Leitsatz (amtlich)
a) Die Kenntnis einer Bank von der wirtschaftlich aussichtslosen Lage ihres Kreditnehmers und das Unterlassen einer (früheren) Kündigung eines bestehenden Kredites reichen grundsätzlich alleine noch nicht aus, um eine Haftung der Bank gegenüber anderen Gläubigern ihres Kreditnehmers aus § 826 BGB zu begründen; es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten als sittenwidrige Schädigung anderer Gläubiger erscheinen lassen.
b) Ein sittenwidriges Verhalten der Bank kann in diesem Sinne vorliegen, wenn sie ihren Kreditnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung eines Betriebsmittelkredits zum Widerruf von Lastschriften eines Vorbehaltslieferanten veranlaßt, um sich aus entsprechenden Zahlungseingängen auf dem debitorischen Konto ihres Kreditnehmers aus dem Weiterverkauf der unter verlängertem Eigentumsvorbehalt bezogenen Waren zu befriedigen.
c) Zu den Anforderungen an die Substantiierungspflicht des – unter Beweis gestellten – klagebegründenden Sachvortrags.
Normenkette
BGB § 826; ZPO §§ 253, 286
Verfahrensgang
OLG München |
LG München II |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin stand mit der R. GmbH, die unter anderem mit Computerhardware handelte, in ständiger Geschäftsverbindung und lieferte dieser Waren. Die R. GmbH unterhielt ein Konto bei der beklagten Bank, auf das ihre Kunden Zahlungen unter anderem aus dem Weiterverkauf der von der Klägerin gelieferten Waren überwiesen. Die Beklagte hatte der R. GmbH einen Betriebsmittelkredit gewährt und mit ihr zur Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche aus der Geschäftsverbindung eine Globalabtretung sämtlicher gegenwärtiger und künftiger Ansprüche aus dem Geschäftsverkehr, insbesondere aus Lieferungen und Leistungen gegen alle Drittschuldner mit dem Anfangsbuchstaben A bis Z, vereinbart mit Ausnahme solcher Forderungen, die einem branchenüblichen verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten unterlagen. Diese Forderungsabtretung wurde den Schuldnern der Firma R. GmbH nicht angezeigt und war diesen auch nicht bekannt.
Die Klägerin zog im Wege des Lastschrifteinzugsverfahrens vom Konto der R. GmbH bei der Beklagten vom 20. Oktober bis 25. November 1997 zur Bezahlung von Warenlieferungen insgesamt 72.157,25 DM ein. Dieser Betrag wurde auf Widerspruch der R. GmbH vom 26. November 1997 der Klägerin wieder zurückbelastet. Am selben Tag kündigte die Beklagte der R. GmbH den Betriebsmittelkredit und verrechnete aufgrund der Globalzession Gutschriften mit dem Debetsaldo ihres Kontos. Mit Beschluß des Amtsgerichts München vom 6. Mai 1998 wurde der Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der R. GmbH mangels Masse abgewiesen.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft darüber, welche Beträge sie für die R. GmbH auf welchen Konten in der Zeit ab dem 16. Oktober 1997 von welchen Konten und mit welchem Betreff entgegengenommen hat und inwieweit diese Beträge noch auf den Konten vorhanden bzw. dort mit Debetsalden der R. GmbH verrechnet worden sind, soweit Zahlungen von Kunden der R. GmbH für Warenlieferungen betroffen sind, welche diese selbst von der Klägerin – entsprechend näher bezeichneter Rechnungen – bezogen hat. Des weiteren verlangt die Klägerin – nach erteilter Auskunft – Bezahlung derjenigen Beträge, die sich als Zahlungseingänge auf Warenlieferungen der R. GmbH beziehen, welche diese bei der Klägerin gekauft hat.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte habe spätestens seit September 1997 die Konkursreife der R. GmbH gekannt und diese Gesellschaft nur durch „Stehenlassen” ihres Kredits am Leben erhalten, um zu Lasten der Eigentumsvorbehaltslieferanten wie der Klägerin ihre eigenen Kreditforderungen gegenüber der R. GmbH zu befriedigen. Sie, die Klägerin, habe im Zeitraum vom 15. September bis 14. November 1997 unter vereinbartem verlängerten Eigentumsvorbehalt an die R. GmbH bisher nicht bezahlte Waren geliefert. Die Beklagte habe bewußt in Kenntnis des ungedeckten Lastschriftverfahrens dafür gesorgt, daß die aus dem Verkauf des Eigentums der Klägerin stammenden Erlöse zur Tilgung der eigenen Kreditforderungen gegenüber der R. GmbH verwendet worden seien. Dabei habe die Beklagte auch gewußt, daß der von ihr der R. GmbH gewährte Kredit niemals ausreichen würde, um deren Zusammenbruch zu verhindern. Damit habe die Beklagte u.a. auch die Klägerin über die Kreditwürdigkeit der GmbH getäuscht und die Schädigung der Klägerin bewußt in Kauf genommen. Die Geschäftsführerin der R. GmbH habe die Lastschriften am 26. November 1997 nur auf Druck und Drängen der Beklagten widerrufen. Nach Kündigung des Kredits am selben Tag habe die Beklagte keine Verfügung über das Konto mehr zugelassen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten und macht geltend, sie sei lediglich die Zahlstelle der R. GmbH gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Landgericht – auf dessen Begründung es insoweit Bezug nimmt – habe einen Anspruch der Klägerin aus § 816 Abs. 2 BGB zu Recht verneint, weil Zahlungen der Drittschuldner an die beklagte Bank nur als Zahlstelle der R. GmbH erfolgt seien. Darüber hinaus hafte die Beklagte auch nicht deliktisch aus § 826 BGB. Sittenwidriges Handeln könne der Bank zwar dann vorzuwerfen sein, wenn sie als Zahlstelle im Rahmen eines Einzugsermächtigungsverfahrens den Zahlungspflichtigen zum Widerspruch aufgefordert hätte, um sich selbst daraus Vorteile zu verschaffen. Dies habe die Klägerin jedoch nicht bewiesen. Insoweit habe sie im Berufungsverfahren zwar zuletzt behauptet und durch die Zeuginnen R. und U. unter Beweis gestellt, daß die Zeugin R. als Geschäftsführerin der R. GmbH die Lastschriften nur auf „Druck” und „Drängen” der beklagten Bank widerrufen habe. Diesem Beweisantrag sei aber als unzulässigem Ausforschungsbeweis nicht stattzugeben, da er die Tatsachen nicht spezifiziere, die den Begriff „Drängen” oder den Begriff „Druck” ausfüllten und aufgrund derer allein entschieden werden könne, ob ein Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 826 BGB nach dem Gesamtcharakter der Verhaltensweise der Beklagten vorliege. Eine Substantiierung sei insbesondere schon deshalb angezeigt, weil die Klägerin selbst vorgetragen habe, daß sie von dem „Druck” und dem „Drängen” der Beklagten nur aufgrund einer Äußerung der Zeugin R. gegenüber der Zeugin U. erfahren habe und davon ausgegangen werden könne, daß durch den Widerruf der Lastschriften eigene Vorteile für die R. GmbH auf Kosten der Klägerin beabsichtigt gewesen seien. Somit könne nicht ausgeschlossen werden, daß die Zeugin R. die Äußerung gegenüber der Zeugin U. lediglich gemacht habe, um ihren Anteil am Widerruf der Lastschriften zur Selbstrechtfertigung herunterzuspielen. Im übrigen seien für den von der Klägerin behaupteten Mißbrauch der Zahlstellenfunktion durch die Beklagte keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich.
II.
Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
Soweit die Vorinstanzen einen Anspruch der Klägerin aus § 816 Abs. 2 BGB verneint haben, zeigt die Revision hiergegen zwar keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken auf. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision jedoch nicht stand, soweit es einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB wegen eines von der Beklagten veranlaßten Widerrufs von Lastschriften der Klägerin verneint, denen Zahlungseingänge auf dem Konto der R. GmbH aus dem Weiterverkauf von der Klägerin unter verlängertem Eigentumsvorbehalt bezogener Waren gegenüberstehen. Ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung kann als rechtliche Sonderverbindung auch einen vorbereitenden Auskunftsanspruch rechtfertigen (vgl. Senatsurteil vom 28. November 1989 – VI ZR 63/89 – NJW 1990, 1358, 1359 m.w.N.).
1. Allerdings reichen alleine die Kenntnis eines Kreditgebers von der wirtschaftlich aussichtslosen Lage seines Kreditnehmers und das Unterlassen einer (früheren) Kündigung eines bestehenden Kredits – entgegen der Auffassung der Revision – grundsätzlich noch nicht aus, um eine Haftung des Kreditgebers nach § 826 BGB zu begründen. Einer Bank bleibt es in der Regel überlassen, ob und gegebenenfalls wann sie ein notleidendes Unternehmen, dem sie Kredit gegeben hat, fallenlassen will (vgl. BGHZ 90, 381, 399). Um das Verhalten der Bank als sittenwidrige Schädigung anderer Gläubiger erscheinen zu lassen, müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten. Dies wurde etwa bejaht für das Ausspielen wirtschaftlicher Macht im Verhältnis zum Kreditnehmer (vgl. BGHZ 19, 12, 18; BGH, Urteil vom 7. März 1985 – III ZR 90/83 – WM 1985, 866, 868; OLG Köln ZIP 2000, 743), die Ausübung von Druck (BGH, Urteil vom 7. März 1985, aaO) oder die sonstige Einflußnahme auf die Geschäftsführung zu eigenem Nutzen (vgl. OLG Köln, WM 1981, 1238, 1241). Darüber hinaus kommt eine Haftung nach § 826 BGB gegenüber anderen Gläubigern des Kreditnehmers wegen Täuschung über dessen Kreditwürdigkeit in Betracht, wenn sich der Kreditgeber – etwa im Rahmen eines Sanierungsversuchs – nicht im Rahmen des bestehenden Kredits auf die neutrale Rolle als Zahlungsmittler beschränkt, sondern sich in die Bemühungen des Kreditnehmers um die Gewinnung Dritter als Partner für weitere Kredit- oder Leistungsverträge aktiv einschaltet (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 1985 – III ZR 90/83 – aaO) oder durch die Gewährung weiterer Kredite um eigener Vorteile willen einen absehbaren Konkurs verzögert (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1984 – II ZR 171/83 – aaO m.w.N.). Dem von der Revision im vorliegenden Fall herangezogenen Vortrag der Klägerin läßt sich jedoch im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten bis zum 26. November 1997 nur entnehmen, daß diese von der wirtschaftlich prekären Situation der R. GmbH Kenntnis hatte. Eine Einflußnahme der Beklagten auf die Geschäftsführung der R. GmbH, insbesondere was die Geschäftsbeziehungen zur Klägerin anbelangt, hat die Klägerin dagegen nicht behauptet.
2. Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß sich das Berufungsgericht nicht verfahrensfehlerfrei mit dem Vortrag der Klägerin befaßt hat, die Geschäftsführerin der R. GmbH habe die Lastschriften am 26. November 1997 nur auf Druck und Drängen der Beklagten widerrufen. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, daß der Bank sittenwidriges Verhalten jedenfalls dann vorzuwerfen wäre, wenn sie als Zahlstelle im Rahmen eines Einzugsermächtigungsverfahrens den Zahlungspflichtigen zum Widerspruch aufgefordert hätte, um sich selbst daraus Vorteile zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84 – NJW 1985, 2326, 2327 = WM 1985, 905, 906). Es ist jedoch diesem Vortrag der Klägerin nicht nachgegangen, weil es sich nach seiner Auffassung bei dem Beweisantritt durch Vernehmung der hierzu benannten Zeuginnen mangels hinreichender Substantiierung um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis handele, zumal nicht ausgeschlossen werden könne, daß die damalige Geschäftsführerin der R. GmbH, die Zeugin R., die entsprechende Äußerung gegenüber der anderen Zeugin lediglich gemacht habe, um ihren Anteil am Widerruf der Lastschriften zur Selbstrechtfertigung herunterzuspielen.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Abgesehen davon, daß es sich hierbei teilweise um eine unzulässige Vorwegnahme einer Beweiswürdigung der Aussage der Zeugin R. handelt und abgesehen davon, daß die Klägerin über die behauptete Äußerung der Zeugin R. gegenüber der Zeugin U. hinaus aus eigenem Wissen zusätzlich nichts hätte vortragen können (vgl. hierzu Senatsurteil vom 15. Mai 2001 – VI ZR 55/00 – zur Veröffentlichung bestimmt), ist es im Rahmen der rechtlichen Würdigung eines entsprechenden Verhaltens der Beklagten im Rahmen des § 826 BGB unerheblich, mit welchen Worten und unter welchen äußeren Umständen die Beklagte die Geschäftsführerin der R. GmbH veranlaßt haben soll, die Lastschriften zu widerrufen. Im Zusammenhang mit dem taggleich mit der Kündigung des Betriebsmittelkredits erfolgten Widerruf der Lastschriften könnte es bereits ausreichen, daß die Beklagte den Widerruf in irgendeiner Form veranlaßt hat, um sich dadurch aus Zahlungseingängen aus dem Weiterverkauf der Eigentumsvorbehaltsware der Klägerin zu befriedigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1985 – II ZR 277/84 – aaO).
Das Berufungsgericht hat insoweit überzogene Anforderungen an die Substantiierungspflicht gestellt; dem Tatrichter bleibt es in einem solchen Fall unbenommen, bei der Beweisaufnahme die Zeugen nach allen Einzelheiten zu befragen, die ihm für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der Bekundung erforderlich erscheinen (vgl. Senatsurteil vom 4. Juli 2000 – VI ZR 236/99 – VersR 2000, 1520, 1521 m.w.N.).
Unterschriften
Dr. Müller, Dr. Dressler, Dr. Greiner, Wellner, Diederichsen
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 29.05.2001 durch Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 625207 |
BB 2001, 1650 |
DStR 2001, 1492 |
DStZ 2001, 647 |
NJW 2001, 2632 |
BGHR 2001, 737 |
EWiR 2001, 909 |
JurBüro 2001, 667 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2001, 1458 |
WuB 2001, 1117 |
WuB 2001, 1131 |
WuB 2001, 1195 |
DZWir 2001, 506 |
NZI 2001, 541 |
VersR 2001, 1292 |
RdW 2001, 530 |
ZBB 2001, 378 |
Kreditwesen 2002, 63 |