Leitsatz (amtlich)
Wer aus einer ihm nicht näher bekannten Quelle eine Banküberweisung erhält, kann sich nicht auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn er sich bewusst der Einsicht verschließt, dass er das Geld nicht behalten bzw. verwenden darf (hier: Bereicherungsschuldner wird über ein soziales Netzwerk durch eine unbekannte Person aufgefordert, internationale Transaktionen in der Größenordnung von 10.000,00 Euro über ein pseudonymisiertes Zahlungssystem vorzunehmen).
Normenkette
BGB §§ 242, 254, 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2, § 819 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 02.07.2021 wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.944,85 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.08.2018 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten von 887,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.09.2018 zu zahlen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen. Gerichtliche Auslagen und Gebühren, die durch das aufgehobene Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 25.03.2019 und durch das Berufungsverfahren 9 U 308/19 entstanden sind, werden nicht erhoben.
III. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Streitwert des Berufungsverfahrens 8.499,69 Euro
Gründe
A Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ausgleich für drei auf dessen Konto geleistete Überweisungen.
Hans Z. unterhält bei der Klägerin ein Bankkonto. Am 01.08.2018 wurden bei der Klägerin drei Überweisungsaufträge eingereicht, demgemäß insgesamt 9.944,85 Euro auf ein Konto des Beklagten überwiesen werden sollten, und zwar
- ein Überweisungsauftrag über 3.299,40 Euro mit dem Verwendungszweck "Rechnung 5647390",
- ein Überweisungsauftrag über 3.297,65 Euro mit dem Verwendungszweck "Rechnung 5673219" und
- ein Überweisungsauftrag über 3.347,80 Euro mit dem Verwendungszweck "Rechnung 4314271".
Die Klägerin führte diese Aufträge aus. Da der Kontoinhaber Herr Z. diese Überweisungen jedoch nicht in Auftrag gegeben hat - seine Unterschriften auf den Überweisungsträgern sind gefälscht - schrieb ihm die Klägerin die Beträge wieder gut.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten die Rückzahlung des Geldes und stützt ihren Anspruch auf § 812 Absatz 1 Satz 1 Alt. 2 BGB, hilfsweise auf § 823 Absatz 2 BGB i.V.m. § 261 Absatz 2 Nr. 1 und Absatz 5 StGB.
Der Beklagte erhebt den Einwand der Entreicherung. Er habe am 06.06.2018 über das in Russland verbreitete soziale Netzwerk V. die Anfrage erhalten, im Auftrag einer Firma S. in Deutschland Bitcoins zu erwerben (Anlage B 1). Auftragsgemäß habe er am 02.08.2019 von der gutgeschriebenen Summe 8.497,19 Euro verwendet, um Bitcoins zu erwerben, und diese auf die Bitcoin-Geldbörse des Auftraggebers übertragen. Eine für den folgenden Tag vorgesehene Übertragung von Bitcoins im Wert von 1.000,00 Euro habe der Beklagte nicht mehr vorgenommen, weil er an diesem Tag die Nachricht seiner Bank erhalten habe, dass die Beträge zurückgefordert werden. Diesen Betrag nebst seiner Gebühr von 445,16 Euro habe er der Klägerin angeboten. Er erkenne die Forderung über 1.445,16 Euro an. Nicht er, der Beklagte, sondern die Klägerin habe leichtfertig gehandelt, weil sie mehrere am Tag eingeworfene Verfügungen ungeprüft ausgeführt habe.
Am 25.03.2019 verurteilte das Landgericht den Beklagten zunächst antragsgemäß. Jenes Urteil hob der 9. Zivilsenat am 29.07.2020 (Az. 9 U 308/19) mit der Begründung auf, es handele sich um ein Scheinurteil. In jenem Berufungsverfahren trug der Beklagte streitig vor, es sei ihm in einem Skype-Gespräch am 13.06.2018 mitgeteilt worden, dass die Firma S. noch Kunden in Deutschland habe, die Rechnungen auf ein EU-Konto bezahlen wollten.
Mit seinem nun angefochtenen Urteil vom 02.07.2021 verurteilte das Landgericht den Beklagten zur Zahlung des anerkannten Betrags von 1.445,16 Euro nebst Zinsen ab dem 24.08.2018. Im Übrigen wies es die Klage ab. Der Beklagte hafte nicht verschärft gemäß § 819 BGB und dürfe sich deshalb auf den Einwand der Entreicherung berufen. Die Begleitumstände seien nicht dubios. Dass das Geld vom Konto eines Dritten kam, reiche für die Annahme einer Bösgläubigkeit nicht aus. Die den Erwerb von Bitcoins in Auftrag gebende Firma habe mitgeteilt, dass sie noch Kunden in Deutschland habe, welche Rechnungen auf ein EU-Konto zahlen wollten.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre weitergehenden Ansprüche.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 05.07.2021 abzuändern und den Beklagten kostenpflichtig zu verurteilen,
1. an die Klägerin weitere EUR 8.662,44 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.01.2...