ein Käufer, der ein Fahrzeug mit dem Motor EA 189 erwirbt, kann sich zur Begründung eines Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens grundsätzlich auf den Erfahrungssatz stützen, dass er den Kaufvertrag zu diesem Kaufpreis nicht geschlossen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21 -, Rn. 55 ff., juris). Dies gilt nicht, wenn er den Kaufvertrag nach dem Bekanntwerden des Abgasskandals geschlossen hat. In diesem Fall ist er für die Erwerbskausalität ohne Beweiserleichterung nach dem Maßstab des § 286 ZPO beweispflichtig.
Gründe
Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Kauf eines von dem sog. "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs.
Die Beklagte stellte unter der Bezeichnung "EA 189" einen Dieselmotor mit der Abgasnorm Euro 5 her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten "Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.
Der o.g. Dieselmotor wurde in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten, wie unter anderem in dem hier in Streit stehenden ... Sharan 2.0 TDI, sowie in solchen der zum Konzern gehörenden Unternehmen verbaut.
Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten "zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der [...] Typengenehmigung [...] des Typs EA 189 EU5" die "unzulässigen Abschalteinrichtungen" zu entfernen und drohte damit, andernfalls "die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen". Zugleich wurde die Beklagte verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.
Bereits zuvor - nämlich am 22. September 2015 - gab die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung sowie eine gleichlautende Presseerklärung heraus, in denen der Öffentlichkeit mitgeteilt wurde, dass in Konzernfahrzeugen der Beklagten mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 eine Software eingebaut ist, die zu auffälligen Abweichungen der Abgaswerte zwischen dem Prüfstandsbetrieb und dem realen Fahrbetrieb führt. Hierüber wurde in den regionalen und überregionalen Printmedien, in Fernsehen und Rundfunk sowie im Internet ausführlich berichtet.
Mit Pressemitteilung vom 2. Oktober 2015 informierte die Beklagte über die Bereitstellung eines Tools auf ihrer Website, mittels dessen jeder Fahrzeughalter anhand seiner Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN) abfragen konnte, ob sein Fahrzeug von der Problematik betroffen ist oder nicht.
Das KBA bestätigte der Beklagten gegenüber unter anderem für das streitgegenständliche Fahrzeugmodell, dass die in Reaktion auf den Bescheid vom 15. Oktober 2015 von der Beklagten entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet sind, die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen. Das Softwareupdate wurde bei dem später von dem Kläger erworbenen ... Sharan am 6. Juni 2018 aufgespielt (Bescheinigung über die Durchführung der Rückrufaktion 23R7, Anlage K14). Mit dem Softwareupdate wurde ein Thermofenster appliziert. Die Abgasrückführung funktioniert nur bis 1000 m Höhe sowie in einem Temperaturfenster zwischen 10 und 32 Grad Celsius in vollem Umfang. Außerhalb dieses Bereichs wird die Abgasrückführung reduziert.
Mit Kaufvertrag vom 26. März 2019 erwarb der Kläger bei der ...GmbH in ... das Fahrzeug des Typs ... Sharan mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... als Gebrauchtfahrzeug zu einem Kaufpreis von 17.995 EUR (LGU 2 und Auftragsbestätigung, Anlage K1). Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt einen Kilometerstand von 96.978 auf. Am 25. September 2023 betrug die Laufleistung 143.876 km.
Die vorgerichtliche Aufforderung der Beklagten zur Rückabwicklung des Kaufvertrages durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 9. Juni 2021 (Anlage K2) hatte keinen Erfolg.
Erstinstanzlich hat der Kläger folgende Anträge gestellt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerschaft 16.082,06 EUR (Kaufpreis a...