Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe im Ehescheidungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsverfolgung der prozesskostenarmen Partei ist nicht schon deshalb mutwillig (§ 114 ZPO), weil sie die Folgesache nicht bereits im Ehescheidungsverbund geltend gemacht hat.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

AG Neustadt a. Rbge. (Beschluss vom 04.06.2004; Aktenzeichen 38 F 193/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des AG - FamG Neustadt vom 4.6.2004 geändert und der Klägerin für ihre Stufenklage unter Beiordnung von Rechtsanwältin F. in C. Prozesskostenhilfe zu den Bedingungen einer gerichtseingesessenen Anwältin bewilligt. Es bleibt vorbehalten nach einer Bezifferung des Zahlungsantrages zur Klarstellung über den Umfang der Bewilligung zum Zahlungsantrag einen gesonderten Beschluss des AG zu erlassen.

Der Klägerin wird zugleich aufgegeben, monatliche Raten i.H.v. 95 Euro, beginnend am 15.7.2004, die Folgeraten fällig jeweils am 15. eines Monats, an die Landeskasse zu zahlen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie ihr Prozesskostenhilfegesuch für ihre Stufenklage auf Zahlung von Zugewinnausgleich weiterverfolgt, ist begründet.

Die Rechtsverfolgung der prozesskostenarmen Klägerin ist nicht schon deshalb mutwillig (§ 114 ZPO), weil sie ihren Anspruch auf Zugewinnausgleich nicht bereits im Ehescheidungsverbund geltend gemacht hat.

Mutwillig ist eine Rechtsverfolgung nur, wenn eine verständige Partei sie in gleicher Situation nicht, bzw. nicht in gleicher Weise vornehmen würde. Dabei stehen vielfach wirtschaftliche Abwägungen im Vordergrund, sind aber nicht allein ausschlaggebend. Entgegen der angefochtenen Entscheidung handelt eine prozesskostenarme Partei nicht schon deshalb mutwillig, weil sie ihren Anspruch, den sie als Folgesache im Ehescheidungsverfahren hätte gelten machen können, nunmehr isoliert geltend macht.

Der Gesetzgeber hat es den Parteien hinsichtlich der "optionalen Folgesachen" (Unterhalt, Zugewinnausgleich, Sorge- und Umgangsrechtsregelung sowie Hausratsteilung und Wohnungszuweisung) in § 623 ZPO grundsätzlich freigestellt, ob sie sich für eine einheitliche Lösung von Ehescheidung und Folgesachen in einem einheitlichen Verfahren entscheiden oder aber einer zügige Scheidung und einem nachfolgenden isolierten Streit um eine oder mehrere Folgesachen den Vorrang einräumen. Dieses Wahlrecht steht grundsätzlich auch der prozesskostenarmen Partei selbst bei Anfall höherer Rechtsverfolgungskosten - soweit diese Rechtsverfolgung im Einzelfall nicht ausnahmsweise mutwillig ist - in gleicher Weise wie der vermögenden Partei zu. Da in den meisten Familiensachen - zumal in Ehescheidungsverfahren - zumindest eine Partei prozesskostenhilfebedürftig ist, würde anderenfalls einerseits dieses Wahlrecht aus wirtschaftlichen Gründen völlig ausgehöhlt und andererseits die Ehescheidungsverfahren aus der vagen Sorge, es könne in möglichen Folgesachen die außergerichtliche Einigung scheitern und man könne dann die Prozesskosten nicht selbst aufbringen, mit allen erdenklichen Folgesachen aufgebläht.

Für die Frage, ob die isolierte Rechtsverfolgung einer Folgesache im Einzelfall mutwillig ist, bedarf es zunächst der Feststellung, dass infolge der Gebührendegression bei der Geltendmachung im Ehescheidungsverbund ein erheblicher wirtschaftlicher Vorteil eintritt. Die völlige Versagung der Prozesskostenhilfe wegen Mutwillens kann daher an sich nie gerechtfertig sein, da auch im Ehescheidungsverbund die Geltendmachung von Folgesachen nie kostenlos ist, sondern allenfalls kostengünstiger erfolgt. Nur die Verursachung dieser entbehrlichen Mehrkosten kann mutwillig sein und insoweit zu einer teilweisen Versagung der Prozesskostenhilfe führen. Der Umfang der überflüssigen Mehrkosten wäre daher im Einzelfall festzustellen.

Ferner erfordert die Annahme von Mutwillen wegen isolierter Geltendmachung die Feststellung, dass eine verständige Partei, die den Rechtsstreit aus eigenen Mitteln finanzieren muss, gerade wegen der sonst anfallenden Mehrkosten auch unter Hinnahme sonstiger Nachteile (spätere Ehescheidung, längere Zahlung von Trennungsunterhalt bei anderer Rechtslage für den nachehelichen Unterhalt, die Geburt eines Kindes aus einer neuen Beziehung in die "alte Ehe" usw.) die Geltendmachung im Verbund vorziehen würde. Dabei muss den Rechtssuchenden die Möglichkeit eröffnet bleiben, Ansprüche soweit irgend möglich außergerichtlich zu regeln und nicht nur deshalb, weil das Ehescheidungsverfahren anhängig ist, die Regelung aller möglichen Folgesachen über das Knie zu brechen.

Ergibt sich eine Konstellation, bei der im Rahmen des Ehescheidungsverbundes ernsthaft die Abtrennung der isoliert geltend gemachten Folgesache gem. § 628 ZPO zu prüfen gewesen wäre, wird die isolierte Geltendmachung der Folgesache regelmäßig nicht mutwillig sein.

Nach diesen Kriterien ist der Klägerin hier nicht vor...

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