Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbausschlagung/Sozialhilfe. vormundschaftsgerichtlicher Genehmigung einer Erbschaftsausschlagung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Versagung einer vormundschaftlichen Genehmigung kann der Betreuer nur namens der Betreuten anfechten.
2. Die Ausschlagung eines Erbteils, der einem Betreuten angefallen ist, durch den Betreuer ist in der Regel nicht genehmigungsfähig. Dies gilt besonders, wenn dadurch ein Zugriff des Sozialhilfeträgers verhindert wird.
Normenkette
BGB § 1822 Nr. 2, § 1942; BSHG § 2; BGB § 1908i; BSHG § 88
Verfahrensgang
LG Heilbronn (Aktenzeichen 1b T 215/99) |
Gründe
Aus den Gründen:
I.
Der Betreuer begehrt die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung (§ 1822 Nr. 2 iVm § 1908 i BGB) der von ihm für die Betreute erklärten Ausschlagung einer Erbschaft.
1. Die 1966 geborene Betreute – die einen 1972 geborenen gesunden Bruder hat – leidet seit ihrer Pubertät an einer inzwischen chronischen Schizophrenie. 1990 hat das Vormundschaftsgericht zunächst Vermögenspflegschaft angeordnet und den Vater der Betroffenen zum Pfleger bestellt. 1992 wurde diese Pflegschaft in eine Betreuung übergeleitet und 1997 unter Erweiterung auf die Gesundheitsfürsorge bis Ende 2001 verlängert. Die Betreute lebt seit Mitte 1990 in einer beschützenden Einrichtung der Diakonie; die monatlichen Kosten von ca. 6500 DM nebst Taschengeld und Kleiderpauschale trägt der Landeswohlfahrtsverband als Sozialhilfeträger.
2. Der 1998 kinderlos und ledig verstorbene Onkel der Betreuten, einziger Bruder ihres Vaters, hat 1991 ein notarielles Testament errichtet mit folgendem Inhalt:„Zu meinen Erben setze ich ein die Abkömmlinge meines Bruders … und zwar entsprechend den Regeln der gesetzlichen Erbfolgeordnung”. Der Nachlass besteht im wesentlichen aus einem hälftigen Erbteil des Onkel am väterlichen Nachlass, bestehend aus dem hälftigen Miteigentumsanteil an einem kleinen bebauten Grundstück sowie 2 unbebauten Grundstücken von insgesamt ca 850 qm; der auf die Betreute entfallende Anteil würde 1/8 an diesem Grundvermögen betragen.
Der Betreuer hat zu Protokoll des Nachlassgerichts den der Betreuten angefallenen Erbteil ausgeschlagen, was rechtlich zur Folge hat, dass dieser Teil dem Bruder der Betreuten anwächst, dieser also Alleinerbe seines Onkels wird. Der Mutter des Erblassers – die ebenfalls in einem Pflegeheim lebt – steht ein Pflichtteilsanspruch von ¼ zu.
Zugleich hat der Betreuer die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung dieser Ausschlagung beantragt unter Hinweis auf eine abzuschließende Vereinbarung seines Sohnes mit seiner Tochter, vertreten durch einen zu bestellenden Ergänzungspfleger. Nachdem das Vormundschaftsgericht nach § 1909 BGB einen Ergänzungspfleger für die Betreute bestellt hatte, schloss dieser mit dem Bruder der Betreuten eine Vereinbarung, wonach sich dieser verpflichtet, seiner Schwester„solche Zuwendungen als Gegenleistung zu erbringen, auf die der Sozialhilfeträger nicht zugreifen kann und auch vom Sozialhilfeträger nicht erbracht werden. Diese Zuwendungen werden nicht limitiert.”, woraus im Vertrag ausdrücklich gefolgert wird:„Die Ausschlagung erfolgte daher zu Gunsten des behinderten Kindes.”
3. Das Vormundschaftsgericht hat die beantragte Genehmigung unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Unterhaltsverzicht zum Nachteil des Sozialhilfeträgers wegen Verstoßes gegen § 138 BGB versagt. Dagegen hat sich der Betreuer mit der Beschwerde – ausdrücklich im eigenen Namen – unter Bezugnahme auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zum sog. Behinderten-Testament gewandt. Das Landgericht hat sich der Bewertung des Vormundschaftsgerichts angeschlossen und die Beschwerde des Betreuers zurückgewiesen.
Der Betreuer hat zu Protokoll des Vormundschaftsgerichts „für die Betreute” weitere Beschwerde eingelegt. Er macht insbesondere geltend, die von ihm erklärte Ausschlagung diene allein dem Wohl der Betreuten, weil ihr so über die Leistungen der Sozialhilfe hinaus weitere Leistungen zu Gute kämen; auch das Vormundschaftsgericht habe im Genehmigungsverfahren ausschließlich das Wohl der Betreuten und nicht fiskalische Interessen zu verfolgen; wie § 83 InsO bestätige, handle es sich bei der Erbschaftsausschlagung um ein höchstpersönliches Gestaltungsrecht, das einem Gläubigerzugriff entzogen sei.
II.
1. Die (unbefristete) weitere Beschwerde der (vom Betreuer vertretenen) Betreuten ist als Rechtsbeschwerde (§ 27 Abs. 1 FGG) statthaft und auch im übrigen in zulässiger Weise eingelegt.
Ein Beschwerderecht steht nach ganz überwiegender Meinung dem Betreuer nurnamens der Betreuten zu (§ 20 FGG), weil das ihr zustehende Ausschlagungsrecht durch die vormundschaftsgerichtliche Genehmigungsversagung beeinträchtigt ist (vgl. Senat BWNotZ 1997, 147; BayObLG FGPrax 1996, 147; Keidel/Kahl, FGG 14. Aufl., § 20 Rn 58 f; Soergel/Zimmermann, BGB 13. Aufl. 2000, § 1828 Rn 22; Staudinger/Engler, 12. Aufl. 1994, § 1828 Rn 55; Erman/Holzhauer, BGB 10. Aufl. 2000, § 1828 Rn 16). Die eigene Rechtssphäre des Betreuers ist durch...