Leitsatz (amtlich)
Die Wiedergabe des Zitats eines Dritten im Rahmen einer komplexen Äußerung kann in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fallen, wenn es mit der eigenen Auffassung des Äußernden verknüpft ist und sich die Aussage in ihrer Gesamtheit betrachtet als Meinungsäußerung darstellt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1, § 1004; GG Art. 2; GG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.09.2003; Aktenzeichen 16 U 15/03) |
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.01.2003) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Frankfurt v. 25.9.2003 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu seinem Nachteil erkannt worden ist.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Frankfurt/M. v. 23.1.2003 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Beklagten wird das vorgenannte Urteil teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die sich auf dem Gebiet der Prozesskostenfinanzierung betätigt. Sie finanziert u.a. Musterverfahren, mit denen durch Rechtsanwalt F. vertretene Kapitalanleger Schadensersatzansprüche gegen Banken wegen angeblich mangelnder Beratung bei Immobiliengeschäften geltend machen. Dabei lässt sich die Klägerin jeweils die Hälfte des Betrages versprechen, den der betreffende Anleger in dem Prozess erstreitet. In den Vertragsbedingungen der Klägerin heißt es auszugsweise:
"8. Vergleichsvorschlag durch das Gericht oder Gegenseite
8.1 Der Anspruchsinhaber verpflichtet sich, einem von der Gegenseite oder dem Gericht vorgeschlagenen Vergleich über die streitigen Ansprüche zuzustimmen, wenn die Fo. Beteiligungs AG (scil. die Klägerin) diesen auf Grund des erreichten Verfahrensstandes für sachgerecht hält.
8.2 Der Anspruchsinhaber ist allerdings berechtigt, für den Fall, dass er einem derartigen Vergleich nicht zustimmen will, diese Vereinbarung zu kündigen. In diesem Fall hat er der Fo. Beteiligungs AG den Betrag zu erstatten, der im Fall des vorgesehenen Vergleichs auf die Fo. Beteiligungs AG entfallen wäre."
Am 21.10.1998 erschien in der Ausgabe 43/1998 des Brancheninformationsdienstes "k.m.-intern" ein Artikel, in dem darüber berichtet wurde, dass die Klägerin unter der Anwaltschaft eine Aktienbeteiligung akquiriere. Die Verfasser dieses Berichts gingen dabei irrtümlich von einer Aktien-Zeichnungsfrist von drei Wochen aus. Wörtlich heißt es dort:
" ... Ohne hier die Frage prüfen zu wollen, ob es sich für Kläger tatsächlich lohnt, sich mit Fo., deren Ziel es ist, Prozesse zu finanzieren, einzulassen, da im Fall des gewünschten Prozessgewinns 50 % der Klagesumme an Fo. abzuführen sind, womit wir grundsätzlich Zweifel am Klage-Finanzierungssystem von Fo. äußern wollen, halten wir eine derart kurze Fristsetzung zur Aktienzeichnung, wie Fo. sie derzeit praktiziert, für unseriös. Potenziellen Kunden ggü. mit der Wurst zu winken und gleichzeitig zu suggerieren, die Wurst habe ein nach Stunden zu berechnendes Verfallsdatum, ist u.E. nichts anderes als Bauernfängerei...".
Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Er vertritt Mandanten, die an der Vermittlung der betreffenden Immobiliengeschäfte beteiligt waren. Er verfasste eine Abhandlung mit dem Titel "Das Interesse an der Lüge - Auch im Zivilrecht?". Diese sandte er u.a. an Verschiedene LG, Redaktionen von Wirtschaftszeitschriften, Staatsanwaltschaften, eine betroffene Bank, die Notarkammer H. und an die Bundesnotarkammer. Über die Klägerin heißt es darin:
"Die öffentliche Resonanz ist gemischt: Der Brancheninformationsdienst k.m.-intern (43/1998 S. 2) bezeichnete dies als 'Bauernfängerei' und hat gerade im Fall F. Recht damit: ...".
Weiter wird dort ausgeführt:
"Weder die Fo. AG in ihrem Werbeblatt noch F. klärten ferner darüber auf, dass der Mandant sich zur Zahlung einer sehr hohen Vertragsstrafe verpflichten muss, wenn das gerichtliche Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet werden soll, dem zwar Fo. AG zustimmt, den aber der Mandant ablehnt (Ströbel, BRAK-Mitt. 1998, 263 [264])."
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung Einzelner in seiner Abhandlung enthaltener Äußerungen. Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten u.a. verurteilt, die Behauptung zu unterlassen, der Brancheninformationsdienst "k.m.-intern" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG den Beklagten verurteilt, auch die Behauptung zu unterlassen, der Mandant, dessen Prozess durch die Klägerin finanziert wird, müsse sich zur Zahlung einer sehr hohen Vertragsstrafe für den Fall verpflichten, dass das gerichtliche Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet werden soll, dem zwar die Klägerin zustimmt, den aber der Mandant ablehnt. Die Berufung des Beklagten hatte teilweise Erfolg und führte zur Klageabweisung, soweit er vom LG zur Unterlassung einer weiteren Äußerung verurteilt worden war.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die beiden von ihm untersagten Äußerungen seien Tatsachenbehauptungen. Der Begriff "Vertragsstrafe" sei ein feststehendes juristisches Rechtsinstitut. Bei der Auslegung einer Äußerung sei darauf abzustellen, wie der verständige Durchschnittsleser sie verstehen durfte, nicht darauf, wie der Autor sie gemeint habe oder verstanden wissen wollte. Gerade weil der Beklagte Jurist sei und seine Abhandlung unter Hinweis darauf verfasst habe, dürfe der verständige Durchschnittsleser davon ausgehen, dass der Autor den Begriff "Vertragsstrafe" tatsächlich im Rechtssinne gemeint habe. Bei den Adressaten seiner Abhandlung könne ohne weiteres unterstellt werden, dass ihnen dieser Begriff als Rechtsinstitut bekannt sei. Insbesondere weil der Beklagte im nachfolgenden Absatz zwischen "Vertragsstrafe" einerseits und "Abstandssumme" andererseits unterscheide, erwarte der Leser nicht, dass hier ein Begriff falsch angewandt werde. Dass der Beklagte seine Abhandlung als "Gutachten" bezeichne, ändere nichts an dem Charakter der Äußerung; sie enthalte keine Wertung des Beklagten. Die Äußerung sei unwahr und geeignet, die Klägerin in ihrer wirtschaftlichen Betätigung zu beeinträchtigen.
Der Berufsstand des Beklagten führe zu keiner anderen Beurteilung. Der Beklagte werde nicht als Rechtsanwalt, sondern als Autor der Abhandlung in Anspruch genommen. Diese sei kein anwaltliches Gutachten; die Schrift sei nicht in einer konkreten Rechtssache seiner Mandanten gefertigt worden, sondern aus Anlass eines Aufsatzes von Rechtsanwalt F. et. al. in einer wissenschaftlichen Zeitschrift. Solche Veröffentlichungen unterfielen nicht der grundgesetzlich geschützten Mandantenvertretung. Der Beklagte behaupte nicht, die Äußerungen namens und im Auftrag seiner Mandanten abgegeben zu haben. Selbst wenn er die Abhandlung auf deren Initiative und zu deren Verteidigung abgefasst haben sollte, rechtfertige das nicht das Aufstellen und die Verbreitung unwahrer Tatsachenbehauptungen über die Klägerin, mit der kein Streit bestanden habe.
Auch die mit einer Belegstelle versehene Behauptung, der Brancheninformationsdienst "k.m.-intern" habe das Prozessfinanzierungssystem der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet, sei unwahr. In dem zitierten Artikel beziehe sich der Ausdruck "Bauernfängerei" nämlich nicht auf das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin, sondern auf die Aktien-Zeichnungsfrist. Der Beklagte könne sich nicht damit rechtfertigen, dies anders verstanden zu haben. Der Wortlaut der Belegstelle sei sprachlich eindeutig und nicht misszuverstehen.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Recht des Rechtsanwalts auf freie, unreglementierte Berufsausübung stehe der Inanspruchnahme des Beklagten auf Unterlassung im Streitfall entgegen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats können ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren oder dessen konkreter Vorbereitung dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden. Das sog. Ausgangsverfahren soll nämlich nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 17.12.1991 - VI ZR 169/91, MDR 1992, 942 = VersR 1992, 443 m.w.N.). Vielmehr sollen die Parteien und infolgedessen auch die von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung der Rechte der Parteien für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in dem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Ausgangsverfahren geprüft werden. Mit den schutzwürdigen Belangen der Betroffenen und mit den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege wäre es nämlich unvereinbar, wenn die Kompetenzen des Gerichts des Ausgangsverfahrens durch die Möglichkeit einer Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten Prozess vor einem anderen Gericht unterlaufen werden könnten. Deshalb fehlt in derartigen Fällen für eine Ehrenschutzklage grundsätzlich das Rechtsschutzbedürfnis. Diese Grundsätze gelten auch für Verfahren vor Verwaltungsbehörden (vgl. BGH, Urt. v. 24.11.1970 - VI ZR 70/69, NJW 1971, 284; v. 17.12.1991 - VI ZR 169/91, MDR 1992, 942 = VersR 1992, 443; v. 18.10.1994 - VI ZR 74/94 - VersR 1995, 176, 177 m.w.N.; Senatsbeschluss v. 13.7.2004 - VI ZB 63/03).
b) Entgegen der Auffassung der Revision können die aufgezeigten Grundsätze den Ausschluss von Ehrenschutzklagen jedoch nicht rechtfertigen, wenn die beanstandeten Äußerungen - wie im vorliegenden Fall - in einer ähnlich einem Rundschreiben verteilten Abhandlung zur Durchsetzung von Interessen außerhalb der prozessualen Rechtsverfolgung aufgestellt werden. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats finden sie auf Äußerungen, mit denen der Äußernde in einer außergerichtlichen Kampagne an die Öffentlichkeit tritt, keine Anwendung. Der Ausschluss der Ehrenschutzklage gegenüber dem Prozessgegner stellt sich nämlich als einschneidende Beschränkung des Ehrenschutzes dar, die nur mit der besonderen Interessenlage anlässlich eines laufenden oder im Hinblick auf ein konkret bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren gerechtfertigt werden kann. Das Interesse des Äußernden daran, seine Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem anhängigen oder künftigen Verfahren führen oder vorbereiten zu können, ohne sich damit einem Ehrenschutzverfahren auszusetzen, ist nicht betroffen, wenn er mit solchen Beschränkungen für eine Verfolgung seiner Angelegenheit außerhalb eines Verfahrens durch öffentliche Angriffe, Rundschreiben und Ähnliches belastet wird (BGH, Urt. v. 17.12.1991 - VI ZR 169/91, MDR 1992, 942 = VersR 1992, 443; Urt. v. 5.5.1981 - VI ZR 184/79, MDR 1981, 926 = NJW 1981, 2117 [2118]; BVerfG v. 11.4.1991 - 2 BvR 963/90, NJW 1991, 2074 [2075]). Zu Unrecht misst die Revision im Streitfall dem Umstand besondere Bedeutung bei, dass die Mandanten des Beklagten durch eine Medienkampagne beeinträchtigt worden seien, die ihnen eine besondere Abwehrsituation auferlegt habe. Im Rahmen des nach Art. 5 Abs. 1 GG Zulässigen kann der Rechtsanwalt als Vertreter seines Mandanten zwar auch an die Öffentlichkeit gehen, um dessen Interessen zu wahren. Dabei müssen die Befugnisse desjenigen, der seine Rechte hierdurch beeinträchtigt sieht, jedoch ungeschmälert erhalten bleiben, da er ansonsten die grundrechtlich garantierte Möglichkeit verlöre, seine Rechte in einem gerichtlichen Verfahren zu wahren (vgl. BVerfG v. 11.4.1991 - 2 BvR 963/90, NJW 1991, 2074 [2075] m.w.N.).
Die durch Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG geschützte Berufsfreiheit gewährt dem Rechtsanwalt insoweit keinen weiter gehenden Schutz, als er der Partei selbst zukommt. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG unterliegt die anwaltliche Berufsausübung grundsätzlich der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des Einzelnen (BVerfG v. 8.11.1978 - 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16 [29] = NJW 1979, 1159 [1160]; v. 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266 [284] = MDR 1983, 726 = NJW 1983, 1535 [1536]; v. 27.6.1996 - 1 BvR 1398/94, MDR 1996, 1070 = NJW 1996, 3267 m.w.N.). Die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann seine Berufsausübung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (BVerfG v. 8.11.1978 - 1 BvR 589/72, BVerfGE 50, 16 [29] = NJW 1979, 1159 [1160]; v. 8.3.1983 - 1 BvR 1078/80, BVerfGE 63, 266 [284] = MDR 1983, 726 = NJW 1983, 1535 [1536]; v. 14.7.1987 - 1 BvR 537/81, 1 BvR 195/87, BVerfGE 76, 171 [184] = FR 1987, 600 = MDR 1988, 110 = NJW 1988, 191 m.w.N.). Als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist es Aufgabe des Rechtsanwalts, die Interessen seines Mandanten unabhängig zu vertreten und wahrzunehmen, um dessen Rechte zu wahren und zu verfolgen und Gerichte und Behörden vor Fehlentscheidungen zum Nachteil seines Mandanten zu bewahren. Soweit er sich im Interesse eines Mandanten äußert, wird er nicht als Privatperson tätig, sondern in seiner Funktion als Rechtsanwalt und Vertreter seines Mandanten. Regelmäßig macht er sich den Sachverhalt, den ihm sein Mandant schildert, nicht als persönliche Behauptung zu Eigen und stellt, indem er diesen wiedergibt, keine eigene persönliche Behauptung auf. Materiell-rechtlich ist in diesen Fällen ggf. nicht er, sondern sein Mandant als Störer anzusehen (vgl. KG v. 27.5.1997 - 9 U 901/97, KGReport Berlin 1998, 48 = MDR 1998, 504). Die Zulässigkeit einer gegen den Rechtsanwalt gerichteten Unterlassungsklage wird dadurch nicht berührt. Das gilt auch dann, wenn seine Äußerung im Zusammenhang mit einer Medienkampagne im Vorfeld oder am Rande einer gerichtlichen Auseinandersetzung erfolgt.
2. In der Sache steht der Klägerin jedoch hinsichtlich beider beanstandeter Äußerungen ein Unterlassungsanspruch entsprechend §§ 823, 824, 1004 BGB nicht zu.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich bei der Behauptung des Beklagten, der Mandant, dessen Prozess durch die Klägerin finanziert wird, müsse sich zur Zahlung einer sehr hohen Vertragsstrafe für den Fall verpflichten, dass das gerichtliche Verfahren durch einen gerichtlichen Vergleich beendet werden soll, dem zwar die Klägerin zustimmt, den aber der Mandant ablehnt, nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine zulässige Meinungsäußerung.
aa) Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Werturteil einzustufen ist, ist eine Rechtsfrage, welche vom Revisionsgericht uneingeschränkt zu überprüfen ist (vgl. BGH, Urt. v. 28.6.1994 - VI ZR 252/93, MDR 1995, 698 = VersR 1994, 1120 [1121]; v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = VersR 2000, 1162 [1163 f.] m.w.N.). Tatsachenbehauptungen unterscheiden sich von Werturteilen dadurch, dass bei diesen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und der Wirklichkeit im Vordergrund steht, während für jene die objektive Beziehung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch ist (vgl. BVerfG v. 16.3.1999 - 1 BvR 734/98, NJW 2000, 199 [200] m.w.N.). Für die Einstufung als Tatsachenbehauptung kommt es wesentlich darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist, was bei Meinungsäußerungen ausscheidet, weil sie durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet werden und sich deshalb nicht als wahr oder unwahr erweisen lassen (BGH, Urt. v. 23.2.1999 - VI ZR 140/98, MDR 1999, 743 = VersR 1999, 1162 f.; v. 27.4.1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251 [1252]; v. 20.2.2003 - III ZR 224/01, BGHZ 154, 54 [60] = MDR 2003, 809 = BGHReport 2003, 732; BVerfG v. 22.6.1982 - 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 [9] = NJW 1983, 1415 [1416]; v. 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 [14] = MDR 1992, 526 = NJW 1992, 1439 [1440] m.w.N.). Für die Ermittlung des Aussagegehalts einer Äußerung ist darauf abzustellen, wie sie unter Berücksichtigung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsleser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils regelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkennbaren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH v. 16.6.1998 - VI ZR 205/97, BGHZ 139, 95 [102] = MDR 1998, 1226; v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316 = VersR 2000, 1162 [1163]).
Enthält eine Äußerung einen rechtlichen Fachbegriff, so deutet dies darauf hin, dass sie als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen ist (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1982 - VI ZR 251/80, MDR 1983, 43 = VersR 1982, 904 [905 f.]; v. 22.6.1982 - VI ZR 255/80, MDR 1983, 44 = VersR 1982, 906 [907]). Als Tatsachenmitteilung ist eine solche Äußerung hingegen dann zu qualifizieren, wenn die Beurteilung nicht als bloße Rechtsauffassung kenntlich gemacht ist, sondern beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind. Hierfür ist der Kontext entscheidend, in dem der Rechtsbegriff verwendet wird (BGH v. 27.4.1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251 [1252], m.w.N.).
bb) Ob eine vertragliche Bestimmung ein Vertragsstrafeversprechen enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Denn ein solches kann nicht nur dann vorliegen, wenn die Parteien eine für den Eintritt bestimmter Umstände ausbedungene Zahlung als Vertragsstrafe bezeichnet haben. Andererseits muss nicht jede von den Parteien so bezeichnete Zahlung eine Vertragsstrafe im Rechtssinne darstellen. Die Beurteilung der Vertragsbestimmung erfordert - anders als die Deutung einfacher, auch in der Alltagssprache gängiger Rechtsbegriffe - eine rechtliche Bewertung (vgl. BGH, Urt. v. 22.6.1982 - VI ZR 251/80, MDR 1983, 43 = VersR 1982, 904 [905 f.]; v. 22.6.1982 - VI ZR 255/80, MDR 1983, 44 = VersR 1982, 906 [907]; v. 28.6.1994 - VI ZR 252/93, MDR 1995, 698 = VersR 1994, 1120 [1121 f.]; Urt. v. 23.2.1999 - VI ZR 140/98, MDR 1999, 743 = VersR 1999, 1162 f.; v. 27.4.1999; v. 27.4.1999 - VI ZR 174/97, NJW-RR 1999, 1251 [1252]; BVerfG v. 16.3.1999 - 1 BvR 734/98, NJW 2000, 199 [200]; v. 9.10.2000 - 1 BvR 1839/95, NJW-RR 2001, 411 f.; v. 17.12.2002 - 1 BvR 755/99, NJW 2003, 1109 f.; Wagner in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 824 Rz. 21 f. m.w.N.). Ob sich diese im Ergebnis als vertretbar oder unvertretbar erweist, macht die Verwendung des Rechtsbegriffs nicht zu einer Tatsachenbehauptung, sondern hält sich im Rahmen des subjektiven Dafürhaltens und Meinens. Die rechtliche Subsumtion ist nicht einem Beweis zugänglich, sondern erfordert eine eigene Bewertung.
Eine solche Beurteilung hat der Beklagte hier vorgenommen. Die rechtliche Bewertung der von der Klägerin verwendeten Vertragsbestimmung als Vertragsstrafeversprechen gibt die subjektive Beurteilung des Beklagten wieder. Ihr kann zwar eine andere Auffassung entgegengehalten werden, doch stellt sie sich, worauf die Revision zutreffend hinweist, gerade deshalb als Meinungsäußerung dar. Hinzu kommt, dass sich die von der Klägerin beanstandete Äußerung im Rahmen einer rechtlichen Abhandlung findet, die als solche insgesamt von Elementen der Wertung durchdrungen ist.
cc) Allerdings ist die Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG. Zu diesen gehört das Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen, zu dessen Wahrung auch juristische Personen Ehrenschutz in Anspruch nehmen können (vgl. BGH, Urt. v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, MDR 2000, 1316; BVerfG v. 10.11.1998 - 1 BvR 1531/96, BVerfGE 99, 185 [195 ff.] = NJW 1999, 1322 [1323 f.]). Im Streitfall führt die gebotene Abwägung zwischen den Rechten der Klägerin und der Meinungsfreiheit des Beklagten dazu, dass diese den Vorrang verdient. Die Behauptung, jemand lasse sich eine Vertragsstrafe versprechen, stellt weder eine Schmähkritik dar, noch ist sie aus sich heraus oder in dem von dem Beklagten geschaffenen Kontext ehrenrührig. Die Rechtsordnung erlaubt die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ausdrücklich und setzt dieser Möglichkeit zugleich Grenzen. Jedenfalls solange - wie im Streitfall - nicht der Eindruck erweckt wird, jemand überschreite diesbezüglich die Grenze des rechtlich Zulässigen, beeinträchtigt die bloße rechtliche Bewertung eines Vertragspassus' als Vertragsstrafe denjenigen, der sich eine Zahlung für den Fall des Eintritts bestimmter Umstände versprechen lässt, nicht derart, dass im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung der Meinungsfreiheit für die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen ein Unterlassungsanspruch bestehen könnte.
b) Ebenfalls mit Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht die Äußerung des Beklagten, der Brancheninformationsdienst "k.m.-intern" habe das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin als Bauernfängerei bezeichnet, im Streitfall als Tatsachenbehauptung gewertet hat.
aa) Für die Beurteilung der Frage, ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzustufen ist, bedarf es nach gefestigter Rechtsprechung der Ermittlung ihres vollständigen Aussagegehalts. Insbesondere ist jede beanstandete Äußerung in dem Gesamtzusammenhang zu beurteilen, in dem sie gefallen ist. Sie darf nicht aus dem sie betreffenden Kontext herausgelöst einer rein isolierten Betrachtung zugeführt werden (BGH v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [21] = MDR 1996, 586; v. 28.6.1994 - VI ZR 252/93, MDR 1995, 698, jeweils m.w.N.). So dürfen aus einer komplexen Äußerung nicht Sätze oder Satzteile mit tatsächlichem Gehalt herausgegriffen werden und als unrichtige Tatsachenbehauptung untersagt werden, wenn die Äußerung nach ihrem - zu würdigenden - Gesamtzusammenhang in den Schutzbereich des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 GG fallen kann und in diesem Fall eine Abwägung zwischen den verletzten Grundrechtspositionen erforderlich wird (BGH, Urt. v. 25.3.1997 - VI ZR 102/96, MDR 1997, 643 = VersR 1997, 842; v. 9.10.1991 - 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 [15 f.] = MDR 1992, 526 = NJW 1992, 1439 [1440]).
bb) Die Revision beanstandet mit Recht, dass das Berufungsgericht die betreffende Äußerung des Beklagten zwar insgesamt wiedergegeben, aber nur deren ersten Teil, der einen tatsächlichen Gehalt aufweist, gewürdigt hat. Diese Aufspaltung führt notwendigerweise zu einer isolierten Betrachtungsweise, die den Aussagegehalt der gesamten Äußerung nicht erfasst. Hierfür muss vielmehr auch der Zweite sich anschließende, nicht in den Klageantrag aufgenommene Halbsatz gewürdigt werden, welcher lautet: "und hat gerade im Fall F. Recht damit.". Dieser zweite Teil der Äußerung gibt nicht nur die Auffassung des Beklagten wieder. Durch die Bezugnahme auf den ersten Satzteil macht sich der Äußernde hier vielmehr auch den Inhalt des von ihm dort wiedergegebenen Zitats zu Eigen. Er setzt dieses Zitat, von dem er sich nicht etwa distanziert (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.1.1996 - VI ZR 386/94, BGHZ 132, 13 [18 f.] = MDR 1996, 586), sondern das er durch den Nachsatz sogar inhaltlich bekräftigt, an dieser Stelle gezielt ein, um seiner eigenen Meinungsäußerung durch den Hinweis auf die übereinstimmende Meinung eines Dritten ein größeres Gewicht zu verleihen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Beklagte das Zitat richtig oder unrichtig wiedergegeben hat. Durch die Verknüpfung des Zitats mit der Wiedergabe der eigenen Auffassung des Äußernden stellt sich die Aussage in ihrer Gesamtheit betrachtet als ein Zusammenspiel von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung dar. Dass mit dem Klageantrag lediglich der Teil herausgegriffen und vom restlichen Teil der Äußerung abgetrennt worden ist, der einen tatsächlichen Gehalt hat, kann nicht zu einer anderen Beurteilung führen (vgl. BGH v. 25.3.1997 - VI ZR 102/96, MDR 1997, 643). Für den Leser der Abhandlung liegt der Akzent der Gesamtaussage in dem Vorwurf des Beklagten, das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin sei - jedenfalls im Fall F. - Bauernfängerei. Damit stellt sich die Aussage insgesamt als eine Meinungsäußerung dar, die grundsätzlich in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG fällt.
cc) Die danach im Streitfall gebotene Abwägung zwischen den Rechten der Klägerin und der Meinungsfreiheit des Beklagten führt dazu, dass Letztere den Vorrang verdient. Die Äußerung, das Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin sei - jedenfalls im Fall F. - Bauernfängerei, stellt weder eine Schmähkritik dar, noch ist sie aus sich heraus oder in dem von dem Beklagten geschaffenen Kontext ehrenrührig.
(1.) Wegen seines die Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik eng auszulegen. Auch eine überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Von einer solchen kann vielmehr nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (vgl. z.B. BGH, Urt. v. 7.12.1999 - VI ZR 51/99, VersR 2000, 327 [320]; v. 30.5.2000 - VI ZR 276/99, VersR 2000, 1162 [1163], jeweils m.w.N.; vgl. auch BVerfG v. 29.7.2003 - 1 BvR 2145/02, NJW 2003, 3760; v. 30.9.2003 - 1 BvR 865/00, NJW 2004, 590 [591]). Eine wertende Kritik an der gewerblichen Leistung eines Wirtschaftsunternehmens ist i.d.R. auch dann vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt, wenn sie scharf und überzogen formuliert ist; sie kann nur unter engen Voraussetzungen als Schmähkritik angesehen werden (BGH, Urt. v. 21.4.1998 - VI ZR 196/97, BGHZ 138, 311 [320] = MDR 1998, 841; v. 29.1.2002 - VI ZR 20/01, BGHReport 2002, 458 = MDR 2002, 640 = VersR 2002, 445).
(2.) Diese Anforderungen an eine unzulässige Schmähkritik erfüllt die in Rede stehende Bezeichnung als Bauernfängerei nicht. Die hierin enthaltene Bewertung des geschäftlichen Vorgehens der Klägerin kann nicht als bloße Diffamierung angesehen werden; sie entbehrt vielmehr keineswegs des erforderlichen Sachbezugs im Rahmen der Abhandlung des Beklagten. Letzterer setzt sich - wenn auch an dieser Stelle in recht scharfer Form - mit dem Prozessfinanzierungsmodell der Klägerin auseinander. Er bewertet die vertraglichen Rechte und Pflichten der von der Klägerin angesprochenen Kapitalanleger und gelangt zu dem Ergebnis, dass für sie das System der Klägerin unvorteilhaft sei. Eine solche Bewertung ist, auch wenn sie sich teilweise überzogener Formulierungen bedient, unter Berücksichtigung der erörterten Rechtsgrundsätze noch vom Grundrecht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung i.S.d. Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt.
III.
Da weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen, kann der Senat gem. § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden und die Klage insgesamt abweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1288758 |
NJW 2005, 279 |
BGHR 2005, 527 |
EBE/BGH 2005, 5 |
AfP 2005, 70 |
MDR 2005, 507 |
VersR 2005, 277 |
WRP 2005, 236 |
NJW-Spezial 2005, 94 |
KammerForum 2005, 135 |