Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Nachbarschutz gegen die Zulassung einer weiteren Hinterlandbebauung im unbeplanten Innenbereich
Leitsatz (amtlich)
Der Vorderliegernachbar kann im unbeplanten Innenbereich eine artgleiche Bebauung in der zweiten Reihe nur nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebotes verhindern. Er hat keinen Anspruch auf Fortbestand einer faktischen Ruhezone auf einem fremden Baugrundstück.
Normenkette
LBO 1996 § 76; BauGB § 34 Abs. 1-2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen die Kläger.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 7.500,– Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die dem Beigeladenen im Wege des Vorbescheides erteilte Bebauungsgenehmigung zur Errichtung eines Ein- bis Zweifamilienwohnhauses mit Garage in A-Stadt.
Die Kläger sind seit dem Jahre 1983 Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks in A-Stadt, A-Straße, Gemarkung S., Flur…, Flurstück …. Dieses Grundstück entstand im Rahmen des Kaufs im Jahre 1983 durch eine Teilung des Flurstücks … in das straßennahe Flurstück … und das hammerförmige, weiter straßenfern gelegene Vorhabengrundstück, das aus den Flurstücken … besteht. Der Hammerstiel des Vorhabengrundstücks befindet sich auf einer Länge von etwa 16 m und einer Breite von 2,80 m von der Straße H. W. aus gesehen links vom Grundstück der Kläger und zwischen deren und dem Grundstück H. W. 19. Im hinteren Bereich hat das Grundstück eine Breite von etwa 16,50 und eine Tiefe von 19 m auf der rechten und von 24,50 m auf der linken Seite.
Rechts neben dem Grundstück der Kläger befindet sich ein weiteres hammerförmiges Grundstück, in dessen hinterem Bereich das Wohnhaus E-Straße steht.
Alle Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
1. Im Jahre 1990 beantragte Frau S., die seinerzeitige Eigentümerin des Vorhabengrundstücks, deren Erbengemeinschaft vorliegend beigeladen ist, entsprechend einer Vereinbarung im Kaufvertrag vom 19.04.1983 bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung zur Errichtung von zwei Doppelgaragen mit Nebenräumen auf dem Vorhabengrundstück. Die Beklagte lehnte den Antrag im Februar 1991. Der Widerspruch wurde mit Bescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 28.01.1992 unter Hinweis auf die Nichteinhaltung des erforderlichen Grenzabstandes zurückgewiesen. Die im März 1992 erhobene Klage wurde im September 1992 zurückgenommen.
2. Im März 1993 beantragte Frau S. bei der Beklagten die Erteilung einer Baugenehmigung für fünf Pkw-Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück. Diesen Antrag lehnte die Beklagte unter dem 29.07.1993 ab: Durch die geplante Anordnung der Stellplätze in dem nicht zum Straßenbereich zugeordneten Grundstück widerspreche die Maßnahme § 42 Abs. 7 LBO und stelle für das Grundstück A-Straße eine unzumutbare Belästigung dar. Die auf die Erteilung einer Baugenehmigung für die Autoabstellplätze gerichtete Klage wurde mit Urteil aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25.04.1996 – 2 K 207/93 – abgewiesen.
3. Im September 2002 beantragte Frau S. die Erteilung eines Vorbescheides zur Klärung der Frage, ob die Errichtung eines 1-2 Familienhauses mit Garage auf dem Grundstück möglich sei. In dem beiliegenden Plan ist ein Wohnhaus mit einer Breite von 8,00 m und einer Tiefe von 11,00 m auf dem Vorhabengrundstück dargestellt.
Mit dem streitigen Vorbescheid vom 10.03.2004 stimmte die Beklagte der Errichtung des von der am 23.02.2003 verstorbenen Frau S. geplanten Vorhabens zu: Das Vorhaben füge sich in die nähere Umgebung ein und sei wie in den Planvorlagen dargestellt bauplanungsrechtlich zulässig.
Gegen den Ihnen am 18.03.2004 zugestellten Vorbescheid erhoben die Kläger am 06.04.2004 Widerspruch: Das Vorhabengrundstück diene für sie der Ruhe und Erholung, die Hinterlandbebauung beeinträchtige diesen Ruhebereich massiv. Das Vorhaben verstoße zudem gegen die Baumschutzverordnung, weil sich auf dem Grundstück 5 Bäume (Zedern, Birken, Tannen, Pappeln) mit einem Baumdurchmesser von 60 cm befänden. Da füge sich ein Neubau nicht ein.
Mit Widerspruchsbescheid aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10.02.2006 wies der Stadtrechtsausschuss die Widersprüche der Kläger zurück: Das Vorhaben sei nach § 34 BauGB zu beurteilen, füge sich dort ein und sei insbesondere nicht rücksichtslos. Im Rahmen der Prüfung des Gebots der Rücksichtsnahme seien die gegenläufigen Interessen gegeneinander abzuwägen. Dabei falle ausschlaggebend ins Gewicht, dass die rückwärtige Grundstückssituation mehrfach vorbelastet sei, und zwar zum Einen durch das Wohnhaus H. W. 15a, das bis vor kurzem auch gewerblich genutzt worden sei und zum Anderen durc...