Leitsatz (amtlich)
1. Kann zum Nachweis des testamentarischen Erbrechts die Urschrift der Urkunde, auf die das Erbrecht gestützt wird, nicht vorgelegt werden, sondern nur eine Kopie, so können die Errichtung und der Inhalt des Testaments auch mit anderen Beweismitteln bewiesen werden.
2. Für den Widerruf eines Testaments durch Vernichtung der Originalurkunde hat derjenige Beteiligte die Feststellungslast zu tragen, der sich auf diese rechtsvernichtende Tatsache beruft. Die Nichtauffindbarkeit der Originalurkunde nach dem Tode des Erblassers begründet noch keine tatsächliche Vermutung, dass das Testament vom Erblasser mit Widerrufswillen vernichtet worden ist.
Verfahrensgang
AG Wittenberg (Beschluss vom 18.07.2011; Aktenzeichen 12 VI 374/11) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Nachlassgericht - Wittenberg vom 18.7.2011 aufgehoben.
Das AG - Nachlassgericht - Wittenberg wird angewiesen, dem Antragsteller einen Erbschein mit dem folgenden Inhalt zu erteilen:
Der am 22.4.2001 in W. verstorbene O. Sch. ist von
M. H.
allein beerbt worden
II. Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen.
Gründe
I. Der am 22.4.2001 verstorbene Erblasser hat keine gesetzlichen Erben hinterlassen. Zu diesem Ergebnis gelangte der eingesetzte Nachlasspfleger, Rechtsanwalt W. G., in seinem für das AG Wittenberg erstellten Abschlussbericht vom 24.8.2001. Der jetzige Antragsteller H. ist ein Neffe der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, L. Sch. geb. B..
Mit Schriftsatz vom 9.3.2011 reichte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers beim Nachlassgericht die Ablichtung eines handschriftlichen Testaments ein, das am 31.3.2011 eröffnet worden ist (Az.: 12 IV 137/11 AG Wittenberg). Das dem äußeren Anschein nach auf kariertem Papier geschriebene Testament hat folgenden Wortlaut:
"Testament
Mein letzter Wille
Zu meinem alleinigen Erben berufe ich
M. H.
W.
D. Straße 168
W.
G. -Straße 15
...
den 22.4.1996
Sch.
O."
Das Original des vorstehenden Testaments ist bis zum heutigen Tag nicht aufgefunden worden.
Gestützt auf die Ablichtung der letztwilligen Verfügung vom 22.4.1996, hat der Beteiligte M. H. am 3.5.2011 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist.
Das AG - Nachlassgericht - hat den Antrag mit Beschluss vom 18.7.2011 zurückgewiesen. Zwar könne - so das erstinstanzliche Gericht - auch die Kopie eines Testaments zum Nachweis eines Erbrechts ausreichen. Dies setze allerdings voraus, dass zweifelsfrei feststehe, dass das Original tatsächlich vom Erblasser verfasst worden und der Verlust des Originals nicht auf einem Widerruf des Testaments, z.B. durch bewusste Vernichtung durch den Erblasser, zurückzuführen sei. Im vorliegenden Fall könne bereits die Urheberschaft des Originalschriftstücks nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden, weil die Kopie auffällige Abweichungen bezüglich des Schriftbildes und der Musterung des verwendeten Papierblattes aufweise. Auch die Einholung eines graphologischen Gutachtens werde nicht zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts beitragen; insofern fehle es an ausreichendem Schriftmaterial für Vergleichszwecke. Davon abgesehen stehe hier auch nicht mit hinreichender Sicherheit fest, dass der Erblasser das Original des Testaments lediglich verloren und nicht etwa seine letztwillige Verfügung bewusst durch Vernichtung der Originalurkunde widerrufen habe. Beide Alternativen seien gleichermaßen wahrscheinlich.
Gegen den ihm am 8.8.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 22.8.2011, der noch am selben Tage beim AG eingegangen ist, Beschwerde eingelegt, mit der er seinen Antrag auf Erteilung des Erbscheins als Alleinerbe weiterverfolgt. Der Antragsteller hat sich darauf berufen, dass der Nachweis eines testamentarischen Erbrechts auch durch die Vorlage einer Kopie geführt werden könne. Die Authentizität der Kopie lasse sich sowohl mit Hilfe eines graphologischen Gutachtens als auch durch Vernehmung seiner als Zeugin benannten Ehefrau überprüfen. Bei Unauffindbarkeit der Testamentsurkunde im Original spreche auch keine Vermutung dafür, dass der Erblasser sie in Widerrufsabsicht vernichtet habe.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde in seinem Beschluss vom 30.8.2011 nicht abgeholfen und die Sache zunächst dem LG Dessau-Roßlau zur Entscheidung vorgelegt, das die Akte durch Verfügung vom 8.9.2011 zuständigkeitshalber an das OLG weitergeleitet hat.
Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.2.2012 Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau des Beteiligten, M. H., als Zeugin. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom selben Tage Bezug genommen.
II. Die Beschwerde des Antragstellers H. ist gem. §§ 58 ff. FamFG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Der Antragsteller ist durch testamentarische Verfügung vom 22.4.1996 vom Erblasser zu dessen Alleinerben eingesetzt worden (§ 1937 BGB).
1. Gemäß §§ 2355, 2356 Abs. 1 S. 1 BGB ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlic...