Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausspruch der Bewilligung von Einsicht in die Betreuungsakte durch das Betreuungsgericht - Grundsatz der Meistbegünstigung
Leitsatz (amtlich)
Wird gegen die vom Betreuungsgericht zu Gunsten eines privaten Dritten ausgesprochene Bewilligung von Einsicht in die Betreuungsakte gemäß Rechtsbehelfsbelehrung: Antrag auf gerichtliche Entscheidung im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG gestellt, so sind der Rechtsbehelf nach den Grundsätzen der Meistbegünstigung zu behandeln und das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 17a Abs. 2 und Abs. 6 GVG an das zuständige Beschwerdegericht zu verweisen.
Normenkette
EGGVG § 23 f., § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1, § 29; FamFG §§ 13, 58; GVG §§ 13, 17a Abs. 2, 6, § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1, § 72 Abs. 1 S. 2; UrhG § 105; ZPO § 281
Tenor
I. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für den als Beschwerde zu behandelnden Antrag vom 30. Oktober 2019 nicht zuständig.
II. Die Sache wird entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 und Abs. 6 GVG an das Landgericht Kempten (Allgäu) verwiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin war aufgrund ihrer gerichtlichen Bestellung vom 5. Juli 2017 Betreuerin für den Betroffenen, der am 17. April 2019 verstorben ist. Beim Nachlassgericht ist ein Verfahren anhängig, in dem ein - die Antragstellerin begünstigendes - eigenhändiges Testament des früheren Betreuten vom 15. April 2018 eröffnet worden ist.
Mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 7. August 2019 beantragte die weitere Beteiligte Einsicht in die Betreuungsakte. Sie äußerte Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments vom 15. April 2018 und teilte mit, sie könne sich mit der dort verfügten Erbfolge vorläufig nicht einverstanden erklären. Sie benötige Einsicht in die Betreuungsakte, denn ihr sei nicht bekannt, aus welchem Grund beim Erblasser vor drei Jahren Geschäftsunfähigkeit festgestellt und Betreuung eingerichtet worden sei. Das Nachlassgericht habe angekündigt, eine für sie - die weitere Beteiligte - nachteilige Entscheidung zu treffen, und zur Begründung angegeben, dass sich aus der Betreuungsakte keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit des Erblassers ergäben. Sie wolle durch Einsicht in die Betreuungsakte prüfen, ob die Beurteilung des Nachlassgerichts zutreffend sei.
Die Antragstellerin verweigerte auf Nachfrage des Betreuungsgerichts ihr Einverständnis zur Akteneinsicht. Sie habe das Erbe angenommen im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft des Nachlassgerichts, dass das im - dort beigezogenen - Betreuungsverfahren eingeholte psychiatrische Gutachten vom 13. Mai 2016 keine Aussage über eine Testierunfähigkeit des Erblassers enthalte. Für die offenbar beabsichtigte Prüfung der Erfolgsaussichten eines noch nicht eingeleiteten gerichtlichen Verfahrens sei das Gutachten somit unergiebig. Vor Einleitung eines Rechtsstreits, in dem der Inhalt der Betreuungsakte gegebenenfalls beweiserheblich sein könnte, sei ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht nicht gegeben. Der begehrten Akteneinsicht stehe das schutzwürdige Interesse derjenigen Personen, über die die Akte Informationen enthalte, an der Geheimhaltung ihrer Daten entgegen.
Der für die Betreuungssache zuständige Referatsrichter leitete das Gesuch um Akteneinsicht zunächst an die Justizverwaltung weiter mit der Begründung, die Entscheidung habe als Justizverwaltungsakt zu ergehen, nachdem das Betreuungsverfahren durch den Tod des Betroffenen beendet sei. Auf einem Klebezettel wurde demgegenüber handschriftlich vermerkt, dass das Verfahren wegen noch laufender Fristen nicht abgeschlossen sei.
Mit so bezeichneter Verfügung vom 22. Oktober 2019 bewilligte der Referatsrichter sodann antragsgemäß die Einsicht in die Betreuungsakte. Zur Begründung ist ausgeführt, Akteneinsicht könne gemäß § 13 FamFG gewährt werden, weil die Prüfung erbrechtlicher Ansprüche ein berechtigtes Begehren sei und schutzwürdige Interessen nicht entgegenstünden. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:besagt, dass als Rechtsmittel der fristgebundene Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG zum Bayerischen Obersten Landesgericht "zulässig" sei.
Die Antragstellerin hat am 30. Oktober 2019 beim Bayerischen Obersten Landesgericht Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt, mit dem sie begehrt, der weiteren Beteiligten die Einsicht in die vollständige Betreuungsakte zu verwehren. Zur Begründung hat sie ihre bereits vor dem Betreuungsgericht erhobenen Einwendungen wiederholt. Sie meint, die erteilte Bewilligung verletze die Grundrechte des Erblassers, der mit ihm betreuungsrechtlich in Verbindung stehenden Personen sowie ihrer selbst je auf Unverletzlichkeit ihrer informationellen Selbstbestimmung in Bezug auf ihre personenbezogenen Daten und Lebensumstände im Zusammenhang mit der Betreuung.
Die Antragstellerin, der Freistaat Bayern als Antragsgegner im Verfahren auf gerichtliche Entscheidung und die weitere Beteiligte sind darauf hingewiesen worden, dass nach der vom S...