Leitsatz (amtlich)
Keine Haftung des Herstellers des Motors OM 642 in einem Mercedes-Benz ML 350 BlueTEC 4MATIC gemäß § 826 BGB wegen eines sogenannten "Thermofensters", einer "Kühlmittelsolltemperatur-Regelung" und weiterer behaupteter unzulässiger Abschalteinrichtungen.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Urteil vom 22.03.2021; Aktenzeichen 4 O 337/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 22. März 2021 verkündete Einzelrichterurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal geltend.
Wegen der Einzelheiten des in erster Instanz unstreitigen und streitigen Sachverhalts und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Ergänzend und klarstellend wird ausgeführt:
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz zustehe.
Zwar sei eine Verjährung nicht ersichtlich, da die Presse frühestens im Jahr 2017 über Daimler berichtet habe. Schadensersatzansprüche schieden jedoch aus, weil keine Motorsteuerungssoftware vorliege, die den Betrieb des Fahrzeuges auf dem Prüfstand erkenne und die Abgasbehandlung in einem anderen Modus als im realen Fahrbetrieb durchführe.
Das vorhandene "Thermofenster" stelle keinen sittenwidrigen Verstoß dar. Dem Kläger sei durch dessen Vorhandensein auch kein Schaden entstanden. Andere unzulässige Abschalteinrichtungen habe der Kläger nicht nachgewiesen. Soweit sich der Kläger auf eine unzulässige Ad-Blue-Dosierstrategie berufe, habe die Beklagte vorgetragen, dass das SCR-System nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auch und gerade im realen Straßenverkehr in Funktion sei. Diesem Vorbringen sei der Kläger nicht ausreichend entgegengetreten. Insbesondere fehle der Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug.
Zu den behaupteten Softwarefunktionen Bit 13 bis Bit 15 und einer sog. "Slipguard"-Funktion fehle es an einem substantiierten Vortrag. Ein Schädigungsvorsatz der Beklagten könne nicht festgestellt werden.
Die Rückrufaktionen der Beklagten aus dem Jahre 2019 beträfen Fahrzeuge der Abgasnorm Euro 5 und somit nicht das streitgegenständliche Fahrzeug. Auch die Rückrufaktion für das Fahrzeug des Klägers vom 21. Januar 2020 sei für die konkrete Annahme des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht ausreichend. Ein Bescheid des Kraftfahrtbundesamtes (kurz: KBA) vom 8. März 2018 liege nicht vor.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und rügt eine fehlerhafte Tatsachenfeststellung und eine unzutreffende Rechtsanwendung.
Das Landgericht berücksichtige den unstreitigen Umstand nicht ausreichend, dass für das streitgegenständliche Fahrzeug ein Rückrufbescheid seitens des KBA existiere, dessen Regelungen und Feststellungen die Zivilgerichte grundsätzlich als verbindlich zu beachten hätten. Das Landgericht habe daher bei seiner Entscheidung zu unterstellen gehabt, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen in den Verkehr gebracht worden sei.
Es habe entscheidungserheblichen Tatsachenvortrag des Klägers nicht nur unberücksichtigt gelassen, es habe auch die Anforderungen an die Substantiierungs- und Darlegungslast des Klägers rechtsfehlerhaft überspannt.
Zudem verkenne das Landgericht die bestehende sekundäre Darlegungslast der Beklagten zur genauen technischen Ausgestaltung der klägerseits behaupteten Funktionalitäten und die logische Notwendigkeit, dass erst bei genauer Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der Funktionalitäten eine Beurteilung der Frage erfolgen könne, ob die Beklagte vorsätzlich und sittenwidrig gehandelt habe.
Darüber hinaus verkenne das Ausgangsgericht die Anforderungen, welche in rechtlicher Hinsicht an den Sittenwidrigkeitsvorwurf zu stellen seien. Es verletze auch den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör, da es sich mit dem klägerischen Vortrag zu den Ad-Blue-Dosierstrategien faktisch überhaupt nicht auseinandersetze. Der Kläger habe in diesem Zusammenhang mit den Ad-Blue-Dosierstrategien mit unterschiedlich effektivem NOx-Nachbehandlungssystem konkrete Funktionalitäten behauptet und unter Beweis gestellt. Hätte das Ausgangsgericht diesen Prozessstoff verfahrensfehlerfrei berücksichtigt und gewürdigt, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
Es erfolge auch keine Auseinandersetzung mit dem klägerischen Vortrag zu den Abschalteinrichtungen Bit 13, Bit 14 und Bit 15 mit unterschiedlich effektivem NOx-Nachbehandlun...