Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergehen eines Klageantrags. Sachlich unrichtige Entscheidung. Urteilsergänzung. Nebeneinander von Rechtsmittel- und Ergänzungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Übergeht ein Gericht einen von mehreren Klageanträgen, ist neben dem Ergänzungsverfahren nach § 321 Abs. 1 ZPO auch der Rechtsmittelzug eröffnet, wenn sich dieses Versäumnis nicht nur in einer bloßen Unvollständigkeit der getroffenen Entscheidung erschöpft, sondern zu einem sachlich unrichtigen Urteil (hier: umfassende Klageabweisung bei fehlendem Tatbestand) führt (Weiterführung von BGH, Urt. v. 25.6.1996 - VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238; Urt. v. 5.2.2003 - IV ZR 149/02, NJW 2003, 1463).
Normenkette
ZPO § 321 Abs. 1, § 511
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 19.12.2008; Aktenzeichen 9 S 87/08) |
AG Pinneberg (Urteil vom 26.06.2008; Aktenzeichen 68 C 54/07) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 19.12.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
[1] Die Klägerin hat vor dem AG zunächst Klage auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung und auf Zahlung erhöhter Miete samt Nebenkosten erhoben. Nachdem die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten hatte, hat sich diese darauf berufen, durch den Erwerb des Mietobjekts Vermieterin geworden zu sein, und hat im Wege der Klageerweiterung die Feststellung ihrer Vermieterstellung und der Mietereigenschaft der Beklagten begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Feststellungsantrag anerkannt. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits haben die Parteien einen Teilvergleich über den Zustimmungsantrag und über die Zahlung einer erhöhten Kaltmiete geschlossen.
[2] Mit Urteil vom 26.6.2008 hat das AG die weitergehende Klage abgewiesen und der Klägerin 57 % der Kosten auferlegt. Von der Darstellung des Tatbestands hat es nach § 313a ZPO abgesehen. Die Entscheidungsgründe befassen sich lediglich mit dem im Vergleich nicht geregelten Anspruch auf Zahlung höherer Nebenkosten und der Kostentragungspflicht.
[3] Nach der am 3.7.2008 erfolgten Zustellung des Urteils hat die Klägerin mit Anwaltsschriftsatz vom gleichen Tag Antrag auf Ergänzung des Urteils um den anerkannten Feststellungsantrag gestellt und zudem eine erneute Kostenentscheidung verlangt. Mit Verfügung vom 30.7.2008 hat das AG angekündigt, zunächst den Tatbestand nach § 320 ZPO um das Anerkenntnis der Beklagten zu ergänzen und anschließend eine Entscheidung über die beantragte Urteilsergänzung zu treffen.
[4] Mit am 4.8.2008 (einem Montag) per Fax beim LG eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Berufung mit dem Ziel eingelegt, eine Ergänzung des angefochtenen Urteils um den übergangenen Feststellungsantrag und eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten zu erreichen. Nachdem das AG mit Urteil vom 11.9.2008 dem Ergänzungsantrag der Klägerin entsprochen und ihr eine Kostentragungspflicht von nur noch 12 % auferlegt hatte, hat die Klägerin die Berufung in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen. Das LG hat dem Erledigungsbegehren mit Urteil vom 19.12.2008 stattgegeben. Mit der vom LG zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Verwerfung der Berufung als unzulässig.
Entscheidungsgründe
[5] Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
[6] Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
[7] Die ursprünglich zulässige und begründete Berufung habe sich durch das nachträglich verkündete Ergänzungsurteil des AG erledigt. Das Rechtsmittel sei nicht von vornherein wegen fehlender Beschwer der Klägerin unzulässig gewesen. Zwar sei eine Partei nicht schon dadurch beschwert, dass das Gericht nur über einen Teil ihres Begehrens entscheide. Die Klägerin sei aber deswegen durch das Urteil des AG vom 26.6.2008 beschwert gewesen, weil die Unvollständigkeit der Entscheidung diese auch unrichtig gemacht habe. Denn die vom AG ausgesprochene Abweisung der Klage habe auch den von der Beklagten anerkannten Feststellungsantrag erfasst. Der Wortlaut der Entscheidungsformel sei insoweit eindeutig. Auch die Auslegung des Urteils lasse nicht klar erkennen, dass der Feststellungsantrag nur versehentlich übergangen worden sei.
[8] Die Beschwer der Klägerin sei nicht durch die Ankündigung des AG vom 30.7.2008 entfallen, eine Urteilsergänzung vornehmen zu wollen. Hierbei habe es sich lediglich um eine unverbindliche Absichtserklärung gehandelt.
[9] Der Klägerin habe auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Berufung gefehlt. Denn sie habe ihr Ziel allein durch Stellung eines Ergänzungsantrags nicht ebenso sicher erreichen können wie mit einer zusätzlich gegen das ursprüngliche Urteil eingelegten Berufung.
II.
[10] Diese Beurteilung hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend hat das Berufungsgericht die nach §§ 256 Abs. 1, 264 Nr. 2 ZPO zulässige Erklärung über die Erledigung der Berufung für begründet erachtet. Das von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel war ursprünglich zulässig und begründet. Erst durch die dem Antrag auf Urteilsergänzung (§ 321 ZPO) stattgebende Entscheidung des AG ist die - die Berufungssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO übersteigende - Beschwer der Klägerin entfallen und damit die Berufung nachträglich unzulässig geworden. Die Revision ist daher zurückzuweisen.
[11] 1. Wird ein geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch vom Gericht versehentlich übergangen, ist das lückenhafte Urteil regelmäßig nicht bereits wegen seiner Unvollständigkeit inhaltlich fehlerhaft, vielmehr liegt lediglich eine ergänzungsbedürftige Teilentscheidung vor (vgl. RGZ 75, 286, 293; BGH, Urt. v. 15.12.1952 - III ZR 102/52, MDR 1953, 164, 165; BAG NJW 1994, 1428, unter II 2 f. aa; OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 972; ZMR 1999, 663; Musielak/Musielak, ZPO, 6. Aufl., § 321 Rz. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 321 Rz. 2; Musielak in MünchKomm/ZPO, 3. Aufl., § 321 Rz. 2; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 321 Rz. 3; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 321 Rz. 27; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 321 Rz. 15; Rensen: in Wieczorek/Schütze, ZPO, 3. Aufl., § 321 Rz. 43, jeweils m.w.N.). Eine Partei, deren Anspruch (noch) nicht beschieden worden ist, kann daher grundsätzlich - mangels Beschwer - keine Ergänzung der bislang unterbliebenen Entscheidung durch Einlegung eines Rechtsmittels verlangen, sondern nur eine Schließung der Lücke im Verfahren nach § 321 ZPO erreichen (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.1979 - VI ZR 40/78, NJW 1980, 840, unter II 2b; Urt. v. 5.2.2003 - IV ZR 149/02, NJW 2003, 1463, unter 1a; BAG, a.a.O.; Musielak/Musielak, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Reichold, a.a.O.; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O.; Hk-ZPO/Saenger, a.a.O.; Rensen, a.a.O., jeweils m.w.N.). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. In einigen Fällen kommt es zu Überschneidungen des Ergänzungsverfahrens nach § 321 ZPO mit den der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit einer Entscheidung dienenden Rechtsmitteln.
[12] a) Der Gesetzgeber hat durch die in §§ 302 Abs. 2, 599 Abs. 2, 716, 721 Abs. 1 Satz 3 ZPO angeordneten Verweisungen anerkannt, dass ein Urteil durch die Übergehung unselbständiger Teile der Entscheidung sowohl unvollständig i.S.d. § 321 ZPO als auch inhaltlich unrichtig sein kann (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 25.6.1996 - VI ZR 300/95, NJW-RR 1996, 1238, unter II 1a; Urteil vom 5.2.2003, a.a.O., unter 2b, jeweils m.w.N.). Nach einhelliger Auffassung ist der betroffenen Partei in diesen Fällen sowohl der Rechtsmittelzug als auch eine Urteilsergänzung nach § 321 ZPO eröffnet (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1996, a.a.O.; Urteil vom 5.2.2003, a.a.O.; Urt. v. 16.12.2005 - V ZR 230/04, NJW 2006, 1351, Tz. 9; OLG Schleswig MDR 2005, 350; Musielak/Musielak, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Reichold, a.a.O.; Leipold in Stein/Jonas, a.a.O.; Hk-ZPO/Saenger, a.a.O.; Rensen, a.a.O., jeweils m.w.N.).
[13] b) Ein Nebeneinander von Rechtsmittel- und Ergänzungsverfahren wird über die vorgenannten ausdrücklichen Regelungen hinaus auch für andere Fälle versehentlichen Übergehens unselbständiger Entscheidungsteile - insb. von Kostenaussprüchen (hierbei ist allerdings § 99 Abs. 1 ZPO zu beachten) - bejaht (vgl. BGH, Urt. v. 25.6.1996, a.a.O., unter II 1b, c, m.w.N; Urteil vom 16.12.2005, a.a.O., Tz. 10 ff.; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Dresden, OLG-NL 2005, 281; Musielak/Musielak, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, a.a.O.; Reichold, a.a.O., Rz. 1, 3; Leipold in Stein/Jonas, a.a.O., jeweils m.w.N.). Nichts anderes kann dann gelten, wenn einer von mehreren Klaganträgen (also ein Hauptanspruch) übergangen wird, sich dieses Versäumnis aber nicht in der Unvollständigkeit der Entscheidung erschöpft (vgl. hierzu BGH, Beschl. v. 9.11.2006 - VII ZR 176/05, BauR 2007, 431), sondern darüber hinaus - wie im Streitfall - zu der inhaltlich unrichtigen Abweisung eines anerkannten Feststellungsantrags führt. Denn auch in einem solchem Fall hängen die - durch § 321 ZPO zu beseitigende - Unvollständigkeit und die - im Wege der Rechtsmittelanfechtung zu bekämpfende - sachliche Unrichtigkeit der ergangenen Entscheidung untrennbar zusammen. Diese Fallgestaltung entspricht zwar - wie oben unter 1. aufgezeigt - nicht der Regel, sie kann aber - wie der vorliegende Sachverhalt zeigt - durchaus in der Praxis vorkommen. Zur Korrektur inhaltlich fehlerhafter Entscheidungen hat die Zivilprozessordnung ausschließlich die Beschreitung des Rechtsmittelwegs vorgesehen. Dass daneben - wegen der Unvollständigkeit der Entscheidung - auch eine Ergänzung nach § 321 ZPO in Betracht kommt, führt schon angesichts der nur auf Lückenschließung gerichteten Zielsetzung dieser Regelung nicht zur Verdrängung der allgemeinen Rechtsmittelvorschriften. Zudem sind keine stichhaltigen Gründe dafür ersichtlich, einer betroffenen Partei beim Übergehen von Nebenentscheidungen mehr Rechte einzuräumen als bei einer - ebenfalls zur sachlichen Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung führenden - Übergehung eines selbständigen Antrags. Das letztgenannte Versäumnis trifft die Partei häufig härter als die Außerachtlassung von Nebenpunkten.
[14] c) Im Streitfall rief das Übergehen eines Klagantrags nicht nur eine Entscheidungslücke hervor, sondern führte - wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat - zugleich zu einer inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der getroffenen Entscheidung. Das AG hat nach dem umfassenden Wortlaut seiner Urteilsformel das gesamte Prozessbegehren der Klägerin und damit auch den von der Beklagten anerkannten (§ 307 ZPO) Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen. Dass sich die Abweisung nur auf den weiteren Klagantrag - soweit dieser nicht bereits durch Teilvergleich erledigt war - bezog, ergab sich aus dem Urteil nicht mit hinreichender Deutlichkeit.
[15] aa) Zwar können zur Auslegung der Urteilsformel auch Tatbestand, Entscheidungsgründe und in geeigneten Fällen das zugrunde liegende Parteivorbringen herangezogen werden (BGH, Urt. v. 15.6.1982 - VI ZR 179/80, NJW 1982, 2257, unter II; Urt. v. 16.3.1999 - XI ZR 209/98, NJW-RR 1999, 1006, unter II 2; Urt. v. 16.4.2002 - KZR 5/01, WRP 2002, 1082, unter II 2a, jeweils m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Urteilsformel Anlass zu Zweifeln gibt. Zudem ist eine solche Auslegung nur begrenzt möglich; sie hat sich im Interesse der Rechtssicherheit allein an das zu halten, was der Richter erkennbar zum Ausdruck gebracht hat (BGH, Urt. v. 15.6.1982, a.a.O.; Urteil vom 16.4.2002, a.a.O., jeweils m.w.N.).
[16] bb) Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, lässt sich der Entscheidungsformel nicht im Wege der Auslegung entnehmen, dass der Feststellungsantrag von der Klageabweisung nicht erfasst sein sollte. Das AG hat von der Darstellung des Tatbestandes unter Hinweis auf die nicht erfüllten Voraussetzungen des § 313a ZPO abgesehen. Für die Parteien erschloss sich damit aus dem Urteil nicht, mit welchen prozessualen Ansprüchen sich das Gericht befasst hat. Auch die Entscheidungsgründe des Urteils lassen nicht mit der aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordernden Gewissheit erkennen, dass sich die Klageabweisung nicht auf den zusätzlich gestellten und anerkannten Feststellungsantrag erstrecken sollte. Darüber, über welches Prozessbegehren entschieden worden ist, können regelmäßig nicht die Entscheidungsgründe allein zuverlässig Aufschluss gegeben. Es ist Aufgabe des Tatbestandes und nicht der Entscheidungsgründe, den Umfang der erhobenen Ansprüche zu bezeugen (§ 313 Abs. 2, 3 ZPO). Die Entscheidungsgründe enthalten nur die für deren Beurteilung erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO). Wenn ein bestimmter Antrag in den Entscheidungsgründen eines - nicht mit einem Tatbestand versehenen - Urteils keine Erwähnung gefunden hat, bedeutet dies also nicht notwendigerweise, dass das Gericht den Antrag versehentlich übergangen und deswegen keine Ausführungen hierzu für erforderlich gehalten hat.
[17] cc) Im Streitfall lässt sich aus den Entscheidungsgründen jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit eine Einschränkung der ausgesprochenen Klageabweisung auf den neben dem Zwischenfeststellungsantrag verfolgten Leistungsantrag entnehmen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, das Schweigen der Entscheidungsgründe könne auch darauf beruhen, dass das Gericht zwar die Abweisung aller Anträge beabsichtigte, jedoch die hierfür erforderliche Begründung unterlassen hat. Letzteres mag zwar wenig wahrscheinlich gewesen sein, auszuschließen war diese Möglichkeit jedoch nicht (etwa Abweisung des anerkannten Antrags wegen Fehlens oder Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses). Eine einschränkende Auslegung der in der Entscheidungsformel zum Ausdruck gekommenen umfassenden Abweisung der von der Klägerin gestellten Anträge scheidet damit aus. Durch die nachteilige Abweichung des rechtskraftfähigen Inhalts der angefochtenen Entscheidung von ihren erstinstanzlichen Anträgen ist die Klägerin formell beschwert.
[18] 2. Die Beschwer der Klägerin ist nicht vor Einlegung der Berufung durch die Ankündigung des AG weggefallen, eine Tatbestandsergänzung nach § 320 ZPO vorzunehmen und anschließend im schriftlichen Verfahren über den Ergänzungsantrag nach § 321 ZPO zu entscheiden. Denn dem AG blieb es trotz dieser Ankündigung unbenommen, seine Rechtsansicht zu ändern und den Ergänzungsantrag abschlägig zu bescheiden. Daher ist die Beschwer der Klägerin erst mit der Verkündung des Ergänzungsurteils am 11.9.2008 entfallen.
[19] 3. Der Klägerin fehlte für die Berufung auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis.
[20] a) Regelmäßig ergibt sich bereits aus dem Vorliegen der Beschwer das Vorhandensein eines Rechtsschutzbedürfnisses (vgl. BGHZ 57, 224, 225; Zöller/Heßler, a.a.O., Vor § 511 Rz. 11). Ausnahmsweise kann das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn das verfolgte Begehren auf einem einfacheren Weg zu erlangen ist (vgl. BGHZ 111, 168, 171). Auf einen verfahrensmäßig unsicheren Weg darf die betroffene Partei jedoch nicht verwiesen werden (BGHZ, a.a.O., 171 f.; BGH, Urt. v. 24.2.1994 - IX ZR 120/93, NJW 1994, 1351, unter I 2b).
[21] b) So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass der Klägerin im Hinblick auf § 321 ZPO kein einfacherer und ebenso sicherer Weg zur Verfügung stand (so auch Leipold in Stein/Jonas, a.a.O.; a.A. OLG Zweibrücken FamRZ 1994, 972, 973). Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass das AG nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage den Ergänzungsantrag unter Hinweis darauf zurückweisen würde, der Feststellungsantrag sei von ihm bewusst abgewiesen worden, so dass für eine Urteilsergänzung kein Raum sei. Auch wenn das die Ergänzung ablehnende Urteil seinerseits wieder mit der Berufung anfechtbar gewesen wäre, hätte das Rechtsmittelgericht angesichts der gegenteiligen Erklärung des erstinstanzlichen Richters nicht von einer unbeabsichtigten Entscheidungslücke ausgehen dürfen. Demgegenüber ist es für die im Streitfall zu beurteilende Berufung ohne Bedeutung, ob der Feststellungsantrag bewusst oder unabsichtlich abgewiesen wurde. Denn vorliegend ist allein die sachliche Unrichtigkeit der getroffenen Entscheidung maßgebend und damit nicht - wie bei einer Berufung gegen ein abweisendes Ergänzungsurteil - zu prüfen, ob der erstinstanzliche Richter unbewusst eine lückenhafte Entscheidung getroffen hat. Diesen Unterschied verkennt die Revision, die die Klägerin allein auf § 321 ZPO und ein hiergegen eröffnetes Rechtsmittel verweisen will.
[22] Hinzu kommt, dass die Klägerin neben der Ergänzung der Urteilsformel in der Hauptsache auch eine Änderung der Kostenentscheidung zu ihren Gunsten verlangt hat. Es war nicht auszuschließen, dass das AG diesem - nach den Grundsätzen des § 319 ZPO zu beurteilenden - Anliegen nicht oder nicht in vollem Umfang Rechnung tragen würde. In Rechtsprechung und im Schrifttum ist umstritten, ob eine Berichtigung der Hauptsacheentscheidung auch eine Abänderung der ursprünglichen Kostenentscheidung zulässt (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 319 Rz. 18, m.w.N.; vgl. ferner Proske, Die Urteilsberichtigung gem. § 319 ZPO, 2002, S. 107 ff., m.w.N.). Dem Berufungsgericht wäre dagegen eine uneingeschränkte Überprüfung der Kostenentscheidung möglich gewesen.
Fundstellen
Haufe-Index 2243693 |
NJW 2010, 1148 |
BGHR 2009, 1217 |
EBE/BGH 2009 |
FamRZ 2009, 1997 |
NJW-RR 2010, 19 |
JurBüro 2010, 110 |
AnwBl 2010, 4 |
MDR 2009, 1406 |
WuM 2010, 57 |