Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung
Leitsatz (amtlich)
Rechtsmissbräuchliche Mehrfachverfolgung kann vorliegen, wenn das Hauptsacheverfahren vor rechtskräftigem Abschluss des Verfügungsverfahrens betrieben wird.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 23.02.2004; Aktenzeichen 3 O 3996/03) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 23.2.2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert wird auf 3.600 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger hat im Verfügungsverfahren gegen die Beklagte wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend gemacht. Die beantragte einstweilige Verfügung ist zunächst durch Beschluss des LG Nürnberg-Fürth (LG Nürnberg-Fürth v. 13.3.2003 - 1 HK O 2165/03) erlassen worden.
Der Aufforderung zur Abgabe einer Abschlusserklärung mit Schreiben vom 8.4.2003 kam die Beklagte nicht nach, sondern legte am 22.4.2003 Widerspruch gegen die Beschlussverfügung ein.
Daraufhin erhob die Klägerin wegen derselben Verletzungshandlung am 5.5.2003 Hauptsacheklage gegen die Beklagte.
Nach Aufhebung der Verfügung durch Urteil des LG Nürnberg-Fürth vom 10.7.2003 hat das OLG Nürnberg auf die Berufung des Klägers durch Endurteil vom 21.10.2003 (OLG Nürnberg, Urt. v. 21.10.2003 - 3 U 2708/03) dem Unterlassungsantrag des Klägers im Wege der einstweiligen Verfügung stattgegeben.
Die Beklagte erklärte sodann mit Schreiben vom 29.12.2003, den Verfügungstitel des OLG Nürnberg als einen rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichwertig anzuerkennen.
Daraufhin haben beide Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Mit Beschluss vom 23.2.2004 hat das LG dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a ZPO auferlegt mit der Begründung, die Klage wäre bei Fortführung des Rechtsstreits wegen rechtsmissbräuchlichen Vorgehens des Klägers gem. § 13 Abs. 5 UWG abzuweisen gewesen.
Gegen diesen, dem Kläger am 1.3.2004 zugestellten, Beschluss richtet sich dessen sofortige Beschwerde, eingegangen bei Gericht am 9.3.2004, mit der er erstrebt, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
II. 1. Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, §§ 91a Abs. 2 S. 1, 567 Abs. 1 ZPO, in der Sache jedoch ohne Erfolg.
Das LG hat mit zutreffender Begründung dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, weil er unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes bei einer Fortführung des Rechtsstreits voraussichtlich unterlegen wäre. Auch der Senat hält die Klage im Hauptsacheverfahren für rechtsmissbräuchlich gem. § 13 Abs. 5 UWG und damit für unzulässig.
Der Missbrauch ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Mehrfachverfolgung. Zu Recht weist das LG in diesem Zusammenhang auf die neuere Rechtsprechung des BGH (BGH v. 6.4.2000 - I ZR 67/98, GRUR 2001, 82 f. - neu in Bielefeld I; GRUR 2002, 715 f. - Scanner-Werbung; v. 6.4.2000 - I ZR 76/98, BGHZ 144, 165) sowie die Kommentarliteratur (Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 8. Aufl., Kapitel 51 Rz. 58; GRUR 2003, 278; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 13 Rz. 62) hin. Die dort entwickelten Grundsätze, missbräuchliches Verhalten i.S.d. § 13 Abs. 5 UWG dann anzunehmen, wenn der Unterlassungsgläubiger, ohne hierzu - etwa mit Blick auf den drohenden, auf andere Weise nicht zu verhindernden Eintritt der Verjährung - genötigt zu sein, neben dem Verfahren der einstweiligen Verfügung gleichzeitig ein Hauptsacheverfahren anstrengt, ohne abzuwarten, ob die beantragte Verfügung erlassen wird und der Schuldner dies in einer Abschlusserklärung als endgültige Regelung akzeptiert, sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Dies gilt, obwohl die Beklagte nach Erlass der einstweiligen Verfügung zunächst keine Abschlusserklärung abgegeben, sondern Widerspruch eingelegt hat. Denn dem Kläger war es - ohne die zeitliche Verzögerung seines Rechtsschutzes befürchten zu müssen - durchaus zuzumuten, den rechtskräftigen Abschluss des Verfügungsverfahrens abzuwarten. Dabei erschien es nach der Lebenserfahrung durchaus als möglich, dass eine Entscheidung des OLG die Beklagte zur Aufgabe ihrer Verweigerungshaltung bewegen könnte und sie die von dem Kläger geltend gemachten Unterlassungsansprüche ohne erneute Anrufung des Gerichts in einem Hauptsacheverfahren in kostensparender Weise erfüllen würde (zu ähnlichem Ergebnis bei vergleichbarem Sachverhalt gelangt das OLG Düsseldorf unter dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO in GRUR 1991, 479). Dass im vorliegenden Verfahren eine endgültige Regelung nach rechtskräftigem Abschluss des Verfügungsverfahrens - entgegen der Auffassung des Klägers - zu erwarten war, zeigt gerade das Verhalten der Beklagten, die nach dem Urteil des OLG Nürnberg in ihrer Erklärung vom 29.12.2003 den Verfügungstitel des OLG als einem rechtskräftigen Hauptsachetitel gleichwertig anerkannt hat.
Da im vorliegenden Fall keinerlei vernünftige Gründe ...