Leitsatz (amtlich)
Zum Nachweis des Erbrechts nach § 2356 Abs. 1 S. 2 BGB durch Vorlage einer Kopie des Testaments und Zeugenbeweis.
Verfahrensgang
AG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 13.06.2012; Aktenzeichen 8 VI 154/11) |
Tenor
Auf die Beschwerden der Beteiligten zu 2), zu 3) und zu 4) wird der Beschluss des AG - Nachlassgericht - Dessau-Roßlau vom 13.6.2012 aufgehoben und der Antrag der Beteiligten zu 1) vom 3.3.2011 auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Antragsverfahrens sowie die zur Durchführung des Verfahrens in beiden Instanzen notwendigen außergerichtlichen Aufwendungen der Beteiligten zu 2) bis zu 4) zu tragen. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen.
Gründe
A. Der Erblasser war mit der am 19.5.1999 vorverstorbenen E. T. geb. R. verheiratet; die Eheleute hatten fünf gemeinsame Kinder, und zwar die Beteiligten zu 1) bis zu 4) sowie die am 25.7.1949 vorverstorbene Tochter A. T..
Es existiert ein Schriftstück vom 16.1.1996, das mit "Mein letzter Wille" überschrieben und mit dem Namenszug des Erblassers unterschrieben ist (künftig: Testament 1996). Nach dem Inhalt dieses handschriftlich in Druckschrift verfassten Dokuments setzte der Erblasser die Beteiligte zu 1) "zu meinen alleinigen Erben für mein Sparbuch" ein; sie solle auch "alle meine Guthaben" erhalten.
Es liegt ferner die Kopie eines gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute T. vom 7.7.1997 vor (künftig: Testament 1997), wonach sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben einsetzten und bestimmten, dass nach dem Tode des Letztversterbenden "der verbliebene Besitz zu gleichen Teilen unter den vier Kindern vererbt" werde. Wenn eines der Kinder die Grundstücke erwerben wolle, solle es die anderen drei Miterben auszahlen. Das Original dieses Testaments ist nicht auffindbar. Die Kopie hat die Beteiligte zu 4) mit Schreiben vom 22.9.2010 beim Nachlassgericht eingereicht.
Am 14.3.2007 eröffnete das AG - Nachlassgericht - Dessau ein handschriftlich gefertigtes Testament ohne Datumsangabe (künftig: Testament 2007), das wortgleich zum gemeinsamen Testament 1997 ist und augenscheinlich sowohl hinsichtlich des Textes als auch hinsichtlich beider Unterschriften vom selben Verfasser stammt. Dieses Schriftstück hatte der Erblasser am 23.1.2007 höchstpersönlich beim Nachlassgericht eingereicht.
Eine Nachbarin des Erblassers, C. F., hat mit Schreiben vom 6.1.2011 gegenüber dem Nachlassgericht angegeben, dass sie im Jahre 2006 mit dem Erblasser über die Notwendigkeit der Regelung der eigenen Angelegenheiten gesprochen und er erklärt habe, dass von einem gemeinsamen Testament mit seiner verstorbenen Ehefrau nur noch eine Kopie vorhanden sei. Daher habe er eine handschriftliche Abschrift dieses gemeinsamen Testaments gefertigt.
Am 8.3.2011 ist beim Nachlassgericht der Antrag des Beteiligten zu 2) auf Erteilung
eines Erbscheins eingegangen, der die Beteiligten zu 1) bis zu 4) jeweils zu einem Anteil von einem Viertel als (gesetzliche) Erben ausweisen solle (vgl. UR Nr. 28/2011 des Notars H. G. in G. vom 3.3.2011). Der Beteiligte zu 2) hat sich darauf berufen, dass ein wirksames Testament der Eheleute T. bzw. des Erblassers nicht vorliege und daher die gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.
Am 9.3.2011 ist der Antrag der Beteiligten zu 1) auf Erteilung eines Erbscheins eingegangen, der sie als Alleinerbin ausweisen solle (vgl. UR Nr. 540/2011 des Notars P. K. in D. vom 3.3.2011). Sie hat ihr Erbrecht auf das Testament 1996 gestützt, welches sie für wirksam hält.
Die Beteiligten zu 3) und zu 4) haben im Rahmen ihrer Anhörung erklärt, dass sie der Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheines, wie vom Beteiligten zu 2) beantragt, zustimmen, nicht aber der Erteilung eines Erbscheines, wie von der Beteiligten zu 1) beantragt.
Das Nachlassgericht hat die Akte 8 IV 14/07, betreffend die Eröffnung der o.g. Testamente, beigezogen und hieraus insbesondere auch das Gutachten der Dipl.-Psychologin S. vom 26.8.2011 über die Echtheit des Testaments 1996 verwertet. Es hat eine ergänzende Stellungnahme dieser Sachverständigen vom 31.10.2011 zu den Einwendungen des Beteiligten zu 2) gegen ihr Gutachten eingeholt.
In ihrer Anhörung vom 16.3.2012 hat die Sachverständige ihre schriftlichen Expertisen bekräftigt. Danach sei mit einer Wahrscheinlichkeit von bis zu 90 % davon auszugehen, dass der Erblasser sowohl den Textteil geschrieben als auch die Unterschrift unter dem Testament 1996 geleistet habe. Die Beteiligte zu 4) hat behauptet, dass das Testament 1997 eigenhändig von E. T. geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben worden sei und auf das Zeugnis von H. B. verwiesen (vgl. GA Bl. 129). Das Nachlassgericht hat insoweit darauf hingewiesen, dass bezüglich des Testaments 1997 zunächst ein neues Erbscheinserteilungsverfahren zum Nachlass der E. T. einzuleiten sei. Die Beteiligte zu 1) und der Beteiligte zu 2) haben jeweils im April 2012 weitere Schriftproben des Erblassers zur Gerichtsakte gereicht...