Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch des Insolvenzverwalters auf Rückgewähr von Arbeitslohn gem. §§ 130, 143 InsO folgt unmittelbar aus dem Gesetz, nicht aber aus dem Arbeitsverhältnis. Mithin handelt es sich nach der Natur des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses um einen Rechtsstreit i.S.v. § 13 GVG, der die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, nicht die des ArbG begründet.

 

Verfahrensgang

LG Rostock (Beschluss vom 25.11.2008; Aktenzeichen 10 O 331/08)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird geändert.

Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung der Rechtsanwältin ... Prozesskostenhilfe bewilligt.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der "N. Limited" mit Sitz in R. In dieser Eigenschaft beabsichtigt er, im Wege der Insolvenzanfechtung nach §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 143 InsO den Antragsgegner, einen früheren Arbeitnehmer der Schuldnerin, auf Rückgewähr erhaltener Lohnzahlungen i.H.v. insgesamt 5.143,67 EUR zur Insolvenzmasse vor dem LG Rostock in Anspruch zu nehmen. Hierzu hat er um Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren nachgesucht.

Mit Beschl. v. 25.11.2008 - zugestellt am 27.11.2008 - hat der Einzelrichter der 10. Zivilkammer des LG Rostock dem Antragsteller Prozesskostenhilfe mit der Begründung versagt, der beabsichtigten Rechtsverfolgung fehle die erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil für derartige Rückgewähranspruche des Insolvenzverwalters gegenüber Arbeitnehmern der Schuldnerin ausschließlich die ArbG zuständig seien. Für diese Auffassung hat er sich auf eine Entscheidung des BAG vom 27.2.2008 berufen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 15.12.2008 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er die von ihm angenommene Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit auch weiterhin für gegeben hält.

II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet, weil der beabsichtigten Rechtsverfolgung auch unter Berücksichtigung der Erwägungen des angefochtenen Beschlusses sowie der Nichtabhilfeentscheidung vom 6.1.2009 die erforderliche Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO) nicht abgesprochen werden kann.

1. Prozesskostenhilfe kann im vorliegenden Fall insbesondere nicht mit der Begründung versagt werden, für auf Rückzahlung von Arbeitsentgelt gerichtete Klagen des Insolvenzverwalters gegen Arbeitnehmer des Schuldners seien stets die besonderen Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit sachlich zuständig, nicht aber die ordentlichen Gerichte. Das Gegenteil ist der Fall.

Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit ergibt sich weder aus § 2 Abs. 1 Nr. 3a bzw. 3d ArbGG noch aus § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG. Denn der anfechtungsrechtliche Rückgewähranspruch findet seine Grundlage nicht im Arbeitsverhältnis, sondern in der anfechtbaren Rechtshandlung. Diese ist keine mit dem Arbeitsverhältnis im Zusammenhang stehende unerlaubte Handlung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3d ArbGG. Auch handelt es sich nicht um Nachwirkungen aus dem Arbeitsverhältnis oder überhaupt um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG. Vielmehr wird durch den Anfechtungstatbestand ein originäres gesetzliches Schuldverhältnis bürgerlich-rechtlicher Art begründet, aufgrund dessen der Empfänger der anfechtbaren Leistung verpflichtet wird, die empfangene Leistung zurückzugeben. Dieser Rückgewähranspruch folgt unmittelbar aus dem Gesetz, nicht aber aus dem Arbeitsverhältnis. Mithin handelt es sich nach der Natur des zu beurteilenden Rechtsverhältnisses um einen Rechtsstreit i.S.v. § 13 GVG, der die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet. Dies gilt nach einhelliger Auffassung in der einschlägigen Kommentarliteratur und nach der bisherigen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung auch dann, wenn die angefochtene Zahlung auf eine arbeitsrechtliche Forderung des Arbeitnehmers geleistet wurde (vgl. Jaeger/Henckel, InsO [2008], Rz. 168/169 zu § 143; Kreft in: HK-InsO, 5. Aufl. [2008], Rz. 97 zu § 129; Dauernheim in: FK-InsO, 5. Aufl. [2009], Rz. 45 zu § 143; Hirte in: Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl. [2003], Rz. 63 zu § 143; Kirchhof in MünchKomm/InsO, 2. Aufl. [2008], Rz. 30 zu § 146; Jacoby in: Bork (Hrsg.), Handbuch des Insolvenzanfechtungsrechts [2006] S. 472; LAG Schleswig-Holstein, ZIP 1995, 1756; LAG Rheinland-Pfalz, NZI 2005, 644 ff. = MDR 2005, 1247 ff.).

Soweit das BAG in seinem vom LG zitierten Beschluss vom 27.2.2008 (veröffentlicht u.a. in ZIP 2008, 667) eine abweichende Auffassung vertreten und in derartigen Fällen den Rechtsweg zu den ArbG für eröffnet angesehen hat, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Rechtsnachfolger des Arbeitgebers i.S.v. § 3 ArbGG ist. Auch wenn dieser Begriff nicht streng wörtlich, sondern in einem weiten Sinne verstanden werden muss, ist zweifelh...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge