1 Leitsatz
Eine Sondernutzungsrechtsvereinbarung erlaubt eine bauliche Veränderung, wenn diese "Eingang in die Beschreibung des Sondernutzungsrechtes" gefunden hat oder nach dem Inhalt des Sondernutzungsrechtes üblicherweise vorgenommen wird.
2 Normenkette
§§ 10 Abs. 1 Satz 2, 16 Abs. 1 Satz 3, 20 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Wohnungseigentümer X errichtet im Jahr 2021 auf einer Gartenfläche, die einem Sondernutzungsrecht unterliegt ("Gartensondernutzungsrecht"), das seinem Wohnungseigentum zugeordnet ist, ein Holzhaus mit Betonfundament, das eine Grundfläche von 8 x 8 m aufweist. Das Gebäude wird zum Teil als Sauna benutzt. Ein anderer Teil wird als Schuppen verwendet, in dem Gartengeräte, Pflanzentöpfe, Holz, Outdoorsportgeräte wie Surfbretter und Fahrräder und ein Grill aufbewahrt werden. Zum anderen errichtet X eine zum Gartenhaus hinführende, in den Hang gebaute Betontreppe mit einer Länge von schätzungsweise 15 m und einer Breite von einem Meter. Nach der Gemeinschaftsordnung ist X befugt, im Rahmen der geltenden Gesetze, die seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Räume und Gebäudeteile beliebig zu verändern. Bauliche Veränderungen, für die nach § 22 Abs. 1 WEG a. F. eine einstimmige Beschlussfassung erforderlich ist (die Gemeinschaftsordnung stammt aus der Zeit vor dem 1.12.2020), sind jedoch nicht ohne eine solche zulässig. In einer Versammlung im Jahr 2022 finden die Beschlussanträge von Wohnungseigentümer K "Beseitigung des Gartenhauses auf der Sondernutzungsfläche von ..." und "Beseitigung der Betontreppe auf der Sondernutzungsfläche von ..." aufgrund eines Stimmenpatts keine Mehrheit. Das AG weist die darauf bezogenen Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklagen des K mit der Begründung ab, die Bauten des X seien im Rahmen des diesem eingeräumten Sondernutzungsrechts möglich gewesen.
4 Entscheidung
Das sieht das LG teilweise anders! Die Beschlussersetzungsklagen (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) seien begründet. K könne nach § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG ein Einschreiten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangen. Denn das Gartensondernutzungsrecht erlaube es nicht, das Holzhaus samt Betontreppe zu bauen. Eine Berechtigung zu baulichen Veränderungen ohne Gestattungsbeschluss und ohne Berücksichtigung der Voraussetzungen des § 20 WEG sei nur dann bereits Teil einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung, wenn die Baumaßnahme Eingang in die Beschreibung des Rechts gefunden habe oder nach dem Inhalt des Rechts üblicherweise vorgenommen werde und der Anlage dadurch kein anderes Gepräge verleihe. So liege es hier nicht. Dass ein Gartenhaus dem Zweck der Gartennutzung entspreche und die Gartengestaltung vom individuellen Geschmack abhänge, stünden dem "Zustimmungserfordernis nach § 20 WEG" nicht entgegen. Offenbleiben könne, ob neben der ordnungswidrigen Nutzung eine weitere Beeinträchtigung als Anspruchsvoraussetzung zu verlangen sei, da eine solche durch die optische Veränderung jedenfalls zu bejahen sei. Die Anfechtungsklagen seien hingegen tatsächlich unbegründet. Die Klagen könnten nur Erfolg haben, wenn lediglich die beantragte positive Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen hätte, also insoweit das Ermessen auf null reduziert gewesen sei. So liege es aber nicht.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine bauliche Veränderung. Diese ist rechtswidrig, wenn sie nicht durch einen Beschluss oder eine Vereinbarung gestattet ist. Da es im Fall keinen Beschluss gibt, kommt nur eine Vereinbarung in Betracht. Eine gesonderte Vereinbarung gibt es allerdings auch nicht. Es kann aber sein, dass sich die Gestattung in der Sondernutzungsrechtsvereinbarung "versteckt".
Sondernutzungsrechtsvereinbarung und Bauen
Der Begünstigte einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung ist zu baulichen Veränderungen befugt, wenn ihm die anderen Wohnungseigentümer diese gestatten. Die Gestattung kann beschlossen oder durch eine Gestattungsvereinbarung erteilt werden. Eine solche Gestattungsvereinbarung soll nach dem BGH vorliegen, "soweit bauliche Veränderungen Eingang in die Beschreibung des Sondernutzungsrechts gefunden haben" oder wenn sie "nach dem Inhalt des jeweiligen Sondernutzungsrechts üblicherweise vorgenommen werden und der Wohnungseigentumsanlage dadurch kein anderes Gepräge verleihen". Dem ist im Grundsatz zu folgen. Auf ein "Gepräge" oder eine "Üblichkeit" kommt es allerdings jeweils nicht an: Zu fragen ist (nur), ob eine bauliche Veränderung (gegebenenfalls nach einer Auslegung) gestattet ist. Ihre Nachteile sind unerheblich. Ist ein Wohnungseigentümer beispielsweise berechtigt, auf einem seinem Sondernutzungsrecht unterliegenden Balkon im Rahmen der Bauvorschriften nach freiem Ermessen einen – nicht näher beschriebenen – Wintergarten zu errichten, ist dies dahin auszulegen, dass der Balkon rundum verglast und als Innenwohnbereich genutzt werden darf. Ist ein Sondernutzungsrecht an einer Terrasse eingeräumt, darf der Berechtigte die Terrasse als solche errichten, ohne eine ausdrückliche Regelung diese aber nicht überdachen oder verglasen oder in den Garten hinein vergrößern. Auch ...