Tenor

1. Das Verfahren wird ausgesetzt.

2. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden gemäß Art. 267 AEUV folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates zur Vorabentscheidung vorgelegt:

a) Ist Art. 14 der Richtlinie 2008/48 dahin auszulegen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr besteht, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?

b) Falls Frage a) verneint wird:

Steht Art. 14 der Richtlinie 2008/48 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaates entgegen, die dazu führt, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn der Kreditvertrag von beiden Parteien vollständig erfüllt worden ist?

c) Falls Frage a) verneint und Frage b) bejaht wird:

Steht Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2008/48 einer Regelung im nationalen Recht eines Mitgliedstaates entgegen, nach der ein Verbraucher, der sein auf Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2008/48 beruhendes Widerrufsrecht wirksam ausgeübt hat, gegen den Kreditgeber einen Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen hat, die der Kreditgeber aus den vom Verbraucher bis zum Widerruf an den Kreditgeber geleisteten Zahlungen gezogen hat?

 

Gründe

I. Der Kläger macht im Ausgangsrechtsstreit Ansprüche gegen die beklagte Bank geltend, nachdem er den Widerruf eines mit der Beklagten zur Finanzierung des Kaufpreises eines PKW abgeschlossenen Kreditvertrages erklärt hat.

1. Mit Vertrag vom 16. Juni 2012 gewährte die Beklagte dem Kläger als Verbraucher ein Darlehen über einen Nettodarlehensbetrag von 19.791,56 Euro. Das Darlehen diente ausschließlich der Finanzierung des Kaufs eines PKW und die Beklagte bediente sich bei der Vorbereitung des Kreditvertrages der Mitwirkung des Verkäufers des PKW, an den der Kläger außerdem eine Anzahlung leistete. Der Kläger leistete planmäßig die im Vertrag vorgesehenen monatlichen Raten und erbrachte zuletzt im Mai 2015 absprachegemäß eine Zahlung zur endgültigen Ablösung des Darlehens. Die Beklagte gab daraufhin im Mai 2015 die ihr zur Verfügung gestellten Sicherheiten frei; der Kreditvertrag war spätestens damit beiderseits vollständig erfüllt und abgewickelt.

Mit Schreiben vom 25. September 2018 erklärte der Kläger den Widerruf des Kreditvertrages mit der Begründung, ihm seien im Kreditvertrag nicht sämtliche Pflichtangaben gemacht worden, deren Erteilung gemäß Art. 14 Abs. 1, Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2008/48 und der zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen nationalen Rechtsvorschriften Voraussetzung für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist ist; etwa finde sich - was zutrifft - in den Vertragsunterlagen keine bezifferte Angabe des im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Verzugszinssatzes.

Nachdem die Beklagte den Widerruf nicht akzeptierte, beantragt der Kläger im Ausgangsrechtsstreit im Wesentlichen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.342,44 Euro nebst Zinsen seit dem 23. November 2018 und Rechtsanwaltskosten zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs.

Dabei setzt sich der geltend gemachte Betrag zum einen zusammen aus der Summe der vom Kläger an die Beklagte erbrachten Raten in Höhe von insgesamt 21.513,33 Euro zuzüglich der an das Autohaus geleisteten Anzahlung in Höhe von 3.708,44 Euro.

Weiter macht der Kläger einen behaupteten Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen geltend, die die Beklagte aus den von ihm geleisteten Zahlungen jeweils ab Zahlung gezogen habe in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, nach Behauptung des Klägers insgesamt 3.995,92 Euro.

Auf seine Ansprüche möchte sich der Kläger nur einen Nutzungsersatz für mit dem finanzierten PKW gefahrene rund 96.000 Kilometer in Höhe von 4.875,25 Euro anrechnen lassen.

2. Das Landgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne sich mehr als drei Jahre nach beiderseitiger vollständiger Erfüllung des Kreditvertrages gemäß § 242 BGB nicht mehr auf ein Widerrufsrecht berufen. Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Anliegen weiterverfolgt.

Nachdem der vorlegende Senat unter Zugrundelegung der entsprechenden ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Kläger zunächst darauf hingewiesen hatte, dass er das Urteil des Landgerichts für richtig halte, hat der vorlegende Senat zuletzt das Vorabentscheidungsverfahren abgewartet, das mit dem Urteil des Gerichtshofs vom 9. September 2021, C-33/20, C-155/20 und C-187/20, ECLI:EU:C:2021:736, geendet hat.

3. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt davon ab, ob dem Kläger beim streitgegenständlichen Kreditvertrag, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48 fällt, bei Abgabe seiner Widerrufserklärung noch ein Widerrufsrecht zustand und ggf. welche Rechtsfolgen ein wirksamer Widerruf hat.

Diesbezüglich bestehen Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts, die nach Beurteilung de...

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