Entscheidungsstichwort (Thema)
Potticelli
Leitsatz (amtlich)
1. Für einen erneuten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn und soweit eine bereits erlassene einstweilige Verfügung auslegungsfähig ist und ernsthafte Zweifel vorliegen, ob die nunmehr beanstandete Verletzungshandlung gegen den vorhandenen Unterlassungstitel verstößt.
2. Ein nationales Geschmacksmustergericht ist gemäß Art. 90 Abs. 1 GGV für den Erlass einer auf ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster gestützten einstweiligen Verfügung ungeachtet der abweichenden Zuständigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichts für die Hauptsache zuständig.
3. Zur Relevanz des Einwands der Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (Art. 25 GGV) in einem einstweiligen Verfügungsverfahren.
Normenkette
GemeinschaftsgeschmacksmusterVO Art. 25, 90; UWG § 12 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Köln (Entscheidung vom 29.02.2012; Aktenzeichen 4 O 219/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 29.02.2012 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 219/11 - teilweise abgeändert. Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln vom 12.10.2011 in der Fassung des Beschlusses vom 19.10. 2011 - 84 O 219/11 - wird aufgehoben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen, soweit der Antragsgegnerin untersagt worden ist, den in der einstweiligen Verfügung eingeblendeten Behälter anzubieten und/oder zu vertreiben und/oder anbieten und/oder vertreiben zu lassen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Antragstellerin zu 53 % und die Antragsgegnerin zu 47 % zu tragen. Die Kosten der Berufung werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I. Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters für einen Haushaltsbehälter mit einer Priorität vom 31.12.2008, wegen dessen Einzelheiten und Ausgestaltung auf die Einblendung im angefochtenen Urteil Bezug genommen wird. Diesen Behälter vertreibt die Antragstellerin seit dem Jahr 2009 unter der Bezeichnung "Pottichelli". Die Antragsgegnerin stellte Ende Januar 2011 auf einer Messe unter der Bezeichnung "Julia" einen Multifunktionsbehälter für den täglichen Gebrauch aus.
Die Antragstellerin erwirkte daraufhin am 25.02.2011 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts München I - 7 O 3460/11 -, mit der der Antragsgegnerin die Herstellung, der Vertrieb, das Angebot, das Inverkehrbringen, die Einfuhr und/oder die Ausfuhr jenes Behälters unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt wurde. In der auf den Widerspruch der Antragsgegnerin anberaumten mündlichen Verhandlung am 26.07.2011 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach die Antragsgegnerin zur einstweiligen Verfügung betreffend den Behälter für die Zeitdauer des Bestands des Verfügungsgeschmacksmusters eine Abschlusserklärung mit der Maßgabe abgab, dass sie das Produkt auf der nächsten Fachmesse "spoga + gafa" in Köln mit dem ausdrücklichen Hinweis "in Deutschland bzw. Frankreich nicht verfügbar" ausstellen und zeigen durfte. Darüber hinaus verpflichtete sich die Antragsgegnerin, ihren beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) gestellten Antrag auf Nichtigerklärung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters der Antragstellerin zurückzunehmen.
Auf der vom 04.09. bis zum 06.09.2011 in Köln stattfindenden Messe "spoga + gafa" stellte die Antragsgegnerin den Multifunktionsbehälter ohne einen in räumlicher Nähe befindlichen Disclaimer aus. Zudem bildete sie ihn in ihrem Katalog über die Produktkollektion 2012 ab, wobei sich auf der Innenseite des vorderen Umschlags sowie auf der Katalogseite 72 der Hinweis fand, dass der Behälter in Deutschland nicht erhältlich sei.
Die Antragstellerin hat daraufhin am 28.09.2011 beim Landgericht München I beantragt, der Antragsgegnerin wegen Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters, hilfsweise unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen Nachahmung, im Wege der einstweiligen Verfügung die Bewerbung, das Angebot und/oder den Vertrieb des Behälters zu untersagen. Auf die nachfolgende Anregung des sich für örtlich unzuständig haltenden Landgerichts München I hat die Antragstellerin die Verweisung des Verfahrens an die Geschmacksmusterkammer des Landgerichts Köln beantragt. Nach dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I vom 28.09.2011, dem Eingang der Akten bei der für Geschmacksmusterstreitigkeiten zuständigen 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln am 05.10.2011 und dem am selben Tag erfolgten telefonischen Hinweis des dortigen Vorsitzenden Richters auf die Zuständigkeit des Landgerichts Düsseldorf als Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht hat die Antragstellerin am 05.10.2011 die Verweisung an jenes Gericht beantragt. Diesen Antrag hat sie, nachdem sie der Vorsitzende der 4. Kammer für Handelssachen telefonisch auf die doch gegebene Zuständigkeit des Landgerichts Köln hingewiesen hat, am 11.10.2011 wieder zurückgenommen.
Das Landgericht Köln (im Folgenden: Land...