Verfahrensgang
LG Osnabrück (Aktenzeichen 4 O 3243/21) |
Tenor
I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
II. Der Senat lässt sich bei seiner Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Gründe
1. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Kaufpreises abzgl. eines Nutzungsersatzes Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus Garantie noch aus §§ 826, 31 BGB oder § 823 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18, 26 und 46 der Richtlinie 2007/46/EG.
a. In Ermangelung einer vertraglichen Beziehung der Parteien kommt allein eine deliktische Haftung der Beklagten in Betracht. Insbesondere handelt es sich bei der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht an den Käufer adressiert ist, sondern gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nicht um eine Garantieerklärung i. S. d. § 443 BGB (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 7.9.2023 - 6 U 1873/22; BeckRS 2023, 25585; OLG Frankfurt, Urteil vom 03.03.2023 - 19 U 222/22, BeckRS 2023, 3833 Rn. 68 ff.; OLG München, Beschluss vom 25.04.2023 - 27 U 7201/22 e, BeckRS 2023, 10351 Rn. 28). Mit der Erstellung der Übereinstimmungsbescheinigung, mit der bestätigt wird, dass das konkrete auf den Markt gebrachte Fahrzeug den Vorgaben der EG-Typgenehmigung entspricht, erfüllt der Hersteller eine gesetzliche Verpflichtung und schafft die Voraussetzungen der (Erst-)Zulassung des auf den Markt gebrachten Fahrzeugs (§ 6 Abs. 3 FZV). Dass der Hersteller über diese gesetzliche Pflichterfüllung hinaus in besonderem Maße Vertrauen in Anspruch nehmen oder eine Zusicherung abgeben will, erschließt sich nicht (OLG Zweibrücken, Hinweisbeschluss vom 01.02.2023 - 7 U 94/21, BeckRS 2023, 3009 Rn. 3 m.w.N.).
Eine vertragliche oder sonst eine (verschuldensunabhängige) Haftung aus einer Garantieerklärung des Fahrzeugherstellers ergibt sich auch aus den jüngst ergangenen Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 26.06.2023 (Az. VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22, juris) nicht.
b. Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB zu Recht verneint. Ein solcher Anspruch wäre begründet, wenn die Beklagte dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt hätte. Der Senat vermag auf der Grundlage des unstreitigen Sachvortrags und der klägerischen Behauptungen im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung kein sittenwidriges Handeln der Beklagten zu erkennen.
Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist geklärt, dass die Verwendung einer temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate selbst dann nicht ausreicht, um dem Verhalten der für einen Fahrzeughersteller handelnden Personen ein objektiv sittenwidriges Gepräge im Sinne des § 826 BGB zu geben, wenn die Funktion in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Der darin liegende Gesetzesverstoß wäre für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Funktion als besonders verwerflich erscheinen zu lassen, so dass die Annahme eines objektiv sittenwidrigen Handelns im Sinne des § 826 BGB jedenfalls darüber hinaus voraussetzt, dass diese Personen bei der Entwicklung oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung der Abgasrückführungsrate in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021, aaO Rn. 16 ff.; BGH, Beschluss vom 15. September 2021 - VII ZR 2/21, juris Rn. 12; BGH, Urteil vom 23. September 2021 - III ZR 200/20, juris Rn. 22).
Nach diesen Grundsätzen lässt sich in Bezug auf die Verwendung eines Thermofensters ein Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung und eine billigende Inkaufnahme des darin liegenden Gesetzesverstoßes nicht feststellen. Denn der Kläger hat keine tragfähigen Anhaltspunkte dargelegt und unter Beweis gestellt, die für ein derartiges Vorstellungsbild der für die Beklagte handelnden Personen sprechen könnten.
Der Umstand, dass hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps ein verpflichtender Rückruf durch das Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet wurde, belegt - anders als etwa das Vorhandensein einer Prüfstandserkennung - weder unmittelbar für sich bereits eine Arglist der Beklagten bzw. der für...