Leitsatz (amtlich)
Die Frage, in welchem Umfang bei mehrfachen Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung Vertragsstrafen verwirkt sind, kann nur nach einer Vertragsauslegung im Einzelfall, die auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann, entschieden werden, nicht nach festen Regeln für alle einschlägigen Fälle, wie sie etwa aus einem vorgegebenen Rechtsbegriff des Fortsetzungszusammenhangs abgeleitet werden könnten. Mangels einer besonderen Abrede wird jedoch die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sein.
Normenkette
BGB §§ 157, 339; ZPO § 890
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 30. November 1998 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte betreibt unter der Firma „C.” Sportstudios in B., E., N. und W..
Am 25. Februar 1995 verpflichtete sich der Beklagte gegenüber dem klagenden V. e.V. in einer schriftlichen Unterlassungserklärung, beim Abschluß von Trainingsverträgen mit Kunden (ausgenommen Kaufleute bei Vertragsschlüssen im Rahmen ihres Handelsgeschäfts) in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwölf im Wortlaut angeführte Vertragsklauseln nicht zu verwenden. Die Unterlassungserklärung enthielt folgende Vertragsstrafenvereinbarung:
„Der/Die Unterzeichnende übernimmt für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine an den V. e.V. oder – nach dessen Wahl – an eine andere gemeinnützige Institution zu zahlende Vertragsstrafe in Höhe von DM 2.000,– (pro Klausel), jedoch höchstens bis zu einer Gesamtstrafe in Höhe von DM 12.000,–.”
Am 17. Mai 1995 wurde in der Niederlassung des Beklagten in E. mit einem Kunden ein Trainingsvertrag geschlossen, der sechs der zu unterlassenden Vertragsklauseln enthielt. Wegen dieses Verstoßes gegen die Unterlassungsverpflichtung wurde der Beklagte vom Landgericht Nürnberg-Fürth durch Anerkenntnisurteil vom 9. Oktober 1996 zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 12.000,– DM verurteilt.
Ungeachtet seiner Unterlassungserklärung verwendete der Beklagte beim Abschluß von Trainingsverträgen in der Niederlassung B. in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen fünf der zu unterlassenden Klauseln wortgleich weiter wie in dem Fall, der dem Anerkenntnisurteil zugrunde gelegen hatte. Der Kläger hat vier solcher Trainingsanmeldungen zum Gegenstand seiner Klage gemacht. Dabei handelt es sich um einen Vertragsschluß vom 9. November 1995, aufgrund dessen der Kläger vom Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000,– DM bis zum 2. Mai 1996 verlangt hat, einen Vertragsschluß vom 9. Mai 1996, der zur Forderung einer Vertragsstrafe von 10.000,– DM bis zum 17. Oktober 1996 geführt hat, und zwei Vertragsschlüsse vom 26. August und 11. Dezember 1996, deretwegen der Kläger den Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 20.000,– DM bis zum 30. Januar 1997 aufgefordert hat.
Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte habe mit jedem dieser Vertragsschlüsse erneut gegen seine Unterlassungsverpflichtung verstoßen und daher die Vertragsstrafe insgesamt viermal verwirkt. Er hat demgemäß vor dem Landgericht beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 40.000,– DM nebst Zinsen zu bezahlen.
Der Beklagte hat dagegen vorgebracht, die Verstöße vom 9. November 1995, 9. Mai 1996 und 26. August 1996 stünden in Fortsetzungszusammenhang mit dem Verstoß vom 17. Mai 1995, dessentwegen das Anerkenntnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 9. Oktober 1996 ergangen sei. Wegen dieser Verstöße könne daher keine weitere Vertragsstrafe gefordert werden. Der Vertrag vom 11. Dezember 1996 sei zwar zeitlich nach dem Anerkenntnisurteil geschlossen worden, stehe aber noch mit dem Verstoß vom 17. Mai 1995 in Fortsetzungszusammenhang, weil das verwendete Anmeldeformular schon vor dem Anerkenntnisurteil ausgegeben worden sein müsse. Nach Erlaß dieses Urteils habe er nämlich seine Mitarbeiter in B. aufgefordert, bis zum Eintreffen der Formulare mit den neu gefaßten Allgemeinen Geschäftsbedingungen die alten Formulare handschriftlich abzuändern und die Kunden ausdrücklich auf die Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinzuweisen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000,– DM nebst Zinsen verurteilt.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben (OLG Bamberg OLG-Rep 1999, 61 = InVo 1999, 400).
Mit seiner (zugelassenen) Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Begehren auf vollständige Verurteilung des Beklagten nach dem Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß der Kläger nach Erlaß des Anerkenntnisurteils vom 9. Oktober 1996 nur noch Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,– DM gehabt habe. Dieser Anspruch sei wegen der Verwendung der beanstandeten Klauseln beim Vertragsschluß vom 11. Dezember 1996 entstanden. Die zeitlich davor liegenden drei Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung stünden mit dem Verstoß, der Gegenstand des Anerkenntnisurteils gewesen sei, in Fortsetzungszusammenhang und hätten deshalb keine weiteren Vertragsstrafeansprüche begründen können.
Im Unterlassungsvertrag vom 25. Februar 1995 habe sich der Beklagte zur Zahlung einer Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung” verpflichtet. Die Auslegung dieser Wendung ergebe, daß Mehrfachverstöße nach den Grundsätzen der fortgesetzten Handlung zusammenzufassen seien. An dem Rechtsinstitut der fortgesetzten Handlung sei bei der Auslegung von Unterlassungserklärungen und der darin enthaltenen Vertragsstrafeversprechen festzuhalten. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Großer Senat für Strafsachen) zur Annahme eines Fortsetzungszusammenhangs bei Straftaten (BGHSt 40, 138) habe daran nichts geändert, weil die fortgesetzte Handlung im Zivilrecht und insbesondere im Wettbewerbsrecht eine eigenständige Bedeutung erlangt habe.
Obwohl der Wortlaut des Vertragsstrafeversprechens („für jeden Fall der Zuwiderhandlung”) im vorliegenden Fall mehrere Deutungen zulasse, ergebe die Auslegung im Hinblick auf den Vertragszweck, den Parteiwillen, die Interessenlage unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie die Verkehrssitte, daß mehrere Einzelverstöße – auch bei fahrlässiger Begehung – unter dem Begriff des Fortsetzungszusammenhangs zu einer Einheit und damit rechtlich zu einer einzigen Tat zusammengefaßt werden sollten. Ein solcher Fortsetzungszusammenhang sei zwischen den in B. begangenen Verstößen vom 9. November 1995, 9. Mai 1996 und 26. August 1996 sowie dem am 17. Mai 1995 in E. vorgekommenen Fall, der dem Anerkenntnisurteil vom 9. Oktober 1996 zugrunde gelegen habe, gegeben.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Revisionsangriffe bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß sich die Auslegung eines Unterlassungsvertrages nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen richtet (vgl. BGHZ 121, 13, 16 – Fortsetzungszusammenhang; BGH, Urt. v. 17.7.1997 – I ZR 40/95, GRUR 1997, 931, 932 = WRP 1997, 1067 – Sekundenschnell; Urt. v. 18.9.1997 – I ZR 71/95, GRUR 1998, 471, 472 = WRP 1998, 164 – Modenschau im Salvatorkeller). Neben dem Inhalt der Vertragserklärungen sind demgemäß für die Auslegung nach den §§ 133, 157 BGB insbesondere maßgeblich die beiderseits bekannten Umstände, der Zweck der Vereinbarung sowie die Art und Weise ihres Zustandekommens, die wettbewerbsrechtlich relevante Beziehung zwischen den Vertragspartnern und ihre Interessenlage. Dies gilt auch für die Auslegung, welchen Inhalt das Versprechen einer Vertragsstrafe „für jeden Fall der Zuwiderhandlung” hat, weil die Parteien in der inhaltlichen Ausgestaltung eines Unterlassungsvertrages grundsätzlich frei sind (vgl. BGHZ 121, 13, 15 – Fortsetzungszusammenhang). Wenn – wie im konkreten Fall – kein eindeutiger Vertragswille ermittelt werden kann und der Wortlaut auslegungsbedürftig ist, kommt es in erster Linie auf den objektiv erkennbaren Erklärungsinhalt des Unterlassungsversprechens an (vgl. BGHZ 33, 163, 164 f. = GRUR 1961, 307 – Krankenwagen II; 121, 13, 17 – Fortsetzungszusammenhang). Daneben ist zu berücksichtigen, daß sich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe auf mögliche zukünftige Sachverhalte bezieht, deren nähere Umstände naturgemäß kaum vorhersehbar sind. Dies hat zur Folge, daß die Auslegung eines Unterlassungsversprechens im Einzelfall auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann. Es wird demgemäß in der Regel nicht dem Willen der Vertragsparteien entsprechen, die Verwirkung von Vertragsstrafen von starr gehandhabten Voraussetzungen abhängig zu machen, weil dies zur Folge hätte, daß den Besonderheiten der später eintretenden Fallgestaltungen – anders als es bei der Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO der Fall wäre – in keiner Weise mehr Rechnung getragen werden könnte.
2. Bei der Auslegung des Vertragsstrafeversprechens in einem Unterlassungsvertrag kann, wenn die Parteien nichts anderes vereinbart haben (vgl. BGHZ 33, 163, 165 – Krankenwagen II), nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln bei der Unterlassungsvollstreckung nach § 890 ZPO maßgebend sind (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.1991 – I ZR 277/89, GRUR 1992, 61, 62 = WRP 1991, 654 – Preisvergleichsliste I; Staudinger/Rieble, BGB, Bearb. 1995, § 339 Rdn. 8; Braunert, KTS 1994, 441, 456 f.). Den Parteien kann ohne besondere Anhaltspunkte nicht der Wille unterstellt werden, bei der Vereinbarung eines Unterlassungsvertrags eine Regelung gewollt zu haben, die der Rechtslage nach Erlaß eines gleichlautenden Unterlassungstitels entspricht. Die Verhängung eines Ordnungsmittels und die Verwirkung einer Vertragsstrafe sind nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Während das Ordnungsgeld im Sinne des § 890 ZPO eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe im Sinne des § 339 BGB eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und – je nach dem Inhalt des Vertrages – auch zum pauschalierten Schadensersatz. Es kann danach nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Parteien eines Unterlassungsvertrages die Voraussetzungen für die Verwirkung der Vertragsstrafe entsprechend den Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsmittels hätten regeln wollen (vgl. BGHZ 138, 67, 68 f.; BGH, Urt. v. 30.4.1987 – I ZR 8/85, GRUR 1987, 648, 649 = WRP 1987, 555 – Anwalts-Eilbrief). Im vorliegenden Fall sind dafür auch keine Anhaltspunkte festgestellt. Es kommt hier deshalb nicht auf die Frage an, ob bei Anwendung des § 890 ZPO von einem zivilrechtlichen Rechtsbegriff des Fortsetzungszusammenhangs auszugehen ist, bei dessen Anwendung gegebenenfalls mehrere Einzelverstöße gegen ein Unterlassungsgebot als im Fortsetzungszusammenhang stehende Teilakte einer rechtlich einheitlichen Tat anzusehen wären (diese Frage verneinen: OLG Nürnberg WRP 1999, 1184, 1186; Stein/Jonas/Brehm, ZPO, 21. Aufl., § 890 Rdn. 40; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 57 Rdn. 35; Melullis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 946; v. Lambsdorff, Wettbewerbsverfahrensrecht, Rdn. 1301; Braunert, KTS 1994, 441, 457 ff.; Mankowski, WRP 1996, 1144; a.A. OLG Celle WRP 1997, 89; Kammergericht WRP 1998, 627, 629; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., Einl. UWG Rdn. 592; Ulrich, WRP 1997, 73; Schuschke, WRP 2000, 1008, 1012 f.).
3. Die Entscheidung, ob nach dem Inhalt des Unterlassungsvertrages gegebenenfalls mehrere Verstöße zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, kann – abweichend von der Ansicht des Berufungsgerichts – auch nicht in Anwendung eines etwa vorgegebenen Rechtsbegriffs der fortgesetzten Handlung beantwortet werden. Ein solcher bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der Fortsetzungstat kann im Recht der Vertragsstrafe nicht anerkannt werden (anders noch BGHZ 121, 13, 15 f. – Fortsetzungszusammenhang). Die gegenteilige Annahme berücksichtigt nicht ausreichend, daß Grundlage für Vertragsstrafeforderungen allein der konkrete Vertrag ist. Die Frage, in welchem Umfang bei mehrfachen Verstößen gegen die Unterlassungsverpflichtung Vertragsstrafen verwirkt sind, kann deshalb nur nach einer Vertragsauslegung im Einzelfall entschieden werden, nicht nach festen Regeln für alle einschlägigen Fälle, wie sie aus einem Rechtsbegriff abgeleitet werden könnten (vgl. dazu bereits BGH GRUR 1961, 307, 310 – Krankenwagen II, insoweit in BGHZ 33, 163 nicht abgedruckt; BGH, Urt. v. 1.6.1983 – I ZR 78/81, GRUR 1984, 72, 74 = WRP 1984, 14 – Vertragsstrafe für versuchte Vertreterabwerbung; Urt. v. 28.1.1993 – I ZR 294/90, NJW 1993, 1786, 1788; vgl. auch Braunert, KTS 1994, 441, 450 ff.).
4. Die danach gegebene Notwendigkeit, mangels besonderer ausdrücklicher Abreden eine Vertragsauslegung im Einzelfall vorzunehmen, ändert jedoch nichts daran, daß die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Weise mehrfache Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, wegen des typischen Charakters von Unterlassungsverträgen regelmäßig nach denselben Grundsätzen zu beurteilen sein wird. Dabei können auch Rechtsgedanken, wie sie bisher unter Berufung auf einen Rechtsbegriff des Fortsetzungszusammenhangs angewandt worden sind, Bedeutung gewinnen. Der Umstand, daß die bei der Auslegung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte im Einzelfall ein unterschiedliches Gewicht haben und deshalb gegebenenfalls auch zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können, verdeutlicht aber, daß es jeweils nicht um die Anwendung von allgemein geltenden Rechtsgrundsätzen über die Zusammenfassung von Einzelhandlungen zu rechtlichen Einheiten geht, sondern um die Auslegung des konkreten Vertrages.
Die Auslegung wird von Sinn und Zweck einer durch ein Vertragsstrafeversprechen gesicherten Unterlassungsverpflichtung auszugehen haben. Aus der Sicht des Schuldners, der eine solche Vertragsverpflichtung eingeht, hat sie vor allem den Zweck sicherzustellen, daß für Handlungen, die von der Unterlassungsverpflichtung erfaßt werden, weder eine Wiederholungsgefahr noch eine Erstbegehungsgefahr besteht (vgl. BGHZ 121, 13, 19 – Fortsetzungszusammenhang). Aus der Sicht des Gläubigers geht es – wie für den Schuldner offensichtlich ist – um die Sicherung seines als schutzwürdig angesehenen Einzelinteresses gegen Zuwiderhandlungen, und zwar auch gegen solche, die durch die Erfüllungsgehilfen des Schuldners und ohne dessen persönliches Verschulden begangen werden (vgl. BGHZ 33, 163, 167 – Krankenwagen II; BGH GRUR 1987, 648, 649 – Anwalts-Eilbrief; BGH, Urt. v. 22.1.1998 – I ZR 18/96, GRUR 1998, 963, 964 f. = WRP 1998, 864 – Verlagsverschulden II). Auch wenn dabei – wie oben dargelegt – nicht ohne weiteres auf die Grundsätze zur Auslegung von Unterlassungstiteln zurückgegriffen werden kann, ist doch zu berücksichtigen, daß die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung dazu dient, eine gerichtliche Auseinandersetzung zu vermeiden und aus der Sicht des Gläubigers einen Unterlassungstitel zu ersetzen. Es wird deshalb im allgemeinen dem Interesse weder des Gläubigers noch des Schuldners entsprechen, durch die Unterlassungsverpflichtung schlechter als durch ein entsprechendes Urteil gestellt zu werden. Es kommt hinzu, daß das Vertragsstrafeversprechen je nach den Verhältnissen des Falles auch den Zweck haben kann, dem Gläubiger im Verletzungsfall eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, Schadensersatz zu erhalten (vgl. BGHZ 130, 288, 295 – Kurze Verjährungsfrist; BGH NJW 1993, 1786, 1787 f.; BGH, Urt. v. 3.4.1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2602, jeweils m.w.N.).
Nach dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung sind diese Gesichtspunkte maßgeblich mit abzuwägen. Dabei wird sich regelmäßig ergeben, daß nach Sinn und Zweck des Unterlassungsvertrages die Vertragsstrafe auch in Fällen, in denen nicht ohnehin von einer natürlichen Handlungseinheit auszugehen ist (vgl. BGHZ 33, 163, 167 f. – Krankenwagen II; vgl. auch Kaiser, Die Vertragsstrafe im Wettbewerbsrecht, 1999, S. 58 ff.; Köhler, WRP 1993, 666, 667 ff.; Schuschke, WRP 2000, 1008, 1012), nicht für jede einzelne Tat verwirkt ist. Vielmehr werden einzelne Taten, soweit sie sich nach dem objektiven Erklärungsinhalt des konkreten Vertrages als rechtliche Einheit darstellen, jeweils als eine einzige Zuwiderhandlung zu behandeln sein. Die ausnahmslose Verwirkung weiterer Vertragsstrafen für jeden Einzelakt wird in aller Regel von den Vertragsparteien nicht gewollt sein. Die sonst mögliche Folge einer Aufsummierung von Vertragsstrafen wäre mit dem Gerechtigkeitsgedanken im allgemeinen nicht zu vereinbaren, wenn ihr nicht ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis des Gläubigers gegenübersteht oder die Wahrscheinlichkeit gegeben ist, daß dem Gläubiger durch die zu unterlassenden Taten ein entsprechend hoher Schaden entstehen könnte (vgl. BGHZ 33, 163, 167 f. – Krankenwagen II). Bei Vertragsstrafeversprechen von Kaufleuten gilt insoweit nichts anderes. Die Vorschrift des § 348 HGB, die ausschließt, daß eine von einem Kaufmann im Betrieb seines Handelsgewerbes versprochene Vertragsstrafe nach § 343 BGB herabgesetzt wird, steht dem nicht entgegen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach dem Parteiwillen eine Zuwiderhandlung vorliegt, die zu einer Vertragsstrafe führt, von der Frage der Herabsetzung einer verwirkten Vertragsstrafe zu unterscheiden ist (vgl. Kaiser aaO S. 66 f.).
Im allgemeinen entspricht es aber auch nicht einer beiderseits interessengerechten Auslegung eines Vertragsstrafeversprechens, Einzeltaten nur deshalb zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen, weil der Schuldner von vornherein mehrfache Verstöße gegen seine Unterlassungsverpflichtung beabsichtigt hat. Dies könnte gegebenenfalls eine ungerechtfertigte Privilegierung eines besonders hartnäckigen Vertragsverletzers bedeuten (vgl. dazu Rieble, WM 1995, 828, 829). Würde bei einem vorsätzlichen Verstoß, der in der Absicht begangen wird, eine Mehrzahl weiterer gleichartiger Verstöße folgen zu lassen, in jedem Fall nur eine einzige Vertragsstrafe verwirkt, würde die Vertragsstrafe bereits nach der ersten Handlung ihre Sicherungsfunktion gegenüber den Folgehandlungen einbüßen. Dies wird regelmäßig nach Treu und Glauben nicht gewollt sein (vgl. dazu auch BGH GRUR 1961, 307, 310 – Krankenwagen II; BGH NJW 1993, 1786, 1788). Dagegen spricht zudem, daß ein Unterlassungsvertrag regelmäßig auch den Zweck hat, den Gläubiger – auch im Interesse des Schuldners – von der Notwendigkeit einer gerichtlichen Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs zu entbinden.
Ein größeres wirtschaftliches Gewicht der Einzeltaten wird gegen eine stärkere Zusammenfassung zu einer rechtlichen Einheit sprechen (vgl. BGH GRUR 1961, 307, 310 – Krankenwagen II). Ein weiterer Gesichtspunkt für die Beurteilung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Vertragsstrafe verwirkt wird, ist die Höhe der vereinbarten einzelnen Vertragsstrafe. Die Vereinbarung einer hohen Vertragsstrafe für jede Zuwiderhandlung wird eher die Annahme begründen, daß die Vertragspartner eine weitergehende Zusammenfassung verschiedener Handlungen zu einer rechtlichen Einheit gewollt haben (vgl. BGH GRUR 1961, 307, 310 – Krankenwagen II; Rieble, WM 1995, 828, 830).
5. Im konkreten Fall hat das Berufungsgericht zu Recht entschieden, daß der Beklagte über die für den Verstoß vom 11. Dezember 1996 verwirkte Vertragsstrafe in Höhe von 10.000,– DM hinaus keine weitere Vertragsstrafe schuldet, weil die drei am 9. November 1995, 9. Mai und 26. August 1996 begangenen Verstöße nach dem Vertrag eine rechtliche Einheit mit dem vom Anerkenntnisurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth erfaßten Verstoß vom 17. Mai 1995 bilden. Die – wie dargelegt – unzutreffende Annahme des Berufungsgerichts, daß bei der Auslegung von Unterlassungsverträgen von einem Rechtsinstitut der fortgesetzten Handlung auszugehen sei, hat sich letztlich auf die Entscheidung nicht ausgewirkt, weil das Berufungsgericht in den weiteren Entscheidungsgründen eine – insoweit rechtsfehlerfreie – Auslegung des von den Parteien geschlossenen Unterlassungsvertrages anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles vorgenommen hat.
a) Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsvertrag dahingehend ausgelegt, daß Verstöße, wie sie am 17. Mai 1995, 9. November 1995, 9. Mai und 26. August 1996 geschehen sind, nach dem Parteiwillen als eine einzige (fortgesetzte) Zuwiderhandlung angesehen werden sollten. Dazu hat es ausgeführt, Vertragsziel des Klägers als eines Verbraucherschutzverbandes habe es nicht sein dürfen, eine möglichst hohe und gegebenenfalls für den Schuldner existenzgefährdende Bestrafung für viele einzelne Verstöße zu erreichen. Denn der Kläger könne kein Interesse an einem pauschalierten Schadensersatz haben, weil er selbst durch solche Verstöße nicht geschädigt werden könne. Das Ziel, den Beklagten zur Einhaltung seines Unterlassungsversprechens anzuhalten, habe angesichts der Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe auch bei einer Verklammerung von vier oder fünf Fällen zu einer rechtlichen Einheit ohne weiteres erreicht werden können, weil schon der Umsatz aufgrund einer einzigen Trainingsanmeldung bei einer Jahresgebühr von etwa 1.000,– DM deutlich unter der vereinbarten Vertragsstrafe gelegen habe. Zu berücksichtigen sei auch, daß Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung nicht zu zusätzlichen Werbe- oder Anbahnungserfolgen führten, sondern sich erst nach Vertragsschluß auf die Abwicklung des Trainingsvertrages auswirken könnten. Nach dem Unterlassungsvertrag seien deshalb – auch bei lediglich fahrlässiger Begehungsweise – im wesentlichen gleichartige, zeitlich und räumlich zusammentreffende Handlungen unter dem Gesichtspunkt des Fortsetzungszusammenhangs jeweils nur als eine Zuwiderhandlung anzusehen.
Bei der Verwendung der beanstandeten Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Trainingsverträge sei hier eine gleichartige Begehungsweise gegeben, auch wenn geringfügige Abweichungen in der Formulierung einzelner Klauseln vorlägen. An der Gleichartigkeit der Begehungsweise ändere auch der Umstand nichts, daß die Verstöße an verschiedenen Orten (in E. und in B.) begangen worden seien, weil es sich um Verstöße in rechtlich unselbständigen Betriebsstätten gehandelt habe. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang der Einzelakte sei ebenfalls (noch) anzunehmen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß bei fahrlässigen Verstößen, wie sie hier gegeben seien, ein großzügigerer Maßstab möglich sei. Der Vertragsverstoß des Beklagten sei in erster Linie darin zu sehen, daß die Formulare mit den fehlerhaft formulierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht eingezogen worden seien. Die aufgedeckten Fälle seien nur Folgeverstöße dieser ersten Pflichtverletzung.
Die Abmahnung weiterer Verstöße und die Einreichung der Klage vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wegen des Verstoßes vom 17. Mai 1995, der dem Anerkenntnisurteil zugrunde gelegen habe, hätten den Fortsetzungszusammenhang nicht unterbrochen, vielmehr erst die Zustellung dieses Urteils.
b) Die Revisionsangriffe gegen diese Beurteilung bleiben ohne Erfolg. Die tatrichterliche Auslegung, die revisionsrechtlich ohnehin nur beschränkt nachgeprüft werden kann (vgl. BGH GRUR 1998, 471, 472 – Modenschau im Salvatorkeller), ist rechtsfehlerfrei. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Auslegung eines Unterlassungsvertrages ergeben kann, daß gerade auch die rechtliche Zusammenfassung lediglich fahrlässig begangener Einzelakte zu jeweils einzelnen Zuwiderhandlungen gewollt ist (vgl. BGHZ 33, 163, 167 f. – Krankenwagen II; 121, 13, 16 – Fortsetzungszusammenhang; Baumbach/Hefermehl aaO Einl. UWG Rdn. 375; Kaiser aaO S. 68), weil das zu schützende Interesse des Gläubigers durch fahrlässige Taten in der Regel weniger bedroht ist als durch vorsätzliche Handlungen.
(1) Die Revision beanstandet, daß das Berufungsgericht eine rechtliche Einheit der Einzelakte angenommen habe, obwohl bei den einzelnen Verstößen Allgemeine Geschäftsbedingungen mit unterschiedlichen Fassungen der beanstandeten Klauseln verwendet worden seien. Wenn der Schuldner immer wieder neue Formulare drucken lasse und darüber hinaus versuche, sein rechtswidriges Verhalten durch Umformulierungen zu verschleiern, fehle es an einem engen sachlichen Zusammenhang der einzelnen Verstöße.
Mit diesem Vorbringen kann die Revision aus tatsächlichen Gründen keinen Erfolg haben. Es ist ihr allerdings darin zuzustimmen, daß die erneute Herausgabe von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in denen die von einem Vertragsstrafeversprechen erfaßten Klauseln enthalten sind, im allgemeinen der Annahme eines engen sachlichen Zusammenhangs der Einzelakte der Verwendung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen entgegenstehen wird. Denn die erneute Aufnahme einer beanstandeten Klausel in ein AGB-Formular spricht schon bei einer unveränderten Übernahme, noch mehr aber bei einer gleichzeitigen geringfügigen Änderung dafür, daß der Entschluß zum Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen neu gefaßt oder bewußt bekräftigt worden ist.
Im vorliegenden Fall kann aber nach den getroffenen Feststellungen nicht von einem solchen Sachverhalt ausgegangen werden. Das Berufungsgericht hat allerdings festgestellt, daß die von dem Beklagten bei den einzelnen Verstößen verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen untereinander geringfügige Abweichungen in den Klauselformulierungen aufweisen. Diese betreffen zwar nicht die Klauseln, auf deren Verwendung die Klage gestützt ist; bei den einzelnen Verstößen, die der Klage zugrunde liegen, wurden aber zwei verschiedene Formulare verwendet, die sich untereinander in den Überschriften („Geschäftsbedingungen des C. B.” und „Geschäftsbedingungen des C.”) und in der Fassung der Klausel betreffend die Behandlung von Krankheits- und anderen Ausfallzeiten unterscheiden. Diese beiden AGB-Formulare unterscheiden sich zudem von der Formularfassung, die dem Anerkenntnisurteil vom 9. Oktober 1996 und wohl auch dem Unterlassungsvertrag vom 25. Februar 1995 zugrunde lag. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist aber im Revisionsverfahren davon auszugehen, daß diese verschiedenen Formulare schon bei Abschluß des Unterlassungsvertrages vorhanden waren und – wie das Berufungsgericht festgestellt hat – danach lediglich weiterverwendet wurden, weil ihre Einziehung aus Fahrlässigkeit unterblieben war. Die Revision kann nicht darauf verweisen, daß der Kläger schon in den Vorinstanzen behauptet habe, die Unterschiede zwischen den Formularen beruhten auf späteren Nachdrucken. Wenn der Kläger nunmehr erstmals diese Behauptung aufstellt, kann er damit im Revisionsverfahren, in dem neues tatsächliches Vorbringen grundsätzlich unzulässig ist, nicht mehr gehört werden.
(2) Der Revision kann auch nicht darin zugestimmt werden, daß im vorliegenden Fall der Zeitabstand der Verstöße untereinander ausschließen müßte, diese zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen. Die Auslegung des Unterlassungsvertrages dahin, daß auch in solchen Zeitabständen begangene Verstöße eine rechtliche Einheit bilden können, wäre allerdings bedenklich, wenn es sich um vorsätzliche Verstöße handeln würde. Nach den getroffenen Feststellungen kann jedoch nur von einem lediglich fahrlässigen Aufbrauchen alter AGB-Formulare ausgegangen werden. Die Auslegung, daß unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falles solche Verstöße nach dem Unterlassungsvertrag ungeachtet zwischenzeitlicher Vertragsstrafeforderungen nur als eine einzige Zuwiderhandlung gewertet werden sollen, liegt im Bereich der tatrichterlichen Verantwortung.
III. Danach war die Revision des Klägers auf seine Kosten zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Erdmann, v. Ungern-Sternberg, Bornkamm, Pokrant, Schaffert
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.01.2001 durch Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584410 |
BGHZ |
BGHZ, 318 |
BB 2001, 1495 |
DB 2001, 1242 |
NJW 2001, 2622 |
BGHR 2001, 473 |
BGHR |
GRUR 2001, 758 |
JurBüro 2001, 554 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1081 |
ZAP 2001, 793 |
InVo 2001, 378 |
MDR 2001, 1102 |
WRP 2001, 702 |
JURAtelegramm 2001, 250 |