Leitsatz (amtlich)
1. Zum Nachweis der Erbfolge durch notarielles Testament anstelle eines Erbscheins.
2. Haben mehrere sachverständige Befunde, die im zeitlichen Zusammenhang mit der Errichtung der letztwilligen Verfügung erstellt worden sind, das Ergebnis, dass die Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit zu bejahen ist, jedenfalls aber nicht zweifelsfrei verneint werden kann, ist für die Erbfolge von der Testierfähigkeit auszugehen. Das Grundbuchamt kann nicht mit der Begründung, es sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass der Erblasser testierfähig gewesen sei, einen Erbschein verlangen.
Normenkette
BGB § 2229 Abs. 4; GBO § 35 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Augsburg (Aktenzeichen Pfersee Blatt 6062-5) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des AG Augsburg - Grundbuchamt - vom 17.6.2014 aufgehoben.
Gründe
I. In mehreren Grundbüchern ist der am 12.7.2013 verstorbene xxx als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Im notariellen Testament des Erblassers vom 30.3.2009 ist festgestellt, dass xxx nach seinen Angaben aufgrund von Schlaganfällen gelähmt sei und seinen Namen nicht schreiben könne. Insoweit wurde ein Schreibzeuge, der beim Verlesen und bei Genehmigung der Niederschrift anwesend war, zugezogen. Weiter ist vermerkt, Herr xxx sei nach der aus der Verhandlung gewonnenen Überzeugung des Notars voll geschäfts- und testierfähig. Ein auf Ersuchen der Betreuerin erstelltes 13-seitiges Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. E. ("Gutachten") vom 16.3.2009, das sich auf der Kenntnisnahme von Vorgutachten im Betreuungsverfahren, auf fremdanamnestische Angaben der Betreuerin und Lebensgefährtin, sowie auf eine persönliche Untersuchung des Probanden am 20.2.2009 stützt, kommt zu dem Ergebnis, dass die Frage nach der Testierfähigkeit in der Gesamtwertung zu bejahen sei.
In dem notariellen Testament vom 30.3.2009 wird die Beteiligte zu 1, die damalige Betreuerin und spätere Ehefrau des Testators, zur Alleinerbin eingesetzt mit der Auflage, eine selbständige oder unselbständige Stiftung zu errichten, deren Zweck die Förderung der Kinder- und Jugendhilfe sein solle. Nach Eröffnung der Verfügung von Todes wegen hat die Beteiligte am 4.5.2014 um Berichtigung der einschlägigen (fünf) Grundbücher nachgesucht. Das Grundbuchamt erließ zunächst am 14.5.2014 Zwischenverfügung zur Vorlage eines Erbennachweises und zur Überprüfung der bezeichneten Grundbuchblätter. Nach Beiziehung der beim selben AG geführten Nachlass- und Betreuungsakten hat das Grundbuchamt mit weiterer Zwischenverfügung vom 17.6.2014 den fehlenden Nachweis der Erbfolge beanstandet und fristsetzend aufgegeben, einen Erbschein vorzulegen. Das fachärztliche Gutachten vom 16.3.2009 belege nicht automatisch auch eine Geschäfts- und Testierfähigkeit am 30.3.2009. Zudem habe der Verstorbene vom 27.8.2007 bis 11.10.2010 unter Betreuung gestanden. Nach einem im dortigen Verfahren erholten Gutachten zur Wirksamkeit einer ebenfalls am 30.3.2009 errichteten Vorsorgevollmacht sei eine uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit aus medizinischer Sicht nicht gegeben.
Gegen die Zwischenverfügung wendet sich die Beteiligte mit ihrem Rechtsmittel vom 2.7.2014. Sie hält Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers für nicht berechtigt. Diese sei vielmehr durch das Gutachten vom 16.3.2009 ausreichend nachgewiesen. Zudem sei im Zusammenhang mit der Aufhebung der Betreuung die Geschäftsfähigkeit partiell bejaht worden und die Gutachterin hierbei wohl von der Testierfähigkeit des Erblassers ausgegangen.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen. Zum Erbfolgenachweis seien weitere Ermittlungen (wie Anhörung des Notars sowie weiterer Kontaktpersonen) notwendig, die das Grundbuchamt nicht anstellen dürfe. Der Inhalt der mehreren Gutachten weise nicht zweifelsfrei darauf hin, dass der Erblasser seinerzeit tatsächlich testierfähig gewesen sei.
II. Die Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung erweist sich als zulässig (§ 71 Abs. 1, § 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG; Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rn. 1) und im Ergebnis auch als begründet. Das Grundbuchamt kann den Nachweis zur Erbfolge nicht durch einen Erbschein (§ 35 Abs. 1 Satz 1 GBO) verlangen. Das vorgelegte notarielle Testament (§ 2232 BGB) in Verbindung mit der Niederschrift über dessen Eröffnung (§ 348 FamFG) erbringt im gegebenen Fall nämlich bereits den Unrichtigkeitsnachweis (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 GBO), weil ernsthafte Zweifel bezüglich des von der Beteiligten behaupteten Erbrechts nicht bestehen (vgl. Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 35 Rn. 127). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Nachlassgericht im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens durch Beweiserhebungen die Frage der Testierfähigkeit zweifelsfrei klären könnte.
1. Das Grundbuchamt hat zunächst die Formgültigkeit der öffentlichen Urkunde zu prüfen (Schaub in Bauer/von Oefele § 35 Rn. 141 mit 112). Diese bemisst sich nach dem Beurkundungsgesetz (siehe §§ 8 ff.). Namentlich ist die zwingende Beurkun...