Leitsatz (amtlich)

1. Das Mitglied einer Scheinsozietät haftet nicht für Vertragsverletzungen aus einem Treuhandvertrag, wenn der vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt übernommene Treuhandauftrag keine anwaltstypische Tätigkeit darstellt.

2. Eine anwaltstypische Tätigkeit liegt dann nicht vor, wenn es dem Mandanten bei Abschluss des Treuhandvertrages ersichtlich nur auf die reine Vermögensbetreuung ankam und mit dem Treuhandvertrag keine rechtsberatenden Tätigkeiten verbunden sind bzw. diese derartig in den Hintergrund treten, dass ihnen keine eigenständige Bedeutung zukommt.

 

Normenkette

BGB §§ 31, 675; HGB § 128

 

Verfahrensgang

LG Lüneburg (Urteil vom 30.11.2005; Aktenzeichen 3 O 185/05)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30.11.2005 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des LG Lüneburg wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird gestattet, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe eines die vollstreckbare Forderung um 10 % übersteigenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger verlangt von der beklagten Rechtsanwältin Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus einem Treuhandvertrag durch die Rechtsanwältin H., der der Streit verkündet worden ist. Rechtsanwältin H. war von September 2003 bis April 2004 in der Kanzlei der Beklagten tätig, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob die Tätigkeit im Rahmen einer Sozietät oder als Angestellte erfolgte. Auf dem Briefbogen der Kanzlei war die Streitverkündete ohne weitere Einschränkungen als Rechtsanwältin aufgeführt.

Der Kläger beabsichtigte im Jahr 2003 die Aufnahme eines Kredits in beträchtlicher Höhe. Über ein Zeitungsinserat kam er in Kontakt mit dem Unternehmen

"Exklusiv ... D.D. und O.B.", das ihm die Vermittlung des gewünschten Kredits in Aussicht stellte. Als Provision für einen Kredit i.H.v. 10 Mio. EUR sollte der Kläger an das Vermittlungsunternehmen 200.000 EUR zahlen. Es wurde vereinbart, dass die Provision auf ein Treuhandkonto eingezahlt wird und nur dann darüber verfügt werden dürfe, wenn der Kredit auch erfolgreich vermittelt würde. Durch den für das Vermittlungsunternehmen auftretenden O.B. wurde die Streitverkündete als Treuhänderin vorgeschlagen. Am 8.10.2003 unterzeichnete der Kläger im Beisein von Herrn B. und der Streitverkündeten in den Kanzleiräumen der Beklagten einen Treuhandauftrag (Anlage K 1), der nicht auf einem Briefbogen der Kanzlei, sondern auf neutralem Briefpapier gedruckt wurde und in dem der Streitverkündeten die treuhänderische Verwaltung eines Betrages von 200.000 EUR übertragen wurde. Ebenfalls am 8.10.2003 unterschrieb der Kläger eine auf die "Kanzlei H.J. & Koll., vertreten durch Frau Rechtsanwältin A.A.H." lautende Vollmacht (Anlage K 4), wobei die Einzelheiten hierzu zwischen den Parteien streitig sind. Schließlich unterzeichnete er bei gleicher Gelegenheit auch einen Darlehensvertrag nebst Anlage über 10 Mio. EUR. Wegen der Einzelheiten des Treuhandauftrages, der Vollmacht und des Darlehensvertrages wird auf die in Kopie vorliegenden Unterlagen (Bl. 6, 57, 41-43 d.A.) Bezug genommen.

Der Kläger zahlte die vereinbarten 200.000 EUR auf ein Konto der Streitverkündeten ein, das auf dem Briefbogen der Kanzlei nicht als Bankverbindung der Kanzlei genannt wird. In den nachfolgenden Monaten kam es weder zur Auszahlung des Darlehens noch zur Weiterleitung bzw. Rückzahlung der 200.000 EUR. Dies führte zu diversen Nachfragen des Klägers, der von Herrn B. immer wieder hingehalten wurde, wobei auch die Streitverkündete beschwichtigend mitwirkte. Schließlich kündigte der Kläger den Treuhandauftrag mit Schreiben vom 21.6.2004 ggü. der Streitverkündeten, die inzwischen aus der Kanzlei der Beklagten ausgeschieden war und ein Büro in H. unterhielt. Die Kündigung widerrief er einige Tage später, nachdem er von dritter Seite erneut beschwichtigt worden war. Auch in der Folgezeit wurde das Darlehen jedoch nicht ausgezahlt, so dass er schließlich die Rückzahlung der hinterlegten 200.000 EUR verlangte. Diese waren jedoch nicht mehr verfügbar, weil die Streitverkündete bereits vier Tage nach Einzahlung des Betrages durch den Kläger mittels vier Schecks 95.000 EUR von dem Treuhandkonto abgehoben und bis zum 15.10.2003 Barabhebungen i.H.v. weiteren 145.000 EUR getätigt hatte. Das Treuhandkonto, auf das das Geld des Klägers und auch Gelder aus weiteren Treuhandaufträgen geflossen war, wurde bereits am 29.10.2003 aufgelöst.

Im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gelangte die Staatsanwaltschaft Stade zur Anklage gegen die Streitverkündete wegen Betruges und Untreue in 110 Fällen. Die Streitverkündete wurde zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt.

Mit der Klage hat der Kläger ggü. der Beklagten Zahlung von 200.000 EUR begehrt...

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