Entscheidungsstichwort (Thema)
Statthaftigkeit des vereinfachten Verfahrens bei Existenz eines Vollstreckungstitels über Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Ein vereinfachtes Verfahren ist nicht statthaft, wenn ein Vollstreckungstitel über Kindesunterhalt (hier ein gerichtlicher Vergleich) vorliegt, unabhängig davon, ob aus diesem Titel noch vollstreckt werden kann. Die Frag der Vollstreckbarkeit eines Titels kann nicht im vereinfachten Verfahren geklärt werden (§ 249 Abs. 2 FamFG).
Normenkette
ZPO § 645 Abs. 2; FamFG § 249 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Aichach (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 50 FH 14/09) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Aichach vom 25.1.2010 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
III. Der Beschwerdewert wird auf 4.746 EUR festgesetzt.
Gründe
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners richtet sich gegen die Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren.
Auf Antrag der Antragstellerin setzte das AG im vereinfachten Verfahren mit Beschluss vom 25.1.2010 den vom Antragsgegner zu zahlenden Kindesunterhalt ab 1.1.2010 auf 120 % des Mindestunterhalts gem. § 1612a Abs. 1 BGB der 3. Altersstufe auf einen monatlichen Zahlbetrag von 420 EUR fest. Den für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.12.2009 zu zahlenden Rückstand setzte es auf 2.226 EUR fest. Gleichzeitig wies das AG die vom Antragsgegner erhobenen Einwände zurück, weil der Vergleich vom 30.11.2005 den Kindesunterhalt nur bis zum Auszug der Mutter der Antragstellerin aus der Wohnung des Antragsgegners im Jahr 2006 geregelt habe.
Der Antragsgegner hatte vor Erlass des Beschlusses vom 25.1.2010 u.a. die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens gerügt, weil der Kindesunterhalt bereits durch gerichtlichen Vergleich vom 30.11.2005 geregelt sei.
In Nr. 2 dieses Vergleichs verpflichtete sich der Antragsgegner ab 1.12.2005 für die Antragstellerin einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 125 EUR zu zahlen.
Nach Nr. 3 hat diese Vereinbarung Gültigkeit bis zum Auszug der Mutter der Antragstellerin aus der derzeit im Eigentum des Antragsgegners stehenden Wohnung. Danach muss eine Neuberechnung des Ehegattenunterhalts und des Kindesunterhalts erfolgen.
Nach Nr. 4 der Vereinbarung ist der zu leistende Kindesunterhalt bis zum Auszug der Mutter der Antragstellerin aus der Wohnung des Beklagten nicht abänderlich. Gleichzeitig stellen die Beteiligten klar, dass der Antragsgegner seinerzeit zur Leistung eines Kindesunterhalts der über 125 EUR hinausgeht, nicht leistungsfähig ist.
Mit Beschwerde verfolgt der Antragsgegner diese Einwände weiter und meint u.a. die Durchführung des vereinfachten Verfahrens sei unzulässig.
Der Senat wies die Beteiligten vorab darauf hin, dass der Einwand des Antragsgegners für begründet erachtet wird. Einwände wurden auf diesen Hinweis auch innerhalb der von der Antragstellerin erbetenen Fristverlängerung nicht erhoben.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des AG vom 25.1.2010 und zur Abweisung des Antrags auf Festsetzung von Kindesunterhalt im vereinfachten Verfahren.
1. Die Beurteilung richtet sich nach dem bis 31.8.2009 geltenden Verfahrensrecht, weil das Verfahren am 7.8.2009 eingeleitet wurde (Art. 111 Abs. 1 FGG-RG).
2. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 652 Satz 1 ZPO). Der Antragsgegner erhebt Einwendungen gegen die Zulässigkeit des vereinfachten Verfahrens (§§ 652 Abs. 1 Satz 1, 648 ZPO).
3. Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Das vereinfachte Verfahren ist nicht statthaft, weil vor Einleitung des vereinfachten Verfahrens bereits ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden war (§ 645 Abs. 2 ZPO). Mit Vergleich vom 30.11.2005 errichteten die Beteiligten bereits vor Zustellung des Antrags auf Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren einen Vollstreckungstitel über den verfahrensgegenständlichen Kindesunterhalt. Entgegen der Auffassung des AG kommt es dabei nicht entscheidend darauf ab, ob seit dem Auszug der Mutter der Antragstellerin ein vollstreckbarer Unterhaltstitel nicht mehr besteht. Wesentlich ist nach dem Wortlaut des Gesetzes allein, dass in der Vergangenheit ein vollstreckbarer Titel errichtet wurde. § 645 Abs. 2 ZPO bezweckt, eine Doppeltitulierung zu verhindern (Johannsen/Henrich/Maier, Familienrecht, 5. Aufl., § 249 Rz. 12 zum neuen Recht) und dient allein der Erstfestsetzung des Unterhalts (OLG Naumburg FamRZ 2002, 1045; Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 645 Rz. 3). Das schematische vereinfachte Verfahren ist nicht für die Prüfung geeignet, ob sich die für die Unterhaltsbemessung maßgeblichen Verhältnisse änderten (OLG Karlsruhe FamRZ 2000, 1159 f.) oder aus dem Vergleich vom 30.11.2005 weiter vollstreckt werden kann. Diese Frage der aktuellen Vollstreckbarkeit des Vergleichs kann nich...