Leitsatz (amtlich)
Das selbständige Beweisverfahren ist nicht bereits dann beendet, wenn die Parteien nach Übersendung des schriftlichen Sachverständigengutachtens eine richterliche Frist "zur eventuellen Stellungnahme" nicht nutzen.
Normenkette
ZPO §§ 411-412, 492
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 08.05.2012; Aktenzeichen 3 OH 29/07) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 8.5.2012 - 3 OH 29/07 aufgehoben. Der Antrag auf Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens und Anhörung des Sachverständigen A. wird zu erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde - an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Antragsteller haben mit Antragsschrift vom 23.6.2007 über das Vorhandensein von Mängeln in ihrem Hausanwesen ein selbständiges Beweisverfahren eingeleitet. Mit Beschluss vom 25.8.2011 (GA II Bl. 360 ff.) hat das LG den Sachverständigen A. beauftragt, seine bereits erstatteten Gutachten nach Maßgabe von sieben Fragestellungen zu ergänzen. Der Sachverständige hat sodann am 1.3.2012 eine dritte Ergänzung zum Gutachten vorgelegt. Mit Verfügung vom 8.3.2012 (GA II Bl. 370; ab S. 362 ist die Akte fehlerhaft foliiert) hat das LG das Gutachten beiden Verfahrensbevollmächtigten zugeleitet und hierbei eine Gelegenheit "zu einer eventuellen Stellungnahme binnen drei Wochen" gegeben.
Mit Schriftsatz vom 3.4.2012 (GA II Bl. 383) hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller beantragt, die ihm gesetzte Frist zur Stellungnahme zum dritten Gutachten des Sachverständigen A. um drei weitere Woche zu verlängern. Diesem Antrag ist das LG nicht nachgekommen, sondern hat den Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller mit Verfügung vom 4.4.2012 (GA II Bl. 383) darauf hingewiesen, dass das Verfahren nach Ablauf der gesetzten Frist abgeschlossen sei. Mit Schriftsatz vom 24.4.2012 (GA II Bl. 387 ff.) hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller Gegenvorstellung gegen die gerichtliche Verfügung vom 4.4.2012 erhoben und den Antrag gestellt, das Beweissicherungsverfahren fortzusetzen. Zugleich hat der Verfahrensbevollmächtigte Anhörungsrüge erhoben und hierbei die Auffassung vertreten, dass das Verfahren des LG die Antragsteller in ihrem Grundrecht auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletze. Mit Beschluss vom 8.5.2012 (GA II Bl. 389 f.) hat das LG der Gegenvorstellung nicht abgeholfen.
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit der am 18.5.2012 eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie vertreten die Auffassung, dass die Ablehnung der Schriftsatznachlassfrist das rechtliche Gehör verletze. Das LG habe fehlerhaft unterstellt, dass das Gutachten den Antragstellern spätestens am 12.3.2012 vorgelegen haben müsse. Tatsächlich sei die Verfügung vom 8.3.2012 dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller erst am 13.3.2012 vorgelegt worden.
Die Antragsteller beantragen, unter Abänderung des Beschlusses des LG Saarbrücken vom 8.5.2012 das LG anzuweisen, Termin zur mündlichen Erläuterung des 3. Ergänzungsgutachtens durch den Sachverständigen A. zu bestimmen.
Mit Beschluss vom 21.5.2012 (GA II Bl. 295 f.) hat das LG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen OLG zur Entscheidung vorgelegt.
II.1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig:
a) Gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO findet die sofortige Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidungen der LG statt, wenn es sich um eine solche Entscheidung handelt, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert und durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Rechtsmittels gegeben: Der mit Verfügung vom 4.4.2012 und konkludent mit Beschluss vom 8.5.2012 zurückgewiesene Antrag war darauf gerichtet, das selbständige Beweisverfahren durch Anhörung des Sachverständigen fortzuführen.
b) Freilich hat die Auslegung des § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO aus systematischen Erwägungen bei das selbständige Beweisverfahren betreffenden Entscheidungen eine Einschränkung erfahren. So ist insb. die Entscheidung, mit der ein Antrag nach § 492 Abs. 1, § 412 ZPO auf Einholung eines weiteren Gutachtens zurückgewiesen worden ist, mit der sofortigen Beschwerde nicht anfechtbar (BGH, Beschl. v. 9.2.2010 - VI ZB 59/09, MDR 2010, 767; Zöller/Heßler, ZPO, 29. Aufl., § 567 Rz. 34; P/G/Lohmann, ZPO, 4. Aufl., § 567 Rz. 9). Dem liegt die Erwägung zugrunde, Wertungswidersprüche zur Beweiserhebung im Hauptsacheverfahren zu vermeiden: Es erschiene ungereimt, den Parteien im selbständigen Beweisverfahren gegen die Ablehnung der Entscheidung, ein weiteres Gutachten einzuholen, ein Beschwerderecht einzuräumen, während im Erkenntnisverfahren gegen eine ablehnende Entscheidung nach § 412 ZPO kein Rechtsmittel gegeben ist. Im vorliegenden Sachverhalt beansprucht diese Einschränkung keine Geltung: Das von den Antragstellern gerichtete Gesuch auf Anhörung des Sachverständigen war nicht auf eine Erg...