Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Geistiges und gewerbliches Eigentum. Arzneispezialitäten. Ergänzendes Schutzzertifikat. Laufzeit. Begriff ‚Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der Europäischen Union'. Berücksichtigung des Zeitpunkts des Beschlusses über die Genehmigung oder des Zeitpunkts der Bekanntgabe dieses Beschlusses

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 469/2009 Art. 13 Abs. 1

 

Beteiligte

Seattle Genetics

Seattle Genetics Inc

Österreichisches Patentamt

 

Tenor

1. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der [Europäischen Union]” nach Unionsrecht bestimmt wird.

2. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 469/2009 ist dahin auszulegen, dass der „Zeitpunkt der ersten Genehmigung für das Inverkehrbringen in der [Union]” im Sinne dieser Bestimmung der Zeitpunkt ist, zu dem der Beschluss über die Genehmigung für das Inverkehrbringen seinem Adressaten bekannt gegeben wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2014, in dem Verfahren

Seattle Genetics Inc.

gegen

Österreichisches Patentamt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader (Berichterstatterin) und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Seattle Genetics Inc., vertreten durch K. Bacon, Barrister, sowie durch M. Utges Manley, M. Georgiou und E. Amos, Solicitors,
  • der hellenischen Regierung, vertreten durch G. Alexaki und L. Kotroni als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
  • der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš als Bevollmächtigten,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch D. Kriaučiūnas und G. Taluntytė als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. September 2015

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Seattle Genetics Inc. (im Folgenden: Seattle Genetics) und dem Österreichischen Patentamt wegen der Berichtigung des Zeitpunkts des Ablaufs eines ergänzenden Schutzzertifikats (im Folgenden: Zertifikat).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EG) Nr. 726/2004

Rz. 3

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 1235/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2010 (ABl. L 348, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 726/2004) sieht vor:

„Ein unter den Anhang fallendes Arzneimittel darf innerhalb der Gemeinschaft nur in Verkehr gebracht werden, wenn von der Gemeinschaft gemäß dieser Verordnung eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden ist.”

Rz. 4

Nach Art. 10 der Verordnung Nr. 726/2004 ist es Sache der Europäischen Kommission, auf der Grundlage dieser Verordnung die Genehmigungen für das Inverkehrbringen zu erteilen.

Rz. 5

Art. 14 Abs. 1 der Verordnung Nr. 726/2004 lautet: „Unbeschadet der Absätze 4, 5 und 7 ist eine Genehmigung für das Inverkehrbringen fünf Jahre gültig.”

Verordnung Nr. 469/2009

Rz. 6

Die Erwägungsgründe 3 bis 5 und 7 bis 9 der Verordnung Nr. 469/2009 lauten wie folgt:

„(3) Arzneimittel, vor allem solche, die das Ergebnis einer langen und kostspieligen Forschungstätigkeit sind, werden in der Gemeinschaft und in Europa nur weiterentwickelt, wenn für sie eine günstige Regelung geschaffen wird, die einen ausreichenden Schutz zur Förderung einer solchen Forschung vorsieht.

(4) Derzeit wird durch den Zeitraum zwischen der Einreichung einer Patentanmeldung für ein neues Arzneimittel und der Genehmigung für das Inverkehrbringen desselben Arzneimittels der tatsächliche Patentschutz auf eine Laufzeit verringert, die für die Amortisierung der in der Forschung vorgenommenen Investitionen unzureichend ist.

(5) Diese Tatsache führt zu einem unzureichenden Schutz, der nachteilige Auswirkungen auf die pharmazeutische Forschung hat.

(7) Auf Gemeinschaftsebene sollte eine ei...

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