Entscheidungsstichwort (Thema)
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Aussetzung durch einstweilige Anordnung des Rechtsbeschwerdegerichts wegen Nachteilen des Beschwerdeführers. Ausreichende Begründung der zulässigen Rechtsbeschwerde
Leitsatz (amtlich)
a) Das Rechtsbeschwerdegericht kann im Wege der einstweiligen Anordnung die Vollziehung der Entscheidung erster Instanz (hier: Eröffnung des Insolvenzverfahrens) aussetzen.
b) Eine Aussetzung kommt nur in Betracht, wenn durch die weitere Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als den anderen Beteiligten im Falle der Aussetzung, die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist und die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint. In aller Regel kann dies ohne eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Begründung der Rechtsbeschwerde nicht angenommen werden.
Normenkette
ZPO § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3; InsO §§ 4, 34
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts Korbach vom 1. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Durch Beschluß vom 1. Dezember 2001 hat das Amtsgericht auf Anträge der Beteiligten zu 1 und 2 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gemeinschuldnerin eröffnet und Rechtsanwalt Bo. zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beschluß ist der Beteiligten zu 1 am 5. Dezember 2001 zu Händen ihrer Geschäftsführerin B. zugestellt worden. Gegen diesen Beschluß hat die Beteiligte zu 1, vertreten durch den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer A. unter dem 7. Dezember 2001 sofortige Beschwerde eingelegt, die mit näherer Begründung darauf gestützt worden ist, daß es an einer Überschuldung der Beteiligten zu 1 mangele. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde durch Beschluß vom 30. Januar 2002 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat die Beteiligte zu 1 mit einem am 28. Februar 2002 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schriftsatz ihrer – beim Bundesgerichtshof zugelassenen – Verfahrensbevollmächtigten Rechtsbeschwerde eingelegt, die noch nicht begründet ist.
Mit Antrag vom 1. März 2002 beantragen ihre Verfahrensbevollmächtigten den Erlaß einer einstweiligen Anordnung des Inhalts, die Vollziehung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 1. Dezember 2001 auszusetzen. Zur Begründung des Antrages führen sie aus, die Aussetzung der Vollziehung sei nicht nur bei Erfolgsaussicht des Rechtsmittels möglich. Im derzeitigen Stadium sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage, diese näher zu begründen. Sie könne auch nicht darlegen, daß sie im Verfahren der ersten Beschwerde einen Antrag nach § 572 Abs. 3 ZPO a.F. gestellt habe. Darauf komme es indes nicht an.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die gegen die Entscheidung über die sofortige erste Beschwerde eingelegte Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich nach neuem Verfahrensrecht (vgl. § 26 Nr. 10 EGZPO), weil die angefochtene Entscheidung nach dem 31. Dezember 2001 erlassen worden ist. Nach der Neuregelung des Rechtsmittelrechts durch das Zivilprozeßreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ist der Beschwerdezugang zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe des § 574 Abs. 1 ZPO eröffnet. Danach ist gegen einen Beschluß die Rechtsbeschwerde unter anderem statthaft, wenn dies im Gesetz – wie hier in § 6 Abs. 1, § 34 InsO – bestimmt ist. Damit ist dem Rechtsbeschwerdeführer zugleich die Möglichkeit eröffnet, nach § 4 InsO i.V.m. § 575 Abs. 5, § 570 Abs. 3 ZPO n.F. um Aussetzung der Vollziehung der erstinstanzlichen Entscheidung nachzusuchen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist dabei nicht auf die in § 570 Abs. 3 Halbs. 2 ZPO vorgesehene Möglichkeit beschränkt, die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung, also der Entscheidung des Gerichts der ersten Beschwerde, auszusetzen. Es kann im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 570 Abs. 3 Halbs. 1 ZPO auch die Vollziehung der Entscheidung der ersten Instanz aussetzen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 570 Rn. 5).
2. Das Rechtsbeschwerdegericht hat über die beantragte einstweilige Anordnung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die drohenden Nachteile für die gesamte Gläubigerschaft gegeneinander abzuwägen (vgl. MünchKomm-InsO/Schmahl, § 34 Rn. 18). Die Aussetzung der Vollziehung einer erstinstanzlichen Entscheidung, die durch das Gericht der ersten Beschwerde bestätigt worden ist, wird regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch die (weitere) Vollziehung dem Rechtsbeschwerdeführer größere Nachteile drohen als den anderen Beteiligten im Falle der Aufschiebung der vom Insolvenzgericht beschlossenen Maßnahme, die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (vgl. HK-InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 34 Rn. 22; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 34 Rn. 18a)und die Rechtsbeschwerde zulässig erscheint. Dies setzt in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO voraus, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsordnung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. Nach § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO muß die Begründung der Rechtsbeschwerde diese Zulässigkeitsvoraussetzung darlegen.
Nach diesen Grundsätzen kommt vorliegend die Aussetzung der Vollziehung der das Insolvenzverfahren eröffnenden Entscheidung des Amtsgerichts nicht in Betracht.
a) Daß mit der weiteren Durchführung des Insolvenzverfahrens für die Beteiligte zu 1 überwiegende Nachteile verbunden sind, wird nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht erkennbar. Ein Vortrag hierzu ist auch nicht zwingend davon abhängig, daß den Verfahrensbevollmächtigten die Gerichtsakten zur Einsicht zur Verfügung gestanden haben. Beschwerdeführerin ist die Beteiligte zu 1, die im vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahren durch ihre Geschäftsführer vertreten wird. Es ist nicht erkennbar, wodurch die Geschäftsführer gehindert sein könnten, ihre Verfahrensbevollmächtigten über die der Gesellschaft drohenden Nachteile zu informieren.
Die Verfahrensbevollmächtigten haben um Entscheidung über die einstweilige Anordnung bereits in dieser frühen Phase des Rechtsbeschwerdeverfahrens gebeten. Die Beteiligte zu 1 muß es deshalb hinnehmen, daß der Senat ohne eine nähere Begründung überwiegende Gründe für die Aussetzung der Vollziehung nicht feststellen kann.
b) Entsprechendes gilt für die Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Das Landgericht hat den Eröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) im Kern mit der Begründung bejaht, die im einzelnen festgestellten liquiden Mittel der Beteiligten zu 1 reichten offenkundig nicht aus, die ebenfalls festgestellten fälligen Verbindlichkeiten innerhalb einer Monatsfrist (zur Monatsfrist vgl. BGH, Urt. v. 27. April 1995 – IX ZR 147/94, ZIP 1995, 929, 931; HK-InsO/Kirchhof aaO § 17 Rn. 18) auszugleichen. Diese Beurteilung liegt weitgehend auf tatrichterlichem Gebiet und erschöpft sich in der Anwendung feststehender Rechtsgrundsätze auf den zur Entscheidung stehenden Einzelfall. Zulassungsgründe nach § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erkennbar. Danach kann auf der Grundlage der Entscheidung des Beschwerdegerichts ohne das Vorliegen der noch ausstehenden Begründung der Rechtsbeschwerde nicht davon ausgegangen werden, daß das Rechtsmittel zulässig ist.
Unterschriften
Stodolkowitz, Kirchhof, Fischer, Ganter, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 838515 |
NJW 2002, 1658 |
BGHR 2002, 476 |
EWiR 2002, 595 |
KTS 2002, 560 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2002, 827 |
ZAP 2002, 744 |
ZIP 2002, 718 |
DZWir 2002, 284 |
InVo 2002, 358 |
MDR 2002, 1084 |
NZI 2002, 10 |
NZI 2002, 338 |
Rpfleger 2002, 374 |
ZInsO 2002, 370 |
KammerForum 2002, 298 |